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Freitag, 16. April 2010

Mutter Kirche

Anne Parsons zeigt in ihrer bemerkenswerten (psychoanalytischen) Arbeit über den Ödipus-Komplex anhand der sozialen Gegebenheiten in Süditalien, wie eng die Haltung zur Kirche mit der Stellung der Frau in der Familie, und deren (ödipal bemerkenswert geprägtes) Verhältnis zu ihren Söhnen zu tun hat. Die Kirche, und vor allem die Gottesmutter Maria, sind für die Mutter Mittel, die Macht über die Söhne, ohne das Tabu zu brechen, zu bewahren.

Die notwendige Ablösung von der Mutter in der Pubertät, die stark vom sozialen Umfeld vorangetrieben und häufig über die Ehe hinaus für die Identitätsbildung konstituierend ist, passiert sohin über die in Unteritalien bemerkenswert spöttische Haltung der Kirche gegenüber. Vor allem wird die Kirche - sic! - der Unreinheit in sexuellen Dingen sehr gerne bezichtigt.

Der junge Mann aber muß sich, um erwachsen zu werden, von der Kirche ... abwenden. Religion und Sexualität, so Parsons, sind in den Augen der Süditaliener, nicht vereinbar.

Entsprechend sind die Probleme mit der Kirche in den Verhältnissen zur Mutter zu suchen. Und weil genau das nicht möglich ist, hat die Kirche derzeit "unlösbare" Probleme - es ist nicht möglich, weil sie, in der überwiegenden Mehrzahl ihrer Repräsentanten, von einer Massenpsychose befallen ist, und deshalb den wahren Ursachen des Problems auf unnachahmliche Weise ausweicht.

Mich hat einmal vor vielen Jahren ein hochgestellter Kleriker gefragt, warum ich denn meine, daß es in der Kirche - das Problem war also viele Jahrzehnte bekannt - so viele Homosexuelle gäbe. Die Antwort liegt genau dort - im selben Bezirk, wo das Problem Homosexualität selbst liegt: in der Identitätsverweigerung, in der psychotisch gewordenen Beziehung zur Mutter, als Gewissensherrscherin, der zu "entfliehen" nur durch "so werden wie" möglich wird.

In kaum anderer, lediglich selektiv moralisierter Form, betrifft es die "Muttersöhnchen", die in der Nachkriegsgeneration zum Standardtypos des vorzufindenden Mannes in der Kirche geworden ist, oder umgekehrt.

Und in der Gleichsetzung dieser "Nicht-Männer" mit Kirche liegen fast sämtliche übrigen Probleme, die gemeiniglich als "Glaubensschwund" bezeichnet werden - und seltsamerweise ... von einem wahren Boom an agnostischen, esoterischen Lehren gekennzeichnet sind. Lehren und Systeme, die es ermöglichen, der eigenen Mutter (als überliefertem Werterepräsentanten) auszuweichen.




*160410*