Wenn Jörn Leonhard in "Die Büchse der Pandora" auch recht gut nachvollziehbar macht, und das auch auf den
Punkt einiger Sätze bringt, daß sich der Krieg 1914 aus einer
allmählichen Eigenlogik heraus vorbereitete, in dem sich die
Handlungsspielräume der Einzelnen mehr und mehr verengten, so kann ihm der VdZ doch nicht darin zustimmen, daß der Krieg nicht "notwendig" gewesen wäre. Im Gegenteil sieht der VdZ mehr und mehr die Welt auf diesen Krieg zusteuern. Und zwar aus der Eigendynamik heraus, die Systeme annehmen. Auch wenn sie, wie die Welt seit 1815, so sehr auf Harmonisierung angelegt waren. Diese Harmonie aber war der ständigen Expansion geschuldet. Die Konflikte wurden auf Nebenschauplätze ausgelagert, und dort wurden jene Spannungen zur Entladung gebracht, Interessensprobleme in Europa scheinbar ausgeglichen, die einen großen Konflikt am Kontinent verhindern konnten. Bis 1914.
Das ist auch das, was sich auf die Gegenwart als Erkenntnis übertragen läßt. Denn es ist auch für
viele andere politische Entwicklungen aussagbar, ja überhaupt
für Lebensdinge. Und nicht zuletzt trifft es für die Gegenwart zu. Logische Systeme
entwickeln sich zu Anfang noch relativ breit, bis sie sich aus eben
dieser fortgeführten Logik mehr und mehr verjüngen.
Anfangs waren
die Konflikte in Europa noch auf viele Nebenäste auszubreiten. Aber
das ist keine unendliche Möglichkeit. Zwangsläufig reduzierten diese sich auf immer weniger Hauptstränge,
die aber auch immer bedeutendere Grundfragen berührten. Bis schließlich alles auf die Frage hinauslief, wer zuerst den Krieg
anfängt.
Wenn Leonhard also schreibt, daß keine Entwicklung
zu 1914 zwangsläufig war, so stimmt der VdZ ihm da nur bedingt zu. Denn die
logischen Optionen haben sich immer mehr reduziert, und sind schließlich zur Grundfrage um die Existenz der Staaten gelangt. Sie haben sich also nicht nur reduziert, sondern diese Reduktion war ein Ausläutern des Wesentlichen. Sodaß ein
Aufdröseln der Entscheidungsknotenpunkte 1914 auf wieder breitere
Nebenäste, hinter denen sich die Hauptfragen verdrängen ließen, nicht mehr wirklich möglich waren, weil die Wucht des Wesentlichen bereits unübersteigbar geworden war.
Es sieht nur in einer
rückblickenden Außenposition so aus, als wären auch 1914 noch Auswege gewesen. Die aber dem Sein zu wenig
Raum und Gewicht gibt, und alles in Funktion aufgelöst hat, wofür im übrigen bereits eine Vorentscheidung über das Sein notwendig bzw. solchem Denken immanent ist. Erst der heutige Mensch, der (seins-)schwache, unschöpferische Mensch, dem das Sein prinzipiell zum existentiellen Druck wird, dem er zu entfliehen sucht, denkt so. Und hält die Vermeidung von Schmerz selbst schon für ein substantielles Gut, dem er die Gestalt jederzeit zu opfern bereit ist. Aber - das Gut liegt eben in der Gestalt selbst, das heißt: an ihrem Grund, oft schwer zu finden, weil verdeckt, verbogen, unkenntlich. Aber die ist zu suchen, und sie ist die Referenzstelle, auf die hin sich Gutsein bezieht. Nicht einfach in einer abstrahierten Idee von Gut und Gutsein, die einfach mal so auf das Konkrete auch verzichten kann.
Im Klartext: So kann man nur denken, wenn man die reale Bedeutung des Staates und der Staatsidee unterschätzt oder gar nicht (mehr) kennt. Wie es heute bedauerlicherweise ja der Fall ist. Denn es ist nicht der Bürger, der den Staat macht - es ist der Staat, der den Bürger macht. Das ist zwar "nur" ein Vorrang der Ideen, denn real ist beides ein untrennbares Ganzes, aber die reale Bedeutung und Rangordnung von Ideen (die man nicht mit "Ideologie" verwechseln darf!) ist an den ganz konkret werdenden Wirkungen erkennbar.
