Eric Satié (1866-1925) |
"Als ich das erste mal sein Zimmer im Spital St. Josef betrat - Pierre de Massot hatte mich hingeführt und für einen Augenblick zurückgezogen - flüsterte er mir ins Ohr: "Sie wissen, ich bin nicht so ein hartgesottener Religionsfeind. Wenn ich gesund werde, werde ich mein Leben ändern. Aber nicht auf einmal, um nicht meinen Freunden Ärgernis zu geben. Und dann, ich habe jeden Morgen ein Kreuzzeichen gemacht ..."
Als der Spitalsgeistliche wie gewöhnlich am Karfreitag durch die Säle ging, um zu fragen, wer Ostern halten wolle, antwortete er: "Aber gewiß, ich bin katholisch!" Er beichtete des Abends noch; da er die Gebete vergessen hatte, bat er die Pflegeschwester ihm bei der Buße zu helfen. Sie verrichteten zusammen das Gebet des Herrn und den Englischen Gruß; Satie weinte. Zweimal noch verlangte er nach der Heiligen Kommunion. Zu Reverdy, seinem Vertrauten, sprach er von seinen frommen Übungen in seinem unnachahmlichen, halb ernsten, halb schalkhaften Ton, den die Schamhaftigkeit ihm eingab, wenn er von sich selbst sprach.
Zu mir sprach er vor allem von Musik und von Küchensachen. [...] Einmal fuhr er mich derb an, weil ich eine auf seltsame Weise verschwundene Büchse Konfekt nicht mehr finden konnte. Alle Schubläden mußten durchstöbert werden. "Es ist doch nicht weit her mit einem katholischen Autor, wenn er nicht einmal imstande ist, eine verschwundene Büchse Konfekt zu finden. Man braucht sie bloß sehen, wie sie suchen, um zu wissen, daß sie sie nie finden werden."
Alles in allem zeigte er in seiner rätselhaften und grausamen Krankheit musterhafte Geduld. Und stets diesen seltsamen - von Überlegung und Ironie, von Ängstlichkeit und Absonderlichkeit getragenen - Ordnungssinn, der bei ihm eine so tiefe Bedeutung besaß. Zuletzt befiel ihn eine nur durch wache Momente unterbrochene Ohnmacht. Als ich an seinem Bette sitzend leise meinen Rosenkranz betete, erwachte er und sagte: "Es ist gut beisammen zu sein, wenn man zusammen denkt." Dann fiel er in Schlaf. Das sind die letzten Worte, die ich aus seinem Munde hörte. Nach einer halben Stunde ging ich leise fort.
Ich sah ihn erst wieder, als er auf der Bahre lag. Er hatte die letzte Ölung bei vollem Bewußtsein erhalten. Ich glaube, daß er seinen Freunden viel erbitten wird."
"Gott kann man nichts vormachen," schreibt er dann an anderer Stelle. "Er verachtet die Literatur. Er hat das reine Auge Satié's geliebt."
"Gott kann man nichts vormachen," schreibt er dann an anderer Stelle. "Er verachtet die Literatur. Er hat das reine Auge Satié's geliebt."
Aus "Der Künstler und der Weise - Jean Cocteau und Jacques Maritain - Briefe"
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