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Samstag, 14. Februar 2015

Filmkritik "Unbroken"

Mit einiger Spannung hat der VdZ sich Unbroken angesehen, das neueste Filmprodukt aus der Regiehand von Angelina Jolie, und mit viel Pomp und Trara, wie üblich, angekündigt. Sogar zum Papst fuhr die Holde, um ihn in einer Privatvorführung vor dem Kinostart zu informieren.
Das postwendend erfolgte Lob des Vatikan ließ bereits einiges befürchten. Und leider erfüllt der Film diese Befürchtungen. In dem man 2 1/4 Stunden absolviert, ohne ein einziges mal berührt zu werden. Denn berührt ist etwas anderes als vielleicht betroffen, oder erschreckt.
Dabei ist es doch eigentlich eine tragische Geschichte, die durchaus etwas hergeben könnte. Der amerikanische Olympiasieger im Laufen, Zamperini, gerät nach der Notwasserung seiner Maschine in japanische Kriegsgefangenschaft. Und erlebt dort die Hölle, weil sich sein ehemaliger Laufkonkurrent als Lagerkommandant ganz besonders um ihn kümmert, um ihn zu brechen.  (Warum eigentlich? Schon das bleibt nicht nachvollziehbar.)
Aber alles zerfällt in Episoden, die linear hintereinandergereiht noch keine Geschichte ergeben. Nichts entwickelt sich logisch, sodaß eins aus dem anderen käme. Reicht es für einen Film zu sagen, daß "die Geschichte halt so war", und rein aus dem Durchhalten des Helden ihre Berechtigung schöpft, dargestellt zu werden?
Genau das glaubt der VdZ eben nicht, selbst wenn man im Einzelnen und jedem Detail sagen wird können: Ja, das war GENAU SO. Aber es war eben nicht GENAU SO. Denn dazu könnte man nur Wirklichkeiten heranziehen. Wenn man es aber an "Tatsächlichkeiten" festmacht um dann zu sagen: so sei etwas gewesen, dann hat man über die Sache einfach nicht genug nachgedacht. Weil man den springenden, den dramaturgischen Punkt nicht gefunden hat. Wieviel hätte man dann aus diesem Thema machen können!
Und tatsächlich ist der vermutete oder angebliche dramatische Punkt völlig untergegangen. Wenn man in der "Realität" nichts findet, sagen wir: alle haben Pokerface aufgesetzt, um sich nicht zu verraten, dann muß man halt genauer suchen, und andere Ansatzpunkte finden, in denen man das wirkliche Geschehen, die wirklichen Konflikte, die immer hinter dem Außen stehen, aufreißen kann. Denn die gibt es ohne jeden Zweifel, weil alles Handeln der Menschen entweder Fuge oder Sonate ist Entweder also findet man den Konflikt, der eine Handlung, die ihren Weg der Läuterung geht, konstituiert - als Sonatenform, als Drama. Oder man bleibt bei der Entwicklung eines Themas in Variationen, was aber nur kurze Zeitspanne verträgt. Nur: Poesie als tragende Wirklichkeit findet sich im Film nicht. Und zwar deshalb, weil dem Film das Unsichtbare fehlt. 
Wer alles zu zeigen versucht, macht nichts mehr sichtbar.

Die Darstellung der Brutalitäten hat deshalb zwar "hohe naturalistische Qualität", erschrickt aber höchstens, bis man sogar abstumpft. Sodaß man die vermutlich als Wende - das war er wohl, der dramaturgische Punkt - dargestellte ultimative Brutalität nur noch zur Kenntnis nimmt. In der der Schauspieler sich übrigens endgültig lächerlich macht, man kann seine Reaktion nur seltsam und befremdlich finden. Das wird auch nicht besser, schon zuvor nicht, durch die zahlreichen Rückblenden, die eine charakterliche Disposition darstellen sollen, die nicht einen Moment greifbar, also nur behauptet wird. Darauf baut aber dann der vermutlich gemeinte dramaturgische Punkt auf.
Spannend wird der Film höchstens in einzelnen Szenen von je ein paar Minuten, und auch da selten, man weiß ja, wie es im Ganzen ausgeht, und das vergißt man auch nicht. Dieses Ankleben am Historischen, am Gewußten auszuhebeln, sodaß man mit dem Helden mitfiebern würde, gelingt nicht einen Moment. Aber das ist bei historischen Figuren genau das Kriterium der Kunst, anders kann er gar nicht berühren, weil die Identifikationsebene, die "unmittelbare Traumebene" des Films bzw. eines dramatischen Kunstwerks fehlt. Der Held ist kaum je glaubwürdig, so sehr er sich im Einzelnen "einen Arsch abspielt", wie man in Schauspielerkreisen gerne sagt. Seine innere Wandlung zum "Frieden in Gott" (gewissermaßen; es sollte vermutlich darauf hinauslaufen) ist nicht nachvollziehbar. Man braucht Dramaturgie-Kenntnisse, um einzelne Szenen als "vermutlich so gemeint" zu deuten.

