Dieses Blog durchsuchen

Montag, 30. November 2009

Ein stolzes Völkchen

In der Schweiz hat aus dem Gründungsgedanken heraus seit je eine starke staatliche Identität geherrscht, die eine solche im vielleicht besten Sinne war, die denkbar ist. Denn auf der Grundlage einer ungemein ausgeprägten regionalen Identität, dem sprichwörtlichen "Kantönligeist", ist die Schweiz ein Zusammenschluß, der diese kleinen Gebilde zusammenfaßt. Bei ungemein stark ausgeprägter regionaler Autonomie. Nicht zuletzt deshalb war die Schweiz bis vor kurzem nicht einmal Mitglied der UNO, ebenso wenig wie es eines der EU ist. Seine jeweils betroffenen konkreten Interessen hat es in bilateralen Verträgen geregelt, der die Schweiz durch den Beitritt zum Schengener Abkommen sogar stärker mit der EU zusammenschließen, als z. B. die meisten der ehemaligen Ost-Europa-Staaten.

Dieser staatliche Zusammenschluß - und das hatte nicht einfach wirtschaftliche Vorteile, trotz des Schweizer Calvinismus! denn man vergißt leicht, daß die Schweiz bis zum ersten Weltkrieg ein sehr armes, industriell unterentwickeltes Land war - ist für die Schweizer ein wirkliches Mittel höherer Organisation. Im Gegensatz zu Österreich hat die Schweiz ihre Eigenstaatlichkeit immer höchst glaubwürdig zu behaupten, in letzter Konsequenz durch beachtliche militärische Bereitschaft zu unterstreichen gewußt. Und das war die entscheidende Basis für ihren Aufstieg im 20. Jahrhundert, als neutrales Flucht- und Rückzugsland.

Aber diese Neutralität hieß nie Konturlosigkeit. Man hat in den 1960er, 1970er Jahren Tränen über Emil gelacht, wenn er im Film ("Die Schweizermacher"), im TV, durchaus kritisch, aber mit viel Augenzwinkern, die ganz reale Praxis aufgriff, Ausländern, die in der Schweiz dauerhaft leben wollten, die unbedingte Bereitschaft abzuverlangen, die Schweizer Art auch annehmen zu wollen. Das ging bis zu Fragebogenpunkten, wie ein Käsefondue, das Nationalgericht der Schweizer, zu kochen sei.

Zwar kann man hier kaum von Nationalgefühl sprechen - in der Schweiz leben Angehörige von drei, wenn nicht vier Nationen, und selbstverständlich sind die deutschsprechenden Schweizer immer ein Teil (ja: und einer der wichtigsten) Deutschlands gewesen. Die sich aus der militärischen Hilfe für Kaiser Friedrich II. gegen die Lombardischen Städte jene Privilegien erstmals gesichert haben, die sie dann zum Kampf gegen die Fremdherrschaft der Habsburger ermutigte. Aber es ist diese Metaidee "Staat", in Form einer Eidgenossenschaft, die alle Separatismen kurzhält. Und sie gibt den Schweizern eine starke Identität, die sie auch bis heute gewisse Unerschrockenheit, Prinzipientreue, auch wenn es Nachteile bringt, bemerken läßt.

Wer Schweizer kennt wird bestätigten, daß bei allen, ausnahmslos, ein ausgesprochenes Selbstbewußtsein ihre eigene Art betreffend herrscht, ein Stolz Schweizer zu sein. Selbst politisch unvereinbare Richtungen finden sich nach außen sofort zusammen, wenn es um die Schweiz selbst geht.  So daß sich bestätigt, was Adam Müller einmal schreibt: daß es dieser Bezug jedes Einzelnen zum Gesamtorganismus ist, der den Kredit, auch des Singulären, ausmacht.

Entsprechend unbeugsam sind sie auch. Ein in der Schweiz populäres Buch in den 1960er, 1970er Jahren behandelte ... die Taktik totalen Volks- und Guerillakrieges im Falle eines Angriffs von außen. Und während in Österreich immer schon über 10, 12 oder 24 Abfangjäger diskutiert wurde - und Österreich liegt an einem europäischen strategischen Schnittpunkt - hatte die Schweiz in den 1970er Jahren 500 (!) Abfangjäger und Militärflugzeuge modernster Art unterhalten.

Wenngleich man natürlich auf den separatistisch-voluntaristischen Charakter dieser Identitätsbehauptung hinweisen muß, den er immer zumindest als Gefahr hatte. Und dieser machte so manche Schweizer ihrem Land gegenüber auch recht kritisch. Denn wo der Staat aus der Haltung jedes einzelnen lebt, und nur daraus lebt, ist die Gefahr groß, daß jede Lebensäußerung auch als Staatsangelegenheit angesehen wird.

Vermutlich ist die aktuelle Entscheidung gegen eine Verfremdung der Kultur durch Minarette exakt aus dieser Motivlage gestärkt worden und so zu begründen.




*301109*