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Dienstag, 19. April 2016

Bildungsdämmerung

Das Thema geht vielfach unter, gerade in den Kreisen, die sich zur Zeitkritik aufschwingen, dies aber nur angeblich tun. Dazu sind vor allem die liberalen oder neo-liberalen Kreise zu zählen. Es geht um die aktuelle Unterrichtsmethodik, ja um die gegenwärtige Pädagogik, die jede Forderung nach "Bildungsbudget" oder den Spruch, daß "Bildung Investition in die Zukunft" sei zum Bitterkraut machen. Denn eigentlich müßte man diese Gelder sogar reduzieren, denn das Maß der Vergeudung ist gewaltig. An den Schulen wird mittlerweile mehr vernichtet als konstruktiv geleistet (Ausnahmen, die es tatsächlich gibt, wenigstens zu Teilen, natürlich ausgenommen.) Am ehesten ist diese Einsicht noch bei Lehrern angekommen. Doch auch sie stehen in Zwängen der offiziellen Doktrine (Lehrpläne, zentralistische Prüfkriterien etc.), denen zu entfliehen mit höchstem Risiko verbunden ist, das kaum jemand einzugehen wