Nach wie vor sind im britischen Raum historische Einblicke ihrer
Objektivität und oft vor allem ihrer globalen Betrachtungsweise von
auffallend höherer Qualität als solche aus dem hiesigen Sprachraum.
Zumal heute. Dieser BBC-Bericht aus der Reihe "Timewatch" behandelt die
spanische Inquisition, die im Volksmythos zum Inbegriff des Bösen in der
Kirche, ja DER Kirche geworden ist. Nichts ist aber ferner von der
historischen Wahrheit. Und es ist empfehlenswert, diese nüchternere,
faktenorientierte Aufarbeitung des Themas zu sehen, das die geläufigen
Meinungen zu dem Thema als Unsinn entlarvt. Sodaß selbst die hier
angegebenen 3-5000 Opfer in Spanien während ihrer Dauer über 350 Jahre
als Schätzung zu hoch gegriffen sein dürfte. Fazit des Films: Nirgendwo
in Europa brannten WENIGER Scheiterhaufen mit Ketzern (darunter nur
wenige, schließlich ja gar keine Hexen mehr), als in Spanien, und
nirgendwo war die Stellung von Abweichlern im Glauben eines Landes
rechtlich besser. Und das ist ein Verdienst ... der Inquisition.
Und dennoch hat sie ein unausrottbares Image als Inbegriff von religiösem Fanatismus
und grausamer Bösartigkeit. Während über die weit schlimmeren Zustände
im restlichen Europa, das über denselben Zeitraum gerechnet an die
150.000 Glaubensabweicher (und Hexen) verbrannte bzw. exekutierte,
niemand mehr spricht. Die historische Wahrheit scheint nach wie vor
niemanden zu interessieren, nach wie vor werden Filme etwa produziert,
an deren Machern historische Fakten spurlos vorbeigegangen sind, die
lediglich den völlig falschen und vielfach instrumentalisierten Mythos
davon aber perpetuieren. Wie kam es dazu?
1469
erfolgte erstmals seit der Zeit der Römer die Einigung Spaniens durch
Heirat Ferdinands von Aragon mit Isabella von Kastilien. Aber es war
damals allen klar, daß es eine politische Union auf Dauer nur geben
könne, wenn auch die Religion des Volkes einheitlich war. Deshalb wurde
1480 eine Institution geschaffen, die diese Klärung auf einen Glauben,
das Christentum, beobachten sollte - die Inquisitionsbehörde. Ganz
Europa gratulierte Spanien zu dieser modernen Einrichtung, denn ganz
Europa war derselben Ansicht wie Praxis, aber nirgendwo war das Vorgehen
gegen Ketzer so fortschrittlich-human geregelt.
Daß
sich auch viele Juden (denen anders die Ausweisung drohte) recht
pragmatisch arrangiert hatten, weil sie anders wenig Aussicht auf
gesellschaftliche hohe Positionen hatten, wurde mit zunehmendem (und
gewiß nicht einfach unberechtigtem) Mißtrauen beobachtet. Mit dem
Aufkommen des Protestantismus aber drohte eine dramatische Spaltung, wie
sich an Deutschland sehen ließ, die auch dort direkte politische
Auswirkungen hatte, welcher Umstand ja der Verbreitung des
Protestantismus durch Hilfe der Fürsten nicht unbedingt hinderlich war.
Sieht man von den beträchtlichen materiellen Gewinnen ab, die die durch
die Ausschaltung der Kirche mögliche Konfiskation von Kirchengütern (die
der Kirche aus genau umgekehrten Gründen ja dereinst zugewachsen waren:
weil nur durch die Kirche eine Verwaltung, eine Kulturisierung des
Landes möglich war, wozu sie auch ihren materiellen Unterhalt leisten
können mußte, also teilten die Fürsten und Könige ihr Land und Vermögen
zu) den Landesherren einbrachte.
Es war zudem die von
allen, vom Volk wie von der Kirche, erwartete Aufgabe als "Verteidiger
des Glaubens", die die habsburgischen Kaiser, allen voran Karl V., dazu
zwang, Maßnahmen gegen die Zersplitterung der Kirche zu setzen. Aber die
Reformatoren waren höchst effizient in ihrer
Protestantisierungskampagne - sie nutzen erstmals höchst effektiv das
neu aufkommende Medium des Buchdrucks, das nicht mehr in den Griff zu
bekommen war. Buchdruck und Protestantismus bedingen einander
regelrecht.** Erstmals waren ganz neue, höchst effiziente Methoden der
Propaganda zur Beeinflussung von Meinungen im Volk möglich. Im Grunde
also: ein heimtückischer Weg einer indirekten, heimlichen
Auseinandersetzung über Ideen, der das damaligen Empfinden von
Ritterlichkeit, als Ethik der Auseinandersetzhung mit offenem Visier,
aushebelte, und sei es mit Verleumdung. So verhielt sich kein Mensch mit
Ehre und Ritterlichkeit.
Der Protestantismus, der sich
vor allem in deutschen Gefielden rasend schnell ausbreitete, erkannte
Spanien und die Habsburger als Bollwerk gegen seine Ausbreitung. Was
eignete sich da besser als Spanien, seine Inquisition und den
Katholizismus gleich mit zu dämonisieren? Mythen wurden in die Welt
gesetzt, die klare Verleumdungen waren.*** Auch über die Inquisition,
wie 1567 von unbekannter Hand unter dem Pseudonym Montanus. Auf
diese rasch und weltweit verbreitete Schrift geht das heutige Bild der
spanischen Inquisition, aber auch das Bild des Spanien seit der
beginnenden Neuzeit zurück. Als Hort der Gier, des Neides, der
Intoleranz, ja des Terrors und der Grausamkeit.
Morgen Teil 2) Propaganda ändert den Geschichtslauf eines Kontinents + Der BBC-Film
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