Sie ist ein so alltäglich Ding, daß man sie kaum der Beachtung wert findet. Und doch ist sie ein einziges Wunderwerk der Komplexität auf vielen Ebenen.
Die Rede ist von der Vogelfeder.
Genesis.net widmet ihr eine Kolumne, und stellt darin die Ergebnisse jüngster Untersuchungen vor. Die das Ergebnis bringen, daß kein Mensch in der Lage wäre, dieses simple Ding Vogelfeder zu konstruieren. Denn kein Mensch kann auf so vielen Ebenen zugleich denken und einzelne Vorgänge abstimmen. Dies mit linearer Abstimmung eines jeweils nur partiell denkbaren Anpassungsvorganges ist völlig unvorstellbar.
Wir erlauben uns, den Text weitgehend von den Seiten von Genesis.net zu übernehmen.
Nimmt man eine Vogelfeder in die Hand, überrascht immer wieder, wie
leicht dieses Gebilde ist. Es heißt nicht umsonst „federleicht“.
Gleichzeitig sind Vogelfedern ausgesprochen robust und dennoch biegsam
und kombinieren damit sehr unterschiedliche Eigenschaften. Diese
Kombination stellt besondere Anforderungen an den Feinbau der Federn. Es
wird geeignetes Baumaterial benötigt– lange Proteinfasern aus
beta-Keratin –, außerdem gibt es anspruchsvolle Anforderungen an die Art
und Weise, wie das Material in Federschaft, -ästen und -strahlen
„verbaut“ wird, und schließlich sind auch die Anforderungen an die
Struktur der reißverschlussartig ineinandergreifenden Federstrahlen
(Bogen- und Hakenstrahlen) alles andere als trivial.
Photorechte Fir002 |
Denn bei aller
Robustheit müssen die Federn auch kontrolliert nachgeben können, wenn
starke Kräfte auf sie wirken, damit irreparable Risse vermieden werden;
dafür ist der „Reißverschluss“ sehr praktisch. Materialeigenschaften,
Feinbau und Federstrukturen sind also genau aufeinander abgestimmt. Es
ist leicht einzusehen, dass diese besonderen Eigenschaften der Federn
zum einen komplett vorhanden sein müssen, damit Federn flugtauglich
sind, und dass sie zum anderen nicht oder nur in sehr viel einfacherer
Ausprägung benötigt würden, wenn Federn nur irgendwelche anderen
Funktionen wie Wärme- und Kälteschutz, Signalgebung oder Schutz vor
Verletzungen erfüllen müssten, nicht aber zum Fliegen gebraucht würden.
Tatsächlich ist der Feinbau von Schaft und Federästen so kompliziert, dass bis vor kurzem viele Details nicht bekannt waren.
Die Fasern sind nämlich mit einer Matrix zementartig verbunden, was die
Aufklärung ihrer Anordnung erschwert, aber zugleich zu ihrer Stabilität
beiträgt (vgl. Lingham-Soliar 2017, 1). Erst in jüngerer Zeit wurden
durch neue Untersuchungstechniken hier größere Fortschritte erzielt.
Durch Computertomographie (Laurent et al. 2014) und mithilfe
federzersetzender Pilze (Lingham-Soliar et al. 2010), durch die die
Keratinfasern und Faserbündel freigelegt werden können, wurden ganz neue
Einblicke in die Anordnung der Fasern und damit in den Feinbau gewonnen
(Lingham-Soliar 2014; 2017).
Dabei hat sich Folgendes gezeigt: Die beta-Keratin-Fasern
bestehen aus feineren Fäserchen und sind selbst in Bündeln angeordnet.
Diese können verschiedene Schichten bilden, in denen die Fasern
unterschiedlich orientiert sein können. Dietrich-Bischoff (2014)
fasst die weiteren Befunde wie folgt zusammen: „Nun sind zwei
verschiedene Fasersysteme mit unterschiedlicher Orientierung
nachgewiesen worden, die unterschiedliche mechanische Eigenschaften
verleihen. Im größten Teil des Federschafts laufen die Keratinfasern in
Längsrichtung, wodurch die Feder verdreht werden kann, ohne zu brechen.
