Teil 2) Der Unterschied liegt wenig in Sichtweisen, sondern in der Art,
wie Gottes Wirken gesehen und erlebt wird.
Diese Diskrepanz zum Zeitgeist, zum
Geist der Welt, der faktisch das heutige Leben zu beherrschen sucht, ist
eine unausweichliche Folge aus der Präsenz des Heiligen überhaupt. Denn
das Heilige ist niemals ein Beiwerk zum faktischen Lebensvollzug, der
ansonsten jeder Willkür unterworfen sein könne. Das Heilige ist immer
antipodisch zum rein innerweltlich gesehenen Leben. Es ist damit auch
radikal antiaufklärerisch, weil es die Welt nicht in
menschlich-rationaler Auflösung sieht, sondern immer von ihrer Quelle
her: dem leben, das da Gott ist, der alles gibt. Weil nichts dem Sein
"entfliehen" kann. Genau das aber versucht ja die Gegenwart, das, was
man als aufgeklärte, moderne Gesellschaft bezeichnet.
Das
Heilige ist immer der Einbruch von außen her. Es kann gar nie anders
bestimmt und erfahren werden (und jeder religiöse Mensch kann gar nicht
anders als es so zu sehen, sonst ist er ja genau das nicht mehr:
religiös) als wenn man es nicht als Ordnung jenes Willens Gottes
begreift, von der her das faktische historische Geschehen immer wieder
neu bestimmt, beurteilt, und auch korrigiert, verändert werden muß. Es
ist der Takt, in dem die Welt laufen muß, weil sie sonst ins Nichts
fällt.
Deshalb
ist die Kritik des Islam aus katholischer Sicht durchaus pikant, und
ihr Heuchelei vorzuwerfen ist nicht ganz unberechtigt. Gerade auch, wo
es um die Kritik des Radikalen bei Muslimen geht. Denn gerade
Radikalität ist einem Christen unabdingbar.
Der
fundamentale Unterschied liegt in der Soteriologie, in der Art also,
wie das Heil sich in die Welt eintropft, gewissermaßen. Wie sich die
Welt mit Gnade tränkt. (Nur so kann sie bestehen.) Hier hat der Islam
zumindest eine sehr prinzipielle Tendenz, diese Durchwirkung der Welt
mit Gnade positivistisch willentlich zu sehen. Denn ihm fehlt das
Sakrament zum einen, und er hat eben nicht das Kreuz als jene
Schnittstelle begriffen bzw. angenommen, wo in der völligen Hingabe an
die Transzendenz, im völligen Aufgehen menschlichen Willens, genau der
Moment liegt, in dem die schöpferische Gestaltungskraft Gottes in die
Welt einströmt.
Das
macht die christliche Liebe zu einer Liebe der Selbsthingabe, in der
sie sich als Auftrag versteht, und deshalb den Wert der Freiheit des
Einzelnen nicht übersehen kann. Denn Hinhabe kann es nur in der Freiheit
geben. Freiheit aber ist Bedingung der Erkenntnis. Ohne Erkenntnis gibt
es aber keine Liebe. Das macht sie bzw. die abendländische
Anthropologie auch auf einer Ebene individualistischer.
Während
im Islam die kollektivistische Haltung überwiegt. Die
Einzelpersönlichkeit muß sich positivistisch erheben, was zur Folge hat,
daß es ihr an selbstverständlicher Dauer fehlt, sodaß der islamkisch
geprägte Mensch nur zwei Möglichkeiten hat: Sich in jeweiligen einzelnen
Willensakten zu erheben, oder in jene Sphäre dicht zu verweben, in der
über das Wort auch sein Ich in der Welt gehalten wird. Was sich
natürlich als Prägung der Persönlichkeit ausdrückt. Übrigens ist auch
hierin schon die Nähe des Islam zu faktischen Gegebenheiten im gesamten
Westen auffallend.
Bis hin zum Wesen der social media
in seiner faktischen existenzerhaltenden Bedeutung auf der Grundlage
eines Zerfalls der wahren Persönlichkeitsgrundlagen: der
gesellschaftlichen Ordnung, die überhaupt erst Individualität möglich
machte, weil sie die Hände frei hält davon, sich selbst ständig "in
Händen halten" zu müssen.
