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Sonntag, 5. Dezember 2010

Verheimlichte Aufstiegshoffnung

Wilfried Daim beschreibt in seiner außerordentlich gründlichen und reichhaltigen Untersuchung "Die kastenlose Gesellschaft" (1960) ein interessantes Phänomen: Daß nämlich auch nach über 40 Jahren Abschaffung des Adels in Österreich das Standsbewußtsein außerordentlich schwer wiegt. ABER gar nicht bei den Adeligen selbst! Und schon gar nicht beim Hochadel, der seinen Platz im Rahmen der bestehenden Ordnung in bürgerlichen Berufen und Ordnungen gefunden hat.

Hier macht sich ein anders Phänomen bemerkbar. Das damit zusammenhängt, daß die Stellung in der Gesellschaftsordnung - und sie ist identitätsstiftend, ja IST Identität, und enorm vielfältig und komplex, in vielem sogar situationsbezogen definiert (der Bediente, der sonst dem "Herrn" völlig ergeben ist, legt großen Wert darauf, religiöser als er zu sein, ihm damit auf "höherwertige" Weise überlegen, etc. etc. etc.)  - im Grunde von dort aus definiert ist, wo der Stand verliehen wird, von wo er abhängt.

Denn der Ort, wo das Bewußtsein des Adels und seiner bevorzugten Stellung tatsächlich überlebt hat - sind die Familien ehemaliger Bediensteter! Dieses Phänomen ist nur unzureichend erklärbar, weil gleichfalls sehr komplex, aber der Bedienstete definiert sich ja in höchstem Maß von seiner Herrschaft her. Dort war seine Identität, gerade in seiner ansonsten niedrigen, abhängigen sozialen Stellung (Abhängigkeit ist ein wesentliches Kriterium, das über Freiheit Stände ordnet), definiert. Der Stand seiner Herrschaften war ihm also wesentliches, ja einziges Differenzierungsmerkmal.

Nirgendwo auch haben "innere" Werte des Adels so sehr überlebt wie in diesen Kreisen! Und keine Gesellschaftsschichte verteidigt die traditionelle (vergangene) Ordnung so sehr wie sie.

In jedem Fall, so schreibt Daim, ist die rationale Begründung, die bei Hinterfragung dieser Haltung vorgebracht wird, offensichtlich eher vorgeschoben, und soll etwas Verheimlichtes, Verborgenes schützen, dessen man sich vielleicht angesichts aktueller Wertgefüge schämt: die Hoffnung auf Aufstieg zum Beispiel, im Zeitalter der Gleichheit. (Kastenbewußtsein läßt sich im alle gleichmachenden Kommunismus ja ganz besonders signifikant nachweisen, es sucht sich nur andere Symbole und Zeichen.)

Das läßt vielerlei Schlüsse zu. Und im Analogieschluß ist es auf viele Konstellationen zu übertragen, ohne es damit (schon gar als metaphysischer Grundimpuls) zu entwerten (!) oder zu relativieren. Aber wie wäre es mit ... Klerus - Laien? Wie wäre es mit Rebellentum - Orthodoxie? Und wie wäre es mit ...?

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