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Sonntag, 28. Mai 2017

Vom Nutzen der Identitätslosigkeit (2)

Teil 2) Wer mit dem Menschen rechnet, 
hat nicht mit dem Menschen gerechnet




Wer Menschen aus ihren ethnischen (nicht: rassischen! das ist etwas ganz anderes, wenn es auch Überschneidungsmengen gibt), (groß-)familiären, religiösen, kulturellen Alltagsfeldern herausbricht, zwingt sie ihr Leben gewissermaßen in "rationale Konstrukte" zu heben. Denn aus ihrer alltäglichen Erfahrung und Beobachtung und Solidarität ergibt sich keine Festigkeit mehr, auf der sie zu stehen kämen. Wer aber nicht fest steht, kann nicht am Lebensweg voranschreiten, er ist ständig damit beschäftigt, sich zuerst einmal in einem völlig ungeordneten Umfeld (als das ihm jedes Umfeld erscheinen muß) einen Standort zu suchen, um zu Urteilskriterien zu kommen. 

Dies wurde ja durch ideologische, propagandistische, nützliche (!) Gedanken- und Sprachkonstrukte zu ersetzen gesucht. Die Bedeutung der Medien stieg raketenhaft an, und damit wurde der gesamte geistige Raum der Völker zu einem medialen, journalistischen Raum. Nur sie konnten noch scheinbaren Standpunkt vermitteln, nur aus ihnen und der Identifikation mit den darin vertretenen Ideen konnten noch Urteilskriterien gewonnen werden. Damit entstanden neue Abhängigkeiten.  

Der Irrtum lag freilich darin, und er ist aus einem falschen (propagierten**) Menschenbild erwachsen, zu meinen, der Mensch wäre wirklich prinzipiell ein rein verbales, sprachliches, rationales Konstrukt, und dies ohne das Element der Wahrheit, dem logos, dem seine Absolutheit abgesprochen, der ins historisch-faktisch Relative verlegt wurde. Weshalb mit der Propaganda, mit der Geschichte auch seine Ich-Basis veränderbar wäre.

Dieser Irrtum ist direkter Ausfluß des Hegelianismus, das nur nebenbei, der diesem anthropologischen Ansatz definitiv seine rationale Basis schuf. Nur ist er falsch. Denn was Hegel nicht schaffte, schaffte natürlich auch nicht die Kaste der Ingenieure, als die sich (beileibe aber nicht nur) die Humanwissenschaftler zu begreifen begonnen hatte. Denn der Mensch hat ein Ich, das im Absoluten begründet ist, und das ist dem Menschen unzugängig. Er kann lediglich den Zugang dazu erschweren oder fast verunmöglichen. Darin erst liegt die menschliche Freiheit aber begründet, darin liegt der Grund von "Gottesebenbildlichkeit" zu sprechen, die überhaupt erst die gigantische Würde des Menschen erfaßbar macht. 

Aber man muß das gar nicht über die Theorie brechen. Denn wie jeder Irrtum zeigt sich eine falsche Theorie in der ganz konkreten Alltäglichkeit, die nicht mehr funktioniert. Und sie zeigt sich heute in einer extremen Vereinzelung und Haltlosigkeit der Menschen, die zurecht also das "Gefühl" haben - zu welcher Feststellung vor allem in größerem Umfang Gesellschaften oft lange lange Jahre brauchen, zu massiv sind die faktischen Gestütztheiten, die auch zum Irrtum pressen - ihrer Kultur und damit Identität verlustig gegangen zu sein. 

Nur so, in dieser Identitätslosigkeit, sahen bestimmte Kreise und Personen die Disposition gegeben, eine neue, universalistische, rationalistische (also nur in menschlicher Ratio, damit in Nützlichkeitsverhältnissen gegründete)  "Identität" zu schaffen. Die nunmehr von zugeführter Information abhing, endlich wirklich ein rein rationales Konstrukt war, ja ganz davon abhing, die somit auch manipulierbar, den (egal wie und von wem definierten) Staatszielen (darum hat Hegel ja den Staat als ein Absolutum, als das Höchste definiert, denn naatürlich sah er diese Notwendigkeit eines Absoluten, fand aber keinen Weg "aus der Welt hinaus" bzw. von einem Absoluten in die Welt herein) einzugliedern war. 

Aber wenn es auch über weite Strecken so aussehen könnte, als wäre der Mensch nur solch ein Konstrukt, so stellt man bei näherer Betrachtung fest, daß dies nur Schein ist. Der logos des Menschen, auf dem sein Ich gründet, dem es sogar ähnlich ist, gründet im Absoluten des Wissens Gottes, des Seins selbst. Gründet also im Absoluten und hängt davon ab. Es gründet deshalb auch nicht in bloßer "Moral", auch Moral hat keine Begründung in sich selbst, sondern nur auf das Sein bezogen. Sonst wird sie zum Zwang, zum Moralismus, zur Gesetzesverabsolutierung (wie im Puritanismus/Protestantismus), wird Religion zur Verhaltensdressur. Und der Mensch hebt sich bzw. sein System selbst zu einem Gott, das alles rechtfertigt, ja notwendig zum voluntaristischen Sendungsbewußtsein ausbaut, weil nur er die Welt retten, also in Bestand halten kann.

Erst wenn man das zu sehen vermag, kann man erkennen, was zu tun wäre. Davon aber sind wir heute noch meilenweit entfernt. Denn noch überwiegen die Kesselflicker, die versuchen, auf einen völligen Fetzenhaufen noch immer ihre Flicken aufzusetzen, um die Illusion eines Gewandes zu erzeugen. Darum kümmern sie sich vor allem um die Manipulation der "Warum-"Fragen, denn die dürfen nicht auch noch brechen. Dürfen nicht auch noch in den Hausverstand, den gesunden Menschenverstand zurückgeführt werden. Alles darf brechen, aber tun es die Dogmen der Propaganda, der Menschenmanipulation, bricht die Legitimität der Herrschenden. Die es aber immer hektischer, immer aggressiver, immer fanatischer tun, immer bestimmter die Verabsolutierung der Dogmen der Entfremdung der Menschen von sich selbst - und das ist Identitätslosigkeit - zu schützen, und sei es mit Polizeigewalt. Denn eigentlich erkennen die Menschen immer mehr und aus ihrem eigenen Verstehen, aus ihrer eigenen Freiheit, ihrer eigenen Vernunft heraus, daß sie in Wahrheit nackt sind. Denn der Irrtum dieser Anthropologie, dieses Menschenbildes zeigt sich darin, daß man die Menschen nicht auf Dauer von sich entfremden kann. 

Der Anruf Gottes, des Seins selbst, ist nicht abzuschirmen. Dort gründet nämlich jeder Mensch. Und zwar sehr konkret. Dies ist die wahre und letzthinnig übermächtige Bedrohung der politischen Systeme, Irrtümer und Ideologien der Gegenwart. Deshalb brauchen wir uns auch nichts vorzumachen: Der wahre Feind des Wahnsinns jeder Gegenwart ist und war immer die Katholische Kirche. Denn nur dort ist der Ort des immer wieder sich vollziehenden realen Einbruchs des Ewigen in die Zeit - zuallererst im Sakrament des Altares, im Meßopfer, als der einzigen Quelle der Welt.


Morgen Teil 3) Die wie meist ausgeuferten Anmerkungen





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