Denn
- und das wird auch gerne übersehen - das Gesagte ist gar nicht
islamspezifisch typisch, es ist vielmehr allgemein menschlich
einordenbar. Und zwar seit je. Selbst schon die Griechen haben diesen
Kollektivismus des Orients als Gegenpol zum Individualismus ihrer
eigenen Kultur begriffen. Die historische Präsenz des Despotismus im
Morgenland - eine Ausdrucksform dieses Kollektivismus - läßt sich
ausgezeichnet aufzeigen, und ist bereits vielfach untersucht und
kommentiert.
Dieses
Moment der Gnadenhochzeit Gottes mit der Welt kann im Islam, wo er
"defensiv" ist, nur entweder "sopranaturalistisch", idealistisch
geschehen (sodaß jedes Eingreifen der Gnade als abgesetzer Willensakt
gesehen werden muß), oder es bleibt völlig menschlicher Willkür
überantwortet, die Ordnung Gottes in der Welt durchzusetzen. (Was sich
etwa im Sufismus nicht weniger, aber anders äußert, wo diese Willkür
sich psycho-methodisch präsentiert.) Die Schnittmengen zu
abendländischen Geisteshaltungen und -richtungen sind dabei enorm groß,
denn solche Sichtweisen und Haltungen sind auch hier überaus verbreitet,
oft genau sogar unter jenen, die sich christlich nennen. Nicht selten
begegnen einem unter Katholiken exakt solche Häresien als "Weg".
Die
Nähe dieser Soteriologie auch zum Protestantismus ist nicht zu
übersehen, und politisch äußert sie sich in allen möglichen Formen von
Faschismen und Sozialismen. Und der amerikanische Behaviorismus,
eigentlich DIE geistige Grundhaltung Amerikas, ist seine Schwester. Was
die Vehemenz, mit der sich die USA gegen den Islam zuweilen wendet, gut
verstehen läßt. Denn man haßt ja am anderen vor allem das, was er als
Spiegelbild vor Augen stellt. Das Sendungsbewußtsein der Amerikaner, in
dem sie die ganze Welt als Exerzierfeld ihres Auftrages sehen, die Welt
zu "demokratisieren", worunter sie ein diffuses Verchristlichen
verstehen, ist dem Islamismus ja mehr als ähnlich. Im Islamismus aber
müßten sie begreifen, daß ihre Lebensweise ein Selbstwiderspruch ist.
Und
das ist der Angelpunkt, auch der Kritik am Islamismus in unseren
Ländern. Denn sie ist vor allem eines: Der Versuch alles totzuschlagen,
zu verdrängen, zu verhindern, was die eigene Lebensweise, so viele
Haltungen und Sichtweisen, in Frage stellt. Während die Kirche aber
bereits aufgegeben hat, sich in ihrer Gestalt der Zeit angepaßt, und
damit sich selbst - und das Heilige - graduelle weithin schon verloren
hat, und damit auch ihre soteriologische Dimension, ihre Fleischlichung
der Gnade in der Welt verrät, wird derselbe Schritt vom Islam verlangt.
Wo er auf weit mehr Schwierigkeiten stößt, weil der Islam s. o. eben
weder eine Ganzheit ist, wie die Kirche, mit einheitlicher Lehre,
sondern auch noch auf die Gegenwehr der darunter verborgenen
Naturordnung stößt. Die wiederum mit dem, was die Kirche als Naturrecht
bezeichnet, überaus große Parallelen aufweist.
Insofern
könnte der Islam sehr wohl und nicht zuletzt als Bewegung des
Anti-Modernismus zu verstehen sein, der nahezu nahtlos und nicht unbegründet
in Anti-Amerikanismus mündet. Und HIERIN würde er sich in vielem mit der
Kirche treffen. Wenn diese den Mut zu jenem Radikalismus aufbrächte,
der ihr selbst aufgetragen wäre.
Was sind aus den bisherigen Überlegungen aber für Schlüsse zu ziehen? Ist der Islam leicht gar der natürliche Kampfgefährt der Kirche in einer Stellung gegen den Zeitgeist, gegen die Moderne?
Was sind aus den bisherigen Überlegungen aber für Schlüsse zu ziehen? Ist der Islam leicht gar der natürliche Kampfgefährt der Kirche in einer Stellung gegen den Zeitgeist, gegen die Moderne?
Morgen Teil 3) Die Ablehnung des Islam ist ein Stellvertreterschauspiel
im Kampf gegen das Christentum. Hier kämpfen zwei Brüder gegen die Kirche.
***