In den Seitenwänden des Schafts hingegen liegen die Fasern über Kreuz,
was der Feder größere Steifheit verleiht. …
Die Keratinfasern weisen
zudem in gewissen Abständen Knötchen auf, die zu denen benachbarter
Fasern versetzt angeordnet sind. Diese Anordnung trägt dazu bei, dass
sich ein Riss im Federschaft schlecht ausbreiten kann. Zudem konnte
gezeigt werden, dass Federschaft und -äste keineswegs hohl sind, sondern
ein ‚schaumähnliches‘ Inneres aufweisen – ein poröses Netzwerk von
Fasern, die mit einem Polymer beschichtet sind, das Gase bindet. So
steht die Feder unter schwachem Druck, was dazu beiträgt, dass sie
weniger leicht einknickt. Der Schaum wirkt wie ein Energieabsorber und
sorgt vermutlich dafür, dass die Feder nach Verbiegen oder Verdrehen
wieder in ihre ursprüngliche Position zurückspringt.“
In einer neueren Arbeit legt Lingham-Soliar (2017) weitere
interessante Befunde zur Anordnung der Keratinfasern in den sich
verjüngenden Federschäften vor. Er konnte zeigen, wie die Verjüngung
erfolgt, ohne dass die Faserverläufe in den Wänden (Cortex) des Schafts
auslaufen. Die Keratinfasern biegen vielmehr links und rechts in die
Wände der Federäste ab, wodurch die Äste tief im Schaft gleichsam
„verwurzelt“ sind. Das ermöglicht Reißfestigkeit und verringert
gleichzeitig die Gefahr von Brüchen oder Knicken im Schaft; die Kräfte,
die beim Flug auf die Federn wirken, werden so auf die Federn
gleichmäßig verteilt.
Ein Auslaufen (bzw. ein Abbruch) der Fasern im
Cortex würde – so Lingham-Soliar – aus mechanischen Gründen die Gefahr
von Beschädigungen erhöhen.[1] Diese Grundstruktur des Abzweigens in die
Federäste erwies sich bei den verschiedenen untersuchten Arten als sehr
ähnlich (S. 4). Lingham-Soliar (2017, 7f.) lobt diese Lösung als „biomechanisch genial“
(„ingenious“); durch diese neu entdeckte Architektur des Cortex der
Schaftes und der Äste, wo Hunderte von Fasern in die Äste abzweigen
statt beendet zu werden, würden auf einen Schlag viele Sollbruchstellen
vermieden.
Als Kommentar ist dem noch hinzugefügt:
Diese Details machen deutlich, wie fein abgestimmt verschiedene
Aspekte der Federfeinstruktur sein müssen, damit die Feder die für ihre
Funktion erforderlichen Eigenschaften besitzt. Angesichts dieser
Tatsache überrascht es, wenn Verena Dietrich-Bischoff (2014)
abschließend zu den damals bereits bekannten Details schreibt, dass die
vorgestellten Befunde zur Feinstruktur von Federn möglicherweise dazu
beitragen würden, ein evolutionäres Rätsel, die Entstehung des
Vogelflugs, zu lösen. Oder dass Lingham-Soliar (2017, 6) meint, es sei
klar, dass die außergewöhnliche Mikrostruktur des Wand des Schafts und
der Äste über die Millionen Jahre der Vogelevolution perfektioniert
worden sei.[2] Jedenfalls zeigen die neuen Befunde, dass das Rätsel
größer ist als je zuvor, denn die Federn erweisen sich als komplizierter
gebaut als bisher bekannt. Und man kann durchaus nachvollziehen,
dass die Details auch allesamt in der verwirklichten Form ausgeprägt
sein müssen, damit die Federn ihren Teil zur Ermöglichung des Fluges
leisten können. Die dafür erforderlichen höchst anspruchsvollen
Materialeigenschaften sind notwendige Voraussetzungen. Es handelt sich
auch um weit mehr als um „Perfektionierung“, sondern vielmehr um eine
ausgeklügelte, anspruchsvolle Konstruktion.
