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Donnerstag, 12. Februar 2015

Kultur und Islam schließen sich aus

Das ist natürlich interessant, weil es einen gehörigen 'Batzen Wahrheit enthält: Da moniert der Wiener Islamwissenschaftler Rüdiger Lohlker, daß vieles, was dem Islam zugeschrieben werde, mit diesem nichts zu tun habe, sondern ein Produkt der Geschichte sei. Diese zwei Dinge würden gefließentlich unzulässig vermengt.

Der Artikel im Standard ist deshalb nahezu eine Sensation, weil es unter völlig anderer Motivation den Kern der Sache auf den Punkt bringt. Beginnen wir damit, daß die Katholische Kirche, das Christentum, das von sich NICHT sagt. Denn das Christentum versteht sich NICHT als quasi hermetische Lehre, die einen hermetischen und definierbaren Zustand herbeiführe. Der Unsinn mit dem Archälogismus, der sogar an theologischen Hochschulen gelehrt wird, nachdem nach einem "urchristentum" gesucht werde, das es nachzubilden gelte, denn nur dort ist das Christentum, ist NICHT christlich, ist NICHT katholisch. Auch wenn es katholische Hochschulen mit grinsenden Kardinälen als vorgebliche Wächter der Lehre so verbreiten. Vermutlich ist auch ihr Grinsen das der befreiten Christen im Jahre 33.

Aber das Christentum IST aus seinem Wesen heraus historisch. Real. Ein Wirkfaktor in der Geschichte. Nur deshalb ist es so geschichtsmächtig geworden, daß es die mächtigste Kultur, die jemals den Erdball erfüllt hat, regelrecht GESCHAFFEN hat. 

Diese Geschichtsmächtigkeit, diese Realität im Fleische, hatte der Islam nie. Und was der gebürtige Emsener vermutlich mit positiver Konnotation versieht, ist in Wahrheit eine der wahrsten und tiefsten Analysen des Islam der letzten Jahre. Selbst was man ihm heute zuschreibt - das Reich Cordoba, die Höhe der Kultur im persisch-arabischen Raum vor dem Jahre 1000: es war nie islamisch. Und nichts an der Eroberungsstrategie der Osmanen war je islamisch. Sieht man von praktischen Verwendbarkeiten ab.

Daß der Islam nach dem allmählichen Verdunsten seiner auf natürlicher, regionaler Religion und Resten christlich-jüdischer Offenbarungsreligon basierenden Spiritualität (was noch vor den Osmanen der Fall war) sich immer mehr auf ein Moralsystem, ein System von Verhaltensregeln reduziert hat, beweist dies umso mehr. Es war der Versuch, diesen erlebbaren Mangel des Verdunstens jeder geschichtsbildenden Kraft, diese historisch sich erweisende Schwäche zu kompensieren. Durch Kultursimulation. In Wahrheit aber waren die Triebkräfte des islamischen Raumes rein weltlicher Natur. Der Islam war lediglich nützlich.

Hier, in dieser Geschichts-Unmächtigkeit, wurzeln exakt die eigentlichen Grundprobleme der Muslime bzw. muslimischen Staaten. Hier wurzeln die tief verankerten und tief gegründeten Unterlegenheitsgefühle gegenüber dem Christentum und Judentum, die so vieles - auch am Terror! - motivieren. Mit Streicheleinheiten einer proklamierten "Liebe" ist da nichts gewonnen.

Und wie exakt paßt dazu eine Aussage, die Martin Mosebach einem der Proponenten in seinem Roman "Das Blutbuchenfest" (dessen Lektüre der VdZ jedem nur wärmstens anempfehlen kann) in den Mund legt: Keine regionale Kultur, die vom Islam über längere Zeit beherrscht war, hat sich jemals wieder erholt. Dem Islam fehlt die Kulturbezogenheit ab ovo, aus seinem Wesen heraus. Er lehnt jede Abbildung Gottes ab, womit er aber jede Abbildung überhaupt ablehnt, weil die Welt eine Analogie Gottes ist.  Ohne Gestalten, ohne Abbildungen, ohne Figuren aber kann es konkrete Kultur gar nicht geben. Sie bleibt ein Gedanke. Jede, wirklich jede urtümliche Religion und Kultur, dies nur als Beispiel, hat deshalb ihren Moment, in dem Gott zur Welt kam.


Wo der Islam spirituell tief, anerkennenswert tief sogar ist, rührt er nicht an jenem Gott, der ACTU selbst ist, dessen Wesen aus sich heraus fließt, um sich liebend in den Schöpfungsakt zu neigen, die Welt im ewigen Jetzt, der zeitlosen Vernunft zu erhalten. Er bleibt eine abstrakte, statische Aussage. Der Sufismus erzählt viel dazu, wo sich zur Begegnung mit Gott der Mensch (in der Trance) ausschaltet.* Weil als einzige Wirkdimension sonst die Moral, das Verhalten bleibt. Nur: Kultur entsteht nicht über Verhalten.  Und sie entsteht auch nicht durch methodisches Sich-Aus-Der-Welt-Nehmen, wie immer man es auch spirituell deuten mag.