Am besten kann gerade noch der Bösewicht gefallen, in der Gestalt eines japanischen Lagerkommandanten. Wenigstens in einigen Szenen, auch wenn im Ganzen nichts an seiner Motivation begreifbar wird. Immerhin aber, sein Mienenspiel bei dieser (vermeintlichen, ultimativen) Wende ist beeindruckend. Da hat man für ein paar Minuten eine Geschichte, eine Seelenlandschaft erzählt bekommen. Figuren an sich werden aber generell nirgendwo in Unbroken lebendig.
Am Schluß, im Nachspann liest man etwa von einem amerikanischen Captain, der angeblich eine so gute Beziehung zum Helden hatte. Der VdZ mußte erst nachdenken, wer von diesen vielen blassen Figuren, die allesamt bestenfalls Staffage sind, die in Konventionen ertrinkt, damit gemeint gewesen sein könnte.*
Dessentwegen Jolie wohl beim Papst war, um ihm den Film in Privatvorführung zu präsentieren. Deutet sie das Thema gar christlich, katholisch? Vermutlich. Und vermutlich dessentwegen hat der Vatikan dann wohl auch sein "Lob" ausgesprochen. Die Zeiten, wo die Kirche (ja, gerade sie, ja nur sie, denn es fällt mit ihrem eigenen Geheimnis, der Inkarnation, zusammen) etwas von Kunst versteht, sind offenbar längst vorbei.
Dabei greift der Film eine Botschaft auf, die es ja in sich hätte: Durchhalten, Hoffen wider alle Hoffnung, hätte man einfach nur sagen können, es hätte dasselbe Ergebnis gebracht. Reine Aussage, reine Behauptung, erlebbar war sie nicht, nur kognitiv als "Schluß" aus dem Ganzen zu ziehen. Dafür hätte eine Grußkarte genügt. Oder eine Twitterbotschaft. Unbroken schafft es nicht, über ein moralisch Gesagtes hinauszukommen. Wobei sich die Unfähigkeit, lebendige Figuren zu schaffen, ohnehin durch das gesamte zeigenössische Film-(und Kunst-)geschehen zieht und die derzeit sogar spannendste Aussage, die eigentliche künstlerische Botschaft - als Symptom allerdings - über die Gegenwart ist.


Und das macht eine positive Rezeption durch die Kirche noch eigenartiger. Denn man könnte dieses "Durchhalten", dieses "Versöhnen", durchaus als Surrogat des "Guten", das in der Nacht gnadenhaft einbricht, als einen dieses ersetzenden Akt der Verzweiflung sehen. Positivistisch "gut", moralisch können auch Atheisten sein. Das macht ihr Leben aber nicht einen Deut wahrer, und möglicherweise in der Endabrechnung auch nicht gerechtfertigter.
Darüber können auch einige Ausflüge in Religion (etwa durch einen Kameraden des Helden) nicht hinwegtäuschen. (Vermutlich soll dabei aber sogar angedeutet werden, wie viel Kraft ein Gläubiger hat, im Vergleich zu einem Nicht-Glaubenden. Man denke besonders an jene Szene, in der die beiden vermeintlich exekutiert werden sollen, und der Held in Tränen ausbricht, während sein Kamerad gefaßt betet. Aber man merkt die Absicht und ist verstimmt. Oder sollte es gar kein Film werden, sondern ein Predigtwerk?