Im Klartext: So kann man nur denken, wenn man die reale Bedeutung des Staates und der Staatsidee unterschätzt oder gar nicht (mehr) kennt. Wie es heute bedauerlicherweise ja der Fall ist. Denn es ist nicht der Bürger, der den Staat macht - es ist der Staat, der den Bürger macht. Das ist zwar "nur" ein Vorrang der Ideen, denn real ist beides ein untrennbares Ganzes, aber die reale Bedeutung und Rangordnung von Ideen (die man nicht mit "Ideologie" verwechseln darf!) ist an den ganz konkret werdenden Wirkungen erkennbar.
Man ist
also nicht unabsichtlich in den Krieg "gestolpert", nur weil man die
Gesamtkonsequenzen nicht absehen konnte. Es gab diese unausweichliche
Logik in der Wurzel des Seins. Man hat ihr nur hundert Jahre lang auszuweichen versucht. Und dabei aber die Energie der Entladung aus Grundfragen immer weiter erhöht, weil man in gewisser Weise mit der Summe der Faktoren auch die Quantität der Hauptentladung vorbereitet hat, in der diese zusammengeflossen sind.
Das ist auch die Lehre, die sich für heute ziehen läßt, und die dringend gezogen werden müßte. Und die in Jörn Leonhard's "Die Büchse der Pandora" recht gut herausgearbeitet wird, wenn man es denn über Leonhard hinaus zu lesen versteht. Denn auch heute schiebt Politik (und Wirtschaftspolitik, um das noch herauszugreifen) das Prinzipielle weg, das Substantielle, um gewisse Funktion - als Schmerzvermeidung - aufrechtzuhalten.
Deshalb führt auch die Frage zu nichts, ob denn die einzelnen Mächte und Beteiligten Krieg explizit gewollt hätten oder nicht. Das ist ohne Aussagekraft, schon gar in Medien-Landschaften, unter der hohen Bedeutung von Propaganda für formale Entscheidungen und Machtverhältnisse. Heute würde jeder Politiker der Welt diese Frage mit "nein" beantworten, sonst ist er seinen Job los. Von Krieg als Handlungsoption wagt heute doch niemand mehr zu sprechen. Er würde augenblicklich moralisch desavouiert, in einem "shitstorm" ungekannten Ausmaßes erledigt. Also lügen alle, oder reden wegen des Denkverbots, bis hin zum Papst, von Dingen, die sie gar nicht mehr durchgedacht haben, Hauptsache man folgt der "öffentlichen Moral". Pastoral geht auch in der Politik vor Inhalt.
Ex factis, non ex dictis amici pensandi! Wichtig ist nicht irgendeine Äußerung, die hat meist höchstens abgeleitete Bedeutung. Wichtig ist die wirkliche Wirklichkeit einer Situation, um richtige Entscheidungen zu treffen.²
Das ist auch die Lehre, die sich für heute ziehen läßt, und die dringend gezogen werden müßte. Und die in Jörn Leonhard's "Die Büchse der Pandora" recht gut herausgearbeitet wird, wenn man es denn über Leonhard hinaus zu lesen versteht. Denn auch heute schiebt Politik (und Wirtschaftspolitik, um das noch herauszugreifen) das Prinzipielle weg, das Substantielle, um gewisse Funktion - als Schmerzvermeidung - aufrechtzuhalten.
Deshalb führt auch die Frage zu nichts, ob denn die einzelnen Mächte und Beteiligten Krieg explizit gewollt hätten oder nicht. Das ist ohne Aussagekraft, schon gar in Medien-Landschaften, unter der hohen Bedeutung von Propaganda für formale Entscheidungen und Machtverhältnisse. Heute würde jeder Politiker der Welt diese Frage mit "nein" beantworten, sonst ist er seinen Job los. Von Krieg als Handlungsoption wagt heute doch niemand mehr zu sprechen. Er würde augenblicklich moralisch desavouiert, in einem "shitstorm" ungekannten Ausmaßes erledigt. Also lügen alle, oder reden wegen des Denkverbots, bis hin zum Papst, von Dingen, die sie gar nicht mehr durchgedacht haben, Hauptsache man folgt der "öffentlichen Moral". Pastoral geht auch in der Politik vor Inhalt.