Zudem ermöglichen auch die allerbesten Federn noch keinen Flug. Es
wird auch eine zweckmäßige Verankerung im Körper benötigt, ein
Muskelgeflecht an den Federspulen zur Bewegung der Federn, Blutgefäße,
Nervenbahnen und Sinnesorgane, die die Positionen der einzelnen Federn
registrieren und ans Gehirn melden, und die passenden Reaktionen darauf,
die Einbettung der Federn in ein hydraulisches System von Fett- und
Bindegewebe und weitere anatomische Details. Die Anforderungen an die
Federn und ihre Steuerung sind wiederum nur ein Teil der Voraussetzungen
für die Flugfähigkeit, denn es muss auch ein passendes Federkleid
ausgebildet sein, weiterhin dessen koordinierte Steuerung; zahlreiche
Muskelpartien sind beim Flug beteiligt; es gibt Anforderungen an den
Skelettbau; die Federn bedürfen ständiger Pflege usw.
Es ist daher alles andere als klar, dass und wie die Federstrukturen evolutiv entwickelt und „perfektioniert“ wurden.
Das Problem besteht neben zahlreichen Details vor allem auch in der
Notwendigkeit vielfacher Abstimmung verschiedenster Aspekte.
Dietrich-Bischoff (2014) kommentiert einen kurzen Überblick zum groben
Aufbau einer Feder wie folgt: „All diese einzelnen Elemente sind
hervorragend an ihre jeweilige Funktion angepasst und wirken zusammen,
um der Feder die notwendigen Gesamteigenschaften zu verleihen.“
Zukunftsblinde Prozesse wie Mutation und Selektion sind nach allem, was
wir wissen, völlig überfordert, solche Abstimmungen über mehrere Ebenen
der Organisation zu ermöglichen.
Natur und Technik. Lingham-Soliar (2017, 10) zieht einen
Vergleich mit technischen Materialien; diese seien vergleichsweise
einfach strukturiert und die technischen Strukturen seien
monofunktional. Ganz anders dagegen die biologischen Strukturen, die
viele Funktionen zugleich erfüllen und so kompliziert aufgebaut sind,
dass es schwierig ist, sie in die einzelnen Komponenten aufzuspalten, um
daraus etwas für die technische Anwendung zu lernen. Von einer Nachahmung in der Technik ist man daher weit entfernt.
Auch dieser Sachverhalt spricht zusätzlich mehr dafür, dass die
Entstehung von Vogelfedern eines enormen geistigen Inputs bedurfte,
während Komplexität und Multifunktionalität sicher nicht für eine
natürlich-evolutive Entstehung sprechen.
Vergleich mit anderen Strukturen. Interessant ist auch der
Befund, dass es Ähnlichkeiten im Aufbau der Federn mit anderen
biologischen Strukturen gibt. Dietrich-Bischoff (2014) weist darauf hin,
dass auch der Chitinpanzer von Insekten aus mehreren Schichten besteht,
in denen die Chitinfasern auf verschiedene Weise orientiert sein
können, wodurch der Panzer an manchen Stellen hart, an anderen biegsam
wird. Was das schaumartige Innere des Federschafts betrifft, so sind
ähnliche Strukturen auch von Pflanzenstängeln und Stacheln von Tieren
bekannt. Lingham-Soliar (2017, 8f.) sieht weiterhin Ähnlichkeiten in der
Anordnung von Fasern in der Rücken- und Schwanzflosse des Weißen Hais (Carcharodon carcharias)
und im Verlauf von Leitungssystem und Fasern bei der Verbindung von
Ästen mit Stämmen von Pflanzen, die ähnlichen Kräften ausgesetzt seien
wie die Federäste. Auch hier stellt sich die Frage: Sind zukunftsblinde
Prozesse in der Lage, unabhängig voneinander in ganz verschiedenen
Systemen dieselbe anspruchsvolle Lösung für schwierige Aufgaben zu
finden?
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