Zum Ärger wird mittlerweile sowieso, daß im Film weltweit in immer perfektere naturalistische Ausstattung investiert wird. Die aber den Bluff verdeckt bzw. ausmacht. Nicht anders, wie es ja auch bei hiesigen Filmen längst Methode ist. Das liegt aber nur an der technischen Perfektion in Maske, Kostüm, und vor allem Computersoftware, mit der Naturalismus inszeniert wird, der aber den Zuschauer noch mehr austrocknet, weil gar kein Erkenntniserleben - das ein schöpferischer Akt des Zuschauers, der eigentliche Akt der Katharsis ist - mehr Platz hat. Aber das nicht alleine: Dieser Naturalismus dient der Verschleierung des Versagens am Thema, durch die Behauptung "es war doch so!". Eben. SO WAR ES EBEN NICHT.
Man muß sich aber freilich schon recht gut kennen, viel Erfahrung haben, um zu unterscheiden, wo man bei einem Film- oder Kunstgeschehen vom Naturalismus plattgemacht wird, oder was am Geglaubten der Glaubwürdigkeit einer dargestellten Wirklichkeit zuzuschreiben ist. Die nämlich NICHT am Naturalismus einfach so festgemacht werden kann, sondern eben nur (!) an der transportieren Wirklichkeit - die aber unsichtbar ist.

Gar auf Spielberg-Sentimentalität (der ja ein Meister dieser Täuschung bzw. dieser Art Film ist, dem auch Unbroken zugeschrieben werden muß) herabgesunken wirkt der Film dann am Schluß, als dokumentarische Aufnahmen des 2000irgendwas noch Lebenden, für den zu interessieren Unbroken einfach nicht schafft, zeigen, wie er die Olympiafackel in Tokyo in unseren Jahren trägt. Wie der Film überhaupt in manchem sehr an jenen Spielberg-Film erinnert, oder war er von jemandem anderen, wer weiß das noch, sie gleichen sich allesamt zu viel ... der ja ein ähnliches Thema vor ein paar Jahren auf die Leinwand gebracht hat. Manche Szenen und Szenerien wirken regelrecht nachgestellt, man hat das Gefühl, sie schon zu kennen. Und wenn schon Naturalismus - der Krieg hörte also einfach so auf? Keine Atombomben, keine Reaktion bei den Japanern, nur ein paar freundliche Flugzeuge über dem Lager, die Cornedbeef abwerfen?
Nein. Ein schwacher Film, der seine Schwäche hinter Opulenz versteckt. Das Prädikat "billiger (dabei gewiß mit gutem Budget produzierter) amerikanischer Propagandamüll" trifft es nicht einmal. Da kann man sich noch für Tom Cruise als Held und Pilot leichter begeistern.

Als fast bösartige Überraschung rundet sich das Erlebnis als Zuschauer allerdings, wenn man im Abspann dann liest, daß die Brüder Coen das Drehbuch geschrieben hatten. Wie das? Deren bisherige Filme waren doch so ganz anders, schon zum allermindesten subtiler und vor allem weit intelligenter? Also muß es wohl an Jolie liegen, die das (sogar als Mit-Produzentin) auf ein offenbar recht bescheidenes Niveau plattgebügelt hat? Oder haben die Coens mal geschlampt, oder sich gar einen Jux gemacht?
Jaja, Preise wird er wohl einheimsen. Es wird genug geben, die sich zum einen gerne täuschen lassen, und zum anderen die patriotische oder ethische Botschaft von der Qualität eines Films als Film nicht trennen können oder wollen. Aber das ändert nichts daran, daß es ein Machwerk ist. "Halte durch dann kommst Du durch" hätte auch auf einer SMS Platz.




*Es scheint ja mittlerweile akzeptierte (weil weit verbreitete) "Lehre" der Dramaturgie zu sein, zwischen (wenigen) tragenden Figuren und solchen, die lediglich "dramaturgische Funktion" haben, zu unterscheiden. Aber das ist ein tragischer Irrtum, und meist einfach Rechtfertigung für ein schlechtes Buch. KEINE Figur darf jemals nur "dramaturgische Funktion" haben, und wenn sie auch nur zehn Sekunden durchs Bild huscht. Keine Figur ist "nur eines Stichwortes wegen" da, mit dem eine Handlung, die sich eben gar nicht aus sich entwickelt, vorangetrieben werden soll. Bis zu jenen Filmen, in denen überhaupt diese Stichwortbringer die eigentliche Dramaturgie behaupten, als Slalomparcours, gewissermaßen, während die Hauptfiguren den leeren Raum zwischen den Stangen füllen.





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