Ex factis, non ex dictis amici pensandi! Wichtig ist nicht irgendeine Äußerung, die hat meist höchstens abgeleitete Bedeutung. Wichtig ist die wirkliche Wirklichkeit einer Situation, um richtige Entscheidungen zu treffen.²
Übrigens war auch die Überraschung über die die gesamte Staatenwelt erschütternde Wucht, in der sich moderne Kriege nun entluden - schon alleine durch Waffentechnik, und wie erst durch die Millionenheere, die nun aufgeboten werden konnten, anders als früher - nur schwach entschuldigend. Denn in einigen Konflikten zuvor hat sich bereits angedeutet, was moderner Krieg, der eine derartige Zusammenballung von Technik und Massen- bzw. Volksheeren brachte, bedeuten würde. Und es gab ja einige, die es klar gesehen haben. Nur glaubte es niemand so richtig. Aber Menetekel waren bereits der Amerikanische Bürgerkrieg 1861/65, der auf einen Vernichtungskrieg von Völkern hinauslief, und sogar der Balkankrieg 1912/13, der definitiv zeigte, was Volkskriege mit diesen technischen Mitteln bedeuteten. Was 1914/18*, ja 1939/45 nur noch in größerem Umfang abrollte.
Die Frage nach "Schuld" ist dabei völlig ohne Relevanz. Denn so zu fragen ist bereits eine Hinzufügung der späteren Zeit, bzw. war eine Erfindung des 20. Jahrhunderts, um es so zu sagen. Sie geht nämlich von einer grundsätzlichen Unmoral eines Krieges aus, sodaß die Frage nach dem Anfang scheinbare Bedeutung bekommt. Speziell die Amerikaner haben diese Denkweise entwickelt, weil sie keinen wirklichen politischen Grund für einen Kriegseintritt nach auch in den USA herrschender Auffassung über das Völkerrecht hatten (in dem jeder Staat ein Recht auf Krieg hat). Denn ein vom Staat her gesehen politisches Interesse hatten sie nicht.
So haben sie ihn durch die Einführung "universaler Werte" psychologisch gerechtfertigt, deretwegen alleine Krieg gerecht sein könne, und damit das Völkerrecht um- bzw. neu gedeutet. Darin hatten sie ja Übung. Weil sie es schon bei der Revolution 1776, und eben im Bürgerkrieg 1861 ebenso gemacht haben. Denn ein Staat, der aus einer Revolution - als Abspaltung also - hervorgeht, hat eine bereits prinzipielle Rechtfertigungs- und Daseinsschwäche, trägt einen Widerspruch in sich. Aus reinem Staats- und Rechtsdenken läßt er sich nicht mehr ableiten. (Siehe unter anderem die Überlegungen von Carl Schmitt dazu.) Er braucht eine darüber hinausgehende, absolute, und damit religiöse "Sendung".**
Aber nicht Krieg ist unmoralisch, oder ungerecht, sondern nur die Art, wie man ihn im Einzelnen, ja im sehr Konkreten führt.
Die Frage nach "Schuld" ist dabei völlig ohne Relevanz. Denn so zu fragen ist bereits eine Hinzufügung der späteren Zeit, bzw. war eine Erfindung des 20. Jahrhunderts, um es so zu sagen. Sie geht nämlich von einer grundsätzlichen Unmoral eines Krieges aus, sodaß die Frage nach dem Anfang scheinbare Bedeutung bekommt. Speziell die Amerikaner haben diese Denkweise entwickelt, weil sie keinen wirklichen politischen Grund für einen Kriegseintritt nach auch in den USA herrschender Auffassung über das Völkerrecht hatten (in dem jeder Staat ein Recht auf Krieg hat). Denn ein vom Staat her gesehen politisches Interesse hatten sie nicht.
So haben sie ihn durch die Einführung "universaler Werte" psychologisch gerechtfertigt, deretwegen alleine Krieg gerecht sein könne, und damit das Völkerrecht um- bzw. neu gedeutet. Darin hatten sie ja Übung. Weil sie es schon bei der Revolution 1776, und eben im Bürgerkrieg 1861 ebenso gemacht haben. Denn ein Staat, der aus einer Revolution - als Abspaltung also - hervorgeht, hat eine bereits prinzipielle Rechtfertigungs- und Daseinsschwäche, trägt einen Widerspruch in sich. Aus reinem Staats- und Rechtsdenken läßt er sich nicht mehr ableiten. (Siehe unter anderem die Überlegungen von Carl Schmitt dazu.) Er braucht eine darüber hinausgehende, absolute, und damit religiöse "Sendung".**
Aber nicht Krieg ist unmoralisch, oder ungerecht, sondern nur die Art, wie man ihn im Einzelnen, ja im sehr Konkreten führt.
