Papst Julius II., der nach Maecenas wahrscheinlich größte Förderer von Kunst und Künstlern, hat vorexerziert, was Mäzenatentum wirklich bedeutet: Es ist nicht das simple Geldverteilen an jene, die von sich behaupten, Kunst zu schaffen, sondern ein Mäzen muß von Kunst und von Künstlern viel verstehen! Weshalb ein Übergang vom Mäzenatentum, das nur persönlich existiert, zu einer funktionalen Kunstförderung immer scheitern muß. Mit dem Verschwinden der Mäzene ist dem Künslter aber sein eigentlicher Markt weggebrochen. Wem sollte er sonst noch seine Kunstwerke anbieten? Heutige Mäzene sind eher Sammler und Förderer von Museen, und Teil einer Kunstdotierungsmaschinerie, die nur noch das Anerkannte kauft und mit dem Künstler das Ringen um Werk gar nicht mehr teilt. So ist der heutige Kunstmarkt entweder eine nachträgliche Dotierung eines bereits errungenen Ruhms, oder an Marktchancen orientierte Selektionsmaschinerie, deren geforderte Eigenschaften nicht selten wirklichem Streben nach Kunst (als Frucht persönlicher Lebensart des Künstlers) diametral entgegenstehen.
Mäzenen - wie Maecenas, wie die Medici, oder eben Papst Julius II. - war ein absolut enges Naheverhältnis zum Künstler und seiner Entwicklung gegeben. Sie erzogen die Künstler regelrecht zur Kunst. Und die größten Werke des Abendlandes sind auf solche Weise entstanden - Vergil's Aenaeis genauso wie die größten Werke Bramante's, Raffaels, oder Michelangelo's. Sie wurden wie Zöglinge von ihren Mäzenen zu ihren wirklichen Höchstleistungen geführt, manchmal sogar gezwungen.
Zum Verhältnis letzteren zu Papst Julius II. eine kennzeichnende Geschichte: Julius hatte die von Michelangelo über viele Monate, ja Jahre bereits weit gediehenen Vorarbeiten zu seiner gewaltigen Grabstätte vorerst aus nicht geklärten Gründen nicht weitertreiben wollen. Als Michelangelo davon erfuhr, verlangte er erbost, zum Papst vorgelassen zu werden. Doch wurde ihm der Zutritt verweigert, und dies empfand Michelangelo als so grobe Zurücksetzung, daß er seine Sachen packte, alles verkaufen ließ, und Knall auf Fall Rom in Richtung Florenz (auf anderes Staatsgebiet also) verließ.
Dort nahm man ihn mit offenen Armen auf, denn zuvor war er gerade von diesem Papst aus Florenz von großen Werken weg nach Rom "befohlen" worden. Und hielt ihm auch lange die Treue, als der Papst - erbost über Michelangelo's Weggang - erst mit freundlichen Schreiben, dann mit immer bestimmenderen Worten, seine sofortige Rückkehr verlangte. Als alles nichts nutzte, drohte der Papst mit einer Beschießung Florenz' durch seine Heere.
Das war nun Florenz zuviel. Und man drang in Michelangelo, doch wieder zurückzukehren. Zwar überlegte der noch, einem Ruf des türkischen Sultans, eine Brücke über die Dardanellen zu bauen, Folge zu leisten, schließlich aber kehrte er zum Papst zurück, der sich bereits in Bologna befand.
Mit ungeheurer Wut empfing ihn der Papst, gerade an der Tafel sitzend, und reagierte lange nicht auf Michelangelo's Entschuldigungen - es sei unerhört, daß er dem Ruf des Papstes nicht Folge leiste. Der Maler, Bildhauer und Architekt kniete demütig, immer wieder bat er den zornig schweigenden Kirchenfürsten um Gnade.
Ein Prälat, Teil der Tischgesellschaft, erhob sich schließlich, und nahm Michelangelo vermeintlich in Schutz. Der Papst müsse doch verstehen, Künstler seien eben so, hätten keine wirkliche Lebensart, das müsse man ihnen doch nachsehen?!
Da sprang der Papst auf, warf sich auf den verdutzten Prälaten, und brüllte ihn an: er solle augenblicklich den Raum verlassen! Denn was er sich hier erlaube, habe er, der Papst sogar, sich niemals erlaubt! Einem Künstler wie Michelangelo Mangel an Lebensart vorzuwerfen sei eine unglaubliche Grobheit und zeuge von tatsächlichem Mangel an Lebensart, aber beim Prälaten! Und er hieß die Diener, den Geistlichen zu entfernen.
Mit milden, väterlichen Worten wandte er sich nun an Michelangelo, und verzieh diesem großmütig, hieß ihn aber in Bologna zu bleiben, bis er ihm anders bedeute. Wo er im Auftrage des Papstes die überdimensionale Statue des Papstes selbst für den Giebel der Kirche San Petronio in Bologna schuf. Welche - ein künstlerisches wie technisches Meisterwerk - nach nur vier Jahren im Jahre 1511, im Krieg mit den Franzosen, von diesen zerstört und zu einer Kanone umgegossen wird - die man spöttisch "La Giulia" nennt.
*051109*