Teil 2) Wenn das Kapital wieder auf Reisen geht
Nun werden diese Kapitalien wieder
abgezogen. Weil sich in den entsprechenden Volkswirtschaften die
unausbleiblichen Anzeichen einer Abnüchterung zeigten. Argentinien, das
seine Krise von 2000 mit genau diesen Mitteln bekämpfen wollte, mit
denen Europa hantiert, zeigt als Vorreiter bereits, was dann passiert.
Das Land steht vor seinem nächsten Kollaps. Einer bloßen, aber
unausweichlichen Folge. Vielleicht sogar die gesamte Wirtschaft des
südamerikanischen Kontinents ist in ihrer nominellen Performance ihrer
wahren, inneren, "sittlichen" Leistungsfähigkeit deutlich voraus, muß
also über kurz oder lang kollabieren. Ein später Fluch der Verbindung
mit dem Abendland, übrigens, denn die Nominalwirtschaft orientiert sich
(und das in allen Schwellenländern, um die es hier geht) an der inneren
Leistungshöhe der Europäer, hat sich wie eine luftdichte Decke über die
Menschen des Kontinents geworfen. Noch drastischer formuliert: Die
meisten Schwellenländer haben eine Wirtschaft hochgezogen, die nicht aus
ihr selbst generiert wurde und ein fremdes Gesetz aufzwingt, das von
der gesamten sittlich-sozialen Struktur des Volkes nicht erfüllt werden
kann. (Wenn man von hoher Korruption gerade in vielen Ländern spricht,
so hat sie genau hierin ihre tiefen Wurzeln.)***
Graphik: Die Welt |
Das
heißt: Das Geld sucht auch dort seinen wahren inneren Wert, und der ist
auf das Realleistungsvermögen einer Volkswirtschaft ausgerichtet. Die
Währung - im Außenverhältnis zumal - muß angesichts einer drohenden oder
bereits realisierten Inflation abgewertet werden, denn Geld ist immer
nur ein Leistungsversprechen zweier Leistungsträger. Übersteigt die
nominelle, mathematische Leistung einer Volkswirtschaft ihre reale
Potenz, muß es mittel- und langfristig zu einer Entwertung (oder
Reduktion) dieser Nominalleistung kommen. Derselbe Irrtum übrigens, der
dem Sozialstaatsdenken eigen ist.****
Die
Türkei liefert ein gutes Beispiel dafür: Der Verfasser hat sich vor
Jahren sehr persönliche Kritik anhören müssen, weil er angeblich die
Wirtschaftsdaten der Türkei, die so hohe Performance anzeigten, nicht zu
kennen schien. Oh doch, er kannte sie, aber er interpretierte sie auf
eine viel fundamentalere Weise.***** Denn zwar hat der Staat einen
niedrigeren Verschuldungsgrad als die meisten europäischen Länder, und
sein staatliches Sozialnetz ist mit dem Europas nicht annähernd
vergleichbar, aber dafür ist der Verschuldungsgrad der Privaten und
Unternehmer sehr hoch. Das war in Irland oder Spanien nicht viel anders.
Die Individualleistung war aber auch damit nominell überbewertet, der
volkswirtschaftliche Effekt derselbe. Nun suchen diese Gelder einen
Ausweg, der ihre ursprünglichen Absichten noch erfüllen soll - sie
wollen sich zurückziehen, flüchten, ehe es zu einer Verwurzelung ins
Geflecht der Volkswirtschaft kommt, ehe der Abnüchterungsprozeß
einsetzt.
Der
Kapitalabfluß aus der Türkei ist derzeit enorm, wie zu lesen ist.
Weshalb der Staat mit Erhöhung der Zinsen reagiert. Was im Grunde nichts
anderes ist als der Versuch eben solcher Abnüchterung zu verhindern,
indem er weiteres Kapital anlocken möchte. Womit nicht mehr erreicht
werden wird als daß sich die KapitalSTRUKTUR der Türkei verschieben
wird, noch mehr nämlich zum Geld hin. Was alles nichts daran ändern
wird, daß zumindest langfristig der Türkei ein enormer
volkswirtschaftlicher Korrekturbedarf ins Haus steht. Was der Verfasser
dieser Zeilen schon seit vielen Jahren auch behauptet, und sich nun
erstmals abzeichnet. Nur durch immer stärkere Abhebung des Geldmarktes
von der Realwirtschaft - wir nennen bereits die Abstrakta, der Raum wäre
zu klein, um alles konkret auszuführen - kann dieser Prozeß scheinbar
überwunden, in Wahrheit nur verlängert werden, mit einem umso größeren
Korrekturbedarf, der aber in die Zukunft verschoben wird.
***Hier also zu
meinen, man könnte mit Umverteilung, nach "brüderlicher Teilhabe am
Wohlstand der Industrieländer", usw. usf., etwas verändern zeigt nur
eine wahrhaft erschreckende Ahnungslosigkeit "sozial bewegter" und sehr
schlichter Gemüter. Kulturaufbau, und nur um den kann es überhaupt
gehen, gerade katholisch bewegten Geistern, passiert niemals durch
geschenkte, generelle (nominelle) Wohlstandserhöhung.
****Wovon
deutlich die sogenannte "soziale Marktwirtschaft" in ihrem
ursprünglichen Sinn ausgenommen werden muß! Aber wer etwa heute die
Schriften deren "Erfinder" liest (für Deutschland maßgebend etwa Ludwig
Erhard) hat den Eindruck, es hier mit Turbokapitalismen zu tun zu haben,
verglichen mit den krankhaften Auswüchsen heute, die einer Perversion
dieser alten Idee gleichkommen. Die soziale Marktwirtschaft nimmt den
Organismen nicht ihr Eigenleben, sondern baut zum Gegenteil darauf auf,
daß sie ihre Gesundheit bewahren, wozu auch da und dort Heilungsanstöße
gegeben oder Krankheiten, Harmoniestörungen dieses Eigenlebens eines
Organismus vermieden werden müssen. Aber sie baut immer auf dem
Grundsatz der Äquivalenz von Wirtschaftsleistung und Eigenkraft einer
Bevölkerung auf, und nur um die kann es einer Politik gehen.
*****Aus
vielfacher eigener Erfahrung kann sogar ein Gesetz formuliert werden:
Daß eine bestimmte Höhe des Aktivitätsniveaus eines Organismus
keineswegs seine sich vollendende Gesundheit und Prosperität anzeigt,
sondern im Gegenteil zeigt sich darin das dräuende Ende, das nur noch
durch immer weitere Erhöhung der aktuellen Aktivität vermieden werden
kann. Klartext: Ein Betrieb, der scheinbar extrem wächst, und alles auf
Wachstum setzt, hat (wahrscheinlich IMMER) mangels wahrer Rentabilität
keine andere Wahl mehr. Vorsicht also vor besonders expansiven,
SCHNELL wachsenden Unternehmen - Vorsicht vor besonders schnell
wachsenden Volkswirtschaften!
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