²Und hier muß man Österreich ganz klare Vorwürfe wegen unzähliger Versäumnisse und Fehler das gesamte 19. Jahrhundert hindurch machen. Beginnend mit der Zurücklegung der römischen Kaiserkrone 1804/06. Damit schon ist der Kontinent instabil geworden, bis er 1914 implodiert ist. Selbst die EU ist nichts anders als der dilettantische Versuch, das seither verloren gegangene Ordnungsprinzip wieder zu etablieren.
*Man unterschätzt ja die Betroffenheit der Zivilbevölkerung, noch immer. Alleine die im Deutschen Reich hungers Gestorbenen, direkte, zivile Opfer der britischen Seeblockade, werden auf 800.000 geschätzt. So viele, wie im Bombenkrieg 25 Jahre später. Für Österreich gilt Ähnliches, dessen Seehäfen an der Adria durch Frankreich abgesperrt waren. Beide Länder waren aber schon zuvor auf Nahrungsmittelimporte angewiesen.
**Daraus erklärt sich die affirmative Nähe USA - England. Mit Kulturäquivalenzen ist das längst nicht erklärt. Die Amerikaner haben ein prinzipielles und unlösbares Schuldproblem England (und Europa) gegenüber, denn ihre Sendung stammt nicht aus jener Sphäre, der Politik, auf die sie sich bezieht. Sie hätten von England (etwa) initiatorisch (nicht wie später, unter Zwang) freiGESPROCHEN werden müssen, um einen legitimen Staatsgrund zu haben. Ein Problem vieler Staaten, im übrigen, auch das von Deutschland, und in seinen realen Wirkungen praktisch immer unterschätzt. Denn diese Staaten können dann nur zwischen Selbstauflösung und Nationalismus pendeln, einen Mittelweg der Gelassenheit, der Seinsruhe, gibt es nicht. Hier hilft auch nicht die Zeit. Wenn, dann kann es nur zu einer "sanatio ex radice" kommen. Dazu aber braucht es eben dieses Initium aus dem Göttlichen. Und um nichts anderes ringen ja die Amerikaner so deutlich - in ihrer Berufung auf göttliches Recht. Denn Recht (und damit Staat als Rechtsstaat) kann es nur von Gott her geben. Die psychologische Situation eines Volkes gerade in republikanischen Demokratien beweist es täglich. Keine Gruppierung, die um Macht buhlt, die sich nicht auf absolutes Recht bezöge.
**Daraus erklärt sich die affirmative Nähe USA - England. Mit Kulturäquivalenzen ist das längst nicht erklärt. Die Amerikaner haben ein prinzipielles und unlösbares Schuldproblem England (und Europa) gegenüber, denn ihre Sendung stammt nicht aus jener Sphäre, der Politik, auf die sie sich bezieht. Sie hätten von England (etwa) initiatorisch (nicht wie später, unter Zwang) freiGESPROCHEN werden müssen, um einen legitimen Staatsgrund zu haben. Ein Problem vieler Staaten, im übrigen, auch das von Deutschland, und in seinen realen Wirkungen praktisch immer unterschätzt. Denn diese Staaten können dann nur zwischen Selbstauflösung und Nationalismus pendeln, einen Mittelweg der Gelassenheit, der Seinsruhe, gibt es nicht. Hier hilft auch nicht die Zeit. Wenn, dann kann es nur zu einer "sanatio ex radice" kommen. Dazu aber braucht es eben dieses Initium aus dem Göttlichen. Und um nichts anderes ringen ja die Amerikaner so deutlich - in ihrer Berufung auf göttliches Recht. Denn Recht (und damit Staat als Rechtsstaat) kann es nur von Gott her geben. Die psychologische Situation eines Volkes gerade in republikanischen Demokratien beweist es täglich. Keine Gruppierung, die um Macht buhlt, die sich nicht auf absolutes Recht bezöge.
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