In einer nun offiziell übersetzten Form des also bereits längere Zeit kursierenden Büchleins «Der kommende Aufstand» anonymer französischer Verfasser (zumindest war die Schrift bislang nur in dieser Sprache in Umlauf) wird diese Entschlossenheit artikuliert, und sie ist politisch nur bedingt einordenbar, ist auf jeden Fall nicht "politically correct", nicht wirklich "links", aber auch nicht "rechts".
Zu Mutmassungen wird der Leser auch verleitet, was die Inspirationsquellen des imaginären Kollektivs angeht. Houellebecq, Baudrillard, Agamben (als dessen Schüler Coupat gilt) sogar Carl Schmitt, Ernst Jünger und Heidegger wollen einige Rezensenten herausgehört haben. Zweifelsfrei identifizierbar sind «situationistische» Töne à la Guy Debord und das Vokabular von Alain Badiou, mit dessen Hilfe die Koinzidenz von «Ereignis» und «Wahrheit» beschworen wird.
Das meint zumindest der Verfasser der Rezension, um dann doch einzuräumen:
Die Wahrheit über das Ereignis dieses Manifests, das mit einer empfundenen Ausweglosigkeit beginnt und mit einem ausgerufenen Kommunen-Kommunismus endet, blitzt an der Stelle auf, an der es von der «Theoretisierung einer Ohnmacht» handelt. Die Anleihe, die es mit seinen «Kreisen» genannten Kapiteln bei Dantes «Göttlicher Komödie» macht, hat insofern ihre Richtigkeit. In des Dichters viertem Höllen-Gesang nämlich steht: «dass wir in Sehnsucht leben, hoffnungslos.
Eines steht jedenfalls fest: es ist eine neue Bewegung spürbar, und sie artikuliert sich so, wie aus dem Chaos nach und nach Gestalt sich erhebt. Die geistigen Quellen sind widerspruchsvoll, es fehlt eindeutig an einer klaren Form, somit an einem klaren Willen. Letzterer bleibt chthonisch, ja okkult, aber er ist ein Wille zur Veränderung, und er geht von einem Ohnmachtsgefühl aus, das allen Beschwörungen, daß wir in einer Welt lebten, in der der Einzelne so viel Mitsprache hätte wie noch nie, absolut widerspricht, ja alle Beteuerungen gegenwärtiger Politik als Lüge und Aberglaube entlarvt.
Auch hier also: denn wenn man GLAUBT, man würde die Menschen befreien, diese es aber als Weg ins gerade Gegenteil empfinden, dann kann das nur heißen, daß die Vernunftgrundlagen heutigen politischen Handelns fehlen, einfach: fehlen. Die Rationalität, die heutigem Handeln zugrunde liegt, kann bestenfalls "logisch" sein, aber sie ist nicht "richtig", nicht wahr, nicht vernünftig.
Denn wie sonst wäre erklärbar, daß inmitten der "Wohlgefügtheit" der staatlichen Systeme und Ordnungen ein solcherart dumpfes Unbehagen wachsen kann, wie es sich historisch nur in weitreichenden gesellschaftlichen Umbrüchen, mit dem Ziel des Zerbrechens bestehender Ordnungen in Revolten, Revolutionen, als Reaktion auf Diktaturen, auf Totalitarismen bekannt ist? Woher kommen in Zeiten, wo wir in Sozialgesetzen ersticken, solch breiten Gefühle von Ungerechtigkeit und Gewalt am Leben? Kann es also sein, daß die bestehenden Mechanismen bestenfalls noch die selben Worte verarbeiten, aber andere Inhalte dahinterstehen?
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Zuvor heißt es in der Rezension aus der Feder von Uwe Justus Wenzel:
[...] entbehrte insofern nicht der Stimmigkeit, als in dem Pamphlet empfohlen wird, die politische Solidarität gegenüber «staatlicher Einmischung» ebenso undurchdringlich werden zu lassen «wie ein Zigeunerlager», und zudem festgestellt wird, etwelche Sabotage an der «gesellschaftlichen Maschine» mache es nötig, «die Mittel zur Unterbrechung ihrer Netze zurückzuerobern» – der Hinweis auf «eine TGV-Strecke» und «ein Stromnetz» folgt alsogleich. Es kommt hinzu, dass Julien Coupat, den die französischen Strafverfolgungsbehörden für den federführenden Autor des Werkes halten, von ihnen auch noch verdächtigt wird, eine «kriminelle Vereinigung mit terroristischen Zielen» gebildet zu haben und vor zwei Jahren an Anschlägen auf eine Eisenbahnstrecke beteiligt gewesen zu sein, auf der ein Castor-Transporter mit Atommüll hätte fahren sollen . . . Eine die Grenzen der Rechtsstaatlichkeit strapazierende Untersuchungshaft von einem halben Jahr hat freilich keine brauchbaren Beweise erbracht. [...]
In Sehnsucht, hoffnungslos
In einem Zwielicht schillert der gesamte Text – bis hin zur Frage der Waffen: «Es gibt keinen friedlichen Aufstand. Waffen sind notwendig: Es geht darum, alles zu tun, um ihren Gebrauch überflüssig zu machen.»
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