Fügt man die Untersuchung von Albrecht Erich Günther "Totem. Tier und Mensch im Lebenszusammenhang" - Ernst Jünger nennt das Büchlein eine kleine, feine Arbeit, und da untertreibt er mit äußerstem Understatement, denn Günther hat ein phantastisches und wohl vergessenes, aber bestenfalls von den Papiermaßen her kleines Buch vorgelegt - in ein psychoanalytisches Gesamtbild ein, so ergibt sich die frappierende Erkenntnis, daß die Evolutionstheorie Darwin'schen Zuschnitts ein Ausfluß ödipaler Vaterkastrationswünsche ist. (Und der von seinen Schwestern aufgezogene Darwin hatte einen Konflikt mit dem Vater, soviel steht fest.)
So wie jede wissenschaftliche Hypothese brachte Darwin (und parallel Marx) den Zeitgeist zum Ausdruck, wie er sich sogar in jedem, auch heutigen, Jugendleben Gestalt sucht: im Protest gegen die überkommene Gefügtheit des Lebens und der Kultur in Kategorien und Dimensionen, die zu einem stetigen Fließen von Gestalten im Rahmen von Gestaltsuche von reinen Prinzipien (bei Darwin: Überlegen) werden.
Gemäß dieser pubertären Rebellion, die ihre Suche nach gemäßer Gestalt von einem Aufweichen bestehender ausgehen lassen muß. In der Popularisierung dieser Weltanschauung, in der Transformierung in eine Daseinsgefühl (das als Ressentiment wertebestimmende Dimension erlangt, wie Max Scheler so schön zeigt), wurde nach und nach das gesamte Volk in diesem unreifen Stadium festgenagelt. Der populistisch, direkt politisch eingesetzte Darwinismus war eine Waffe einer solchen Grundstimmung, die sich im Kirchenkampf des 19. Jhds. ihr definitives Ventil suchte.
Von der Analogie mit dem seit dem späten Mittelalter alles über den Haufen werfenden Kleinbürgertum gar nicht erst zu reden. Denn der Darwinismus der Nützlichkeit ist ja blankes Abbild des Spießbürgertums, mit seiner Moral des Nutzens: tue, was auch der andere tun soll, damit Moral dir also nutzt.
(Und machen wir uns nichts vor, lassen wir uns vom Zentralismusstreben der Gegenwart nicht täuschen, wie er nicht nur die Kirche, sondern auch den Staat funktional-totalitär zu ersetzen sucht: weil sich dieser Antiautoritarismus, über den Totalitarismus, auf subtile Weise gegen den Staat gleichermaßen richtete und richtet, weil es ein Streben gegen jede Autorität ist. Als Usurpation von Macht, die auf dem Weg der väterlichen Struktur nicht erreicht wird. Totalitarismus ist der Weg der Muttersöhnchen zur Macht über andere, in der Form einer reformierten Mütterlichkeit als Weg sich doch zu sich selbst zu heben.)
Damit wurde die geistige Grundlage des Daseins der Dinge - Sein, Wesen und Entelechie (Gestaltnahme von vorausgehender Form) - und ihre materielle Existenz auseinandergerissen, entstand die scheinbare Notwendigkeit für die Menschen, sich zwischen simplem Materialismus, der den Anspruch "Wissenschaft" für sich und gewaltsam behauptete, und in Abwehr befindlichem bald fideistischem Idealismus (der aus dem Wissen erwachsen war, daß alles materiale Geschehen schöpferische Entwicklung und nicht richtungslose zufällige Abwicklung mechanischen Geschehens war) zu entscheiden, die nicht mehr vereinbar waren. Noch dazu, wo der abendländische Grundkonflikt ohnehin ödipale Archetypik hatte: und der Schöpfungsglaube mit der Vaterreligion des Judentums zusammenfiel! Antisemitismus und Evolutionismus sind ja nur zwei Seiten einer Medaille, sind nur historische Gestalten eines ungelösten, ersatzweisen Vaterkonflikts.
Und so hat sich den Menschen gleichermaßen der Weg zur Wissenschaft wie zur Religion verbaut. Die Folgen haben wir heute in vollem Ausmaß vor Augen. Religion war zum entzauberten Utilitarismus verkommen, während die Wissenschaft am Altar der Propagandistik verblutete, von welchem dem Volk verwertbare "Wissenshappen" zugeworfen wurden.
Die europäische Geistes- und Wissenschaftsgeschichte selbst ist ja seit dem 16. Jhd. eine einzige Rebellion gegen den Vater (und damit: Gott), so wie das Abendland eine Entwicklung zum Vater hin gewesen ist, den es dann in seiner Wende wieder mordete, und zeichnet eine allmähliche Regression auf die Ebene der Rebellion und Vaterdepotenzierung nach. Jeder Pubertierende erlebt sie, und findet heute keine weitergehende, ihn herausfordernde Umwelt mehr, sodaß er in diesem Stadium verharrt.
*301210*