Sodaß die These hier lautet: Es gibt Kulturen, es gibt Kulturen, in denen sich muslimische Menschen einhausen bzw. den Islam annehmen. Aber in dem Moment, wo der Islam zu sehr nach der Welt greift, erstickt die Kultur. Genau das war ja das Problem des spanischen Cordoba - immer wieder und wieder und völlig falsch als Blüte islamischer Kultur gepriesen - mit dem Kalifat in Arabien. Cordoba galt als glaubensfeindlich, als Häresie, als Verweltlichung des Islam. Es bleibt bestenfalls ein voluntaristisch aufrecht erhaltener Staat, der zu einer Art Selbstzweck wird.

Auf dieser Ebene lassen sich zwar Staaten, und auch über lange Zeiten, aufrechthalten, aber nur, wenn sie sehr starke disziplinatorische Regulative (Polizei) haben. Und solche Regulative können sogar Kulturen überlagen, meist um sie zu nutzen, sodaß beides wie eines aussieht. Aber durch eine unüberwindliche Kluft getrennt bleibt. Kultur selbst entsteht und lebt nur aus der ontologischen Dimension einer Wirklichkeitsbeziehung.

Wer mit offenen Augen den arabischen Frühling, oder das Verhalten der Türken der faktischen westlichen Zivilisation gegenüber in unseren Tagen betrachtet, kann nicht anders als Parallelen zum Gebahren von Kindern zu sehen, die meinen, in der Beherrschung von (technischen) Abläufen, wie sie im christlichen Westen zu sehen sind, läge auch die Aneignung und Beherrschung dieser Kultur. Muslime glauben auffallend oft, und zwar gerade dort, wo sie modern sein wollen, daß sich Politik und privates Streben, moderne Entwicklung, um das Gleichziehen in zivilisatorischen Phänomenen drehe. Was zu erstaunlicher Naivität führen kann, sodaß etwa manche Türken in Wien ganz genau jenen Optimismus aufweisen, der Älteren, wie den VdZ, noch aus den Zeiten des naiven Readers-Digest-Optimismus der 1960er Jahre bekannt ist.

Überspitzt formuliert: Man ist am Tahrir-Platz für bessere Bestellmöglichkeiten bei amazon gestorben. Weil die Handhabung eines iPhone (oder die Erbauung des höchsten Turmes der Welt ... die Beispiele sind fast ohnendlich) gleichbedeutend ist mit kulturellem Hochstand. Umso unbegreiflicher war jenen allen, daß sich nach den Umstürzen ... nichts tat! Sie hatten also nur mitgewirkt, die bestehende Ordnung zu zerrütten, und damit fremden bzw. partialen Interessen gedient. Ordnungen, die sie nun entweder gar nicht mehr herstellen können, wie in Libyen und Tunesien, oder wo nur noch durch eine noch weit diktatorischere Staatenlenkung als zuvor, wie in Ägypten oder Syrien, wenigstens irgendeine Ordnung wiederherstellbar ist.

Weshalb viele Muslime, die den Islam ernstnehmen, völlig richtig eine prinzipielle Unvereinbarkeit zwischen westlicher Lebensart und Islam erkennen. Und DORT liegen interessanterweise viele Koinzidenzen mit dem Westen. Denn dort herrscht, in einer vor hunderten Jahren begonnenen und nun längst eigendynamisch gewordenen Entwicklung (d. h. daß man genau das wünscht, aus Leidensdruck, das dieses Leiden erst geschaffen hat), in weiten Teilen der Bevölkerung das Bestreben, die Kultur abzuwerfen.

Die vielgerühmte Toleranz des Islam war in seinen Expansionsjahren nichts anders als daskkluge Nützen vorhandener Kulturen, schreibt der Belgier Henri Pirenne, im übrigen einer der anerkanntesten und wirkungsvollsten Historiker des 20. Jhds. Wobei: nur dort, wo die vorhandene, eroberte Kultur bereit war, sich den neuen Herrschern zu unterwerfen. Dann hatte man kein Problem. Was so lange gut ging, als diese Kulturen oder Kulturreste noch innere Kraft hatten.

Im Gegensatz dazu ist die Kraft des Christentums niemals das "Gebot" gewesen, wie heute viele glauben. Sondern es ist die vom fleischgewordenen, in den Sakramenten präsenten Gottmenschen Jesus Christus den (defekten; s. Thomas v. A.) Sinnen erfaßlich gewordenen Gestalt, die im Erkennenden, im Rezipierenden offenen Herzens, ein simile, eine Jesus ähnliche (Kern-)Gestalt und damit analoge Schöpfungskraft bewirkt. Worüber man mit einem Protestanten oder einem Muselmanen natürlich nicht zu reden braucht. (Die tiefen Ähnlichkeiten zwischen Protestantismus und Islam sind sowieso ein eigenes Thema.)

Aber eine mit christlichem Abendland und Wirklichkeitsbezogenheit vergleichbare Kulturkraft hatte der Islam nie. Es bleibt bestenfalls Technik. Und dasselbe Schicksal blüht dem Abendland, wenn es seine katholischen Nährwurzeln noch weiter erstickt.


*Zum Vergleich: Der Gott des Christentums ist niemals einer, der immer auf die Vernunft des Menschen abzielt. Es gibt deshalb keine christliche Methode der Mystik, weil Mystik und methodisches Beseitigen der Freiheit sich ausschließen, was immer für Unsinn diesbezüglich auch heute erzählt werden mag. Wer die großen Mystiker liest wird es bestätigt finden.




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