"Aber der empirische Status des Kunstwerks ist von unserem technischen Zeitalter, von unseren Herrschern und Erziehern ignoriert worden. Es ist möglich, daß viele von uns erzogen und zu dem Beruf des Lehrers ausersehen und doch des Wissens um eine Hälfte der Wirklichkeit beraubt worden sind: wir sind der Schönheit, die die Wahrheit ist, und der Wahrheit, die die Schönheit ist, beraubt worden.
Es ist natürlich ein Fehler, diese Gefühlsworte zu gebrauchen. Was sie in erkenntnismäßigem Sinn bedeuten, ist, daß wir einer Mitteilungsmöglichkeit beraubt worden sind, einer - um Obbo Baenschs Worte zu gebrauchen - *Geistestätigkeit, durch die wir uns den Weltinhalt zu allgemeingültigem Bewußtsein erheben*.
Es ist uns eine ästhetische Wahrnehmungsmethode versagt worden, deren Funktionen eine Ergänzung zu der logischen Methode der Definition und Verifizierung bilden. Wir können mit dieser Halb-Bildung, diesem Halb-Wissen in einer technischen Zivilisation Erfolg haben.
Welches sind aber die Werte einer technischen Zivilisation? Welche Weisheit hat sie uns zu bieten? Sie hat eine Philosophie, die wissenschaftlich genannt wird, und einer sozialen Organisation entspricht, die funktionell ist; beantwortet aber diese Philosophie jene Fragen, die die Menschheit Jahrhunderte hindurch beunruhigt haben und die noch heute jeden nachdenklichen Mann oder Frau beunruhigen - die [...] einzigen der gedanklichen Auseinandersetzung würdigen Fragen: Warum existiert etwas? Warum existiert nicht nichts? Welche vorhandenen Umstände rechtfertigen die Absurdität weiterzuleben?
Wozu ich noch diese letzte Frage füge: Ist es möglich, daß das Leben nur insoweit einen Sinn erlangt, als der Mensch schöpferisch ist?"
Herbert Read in seinem Schlußplädoyer
in "Formen des Unbekannten"
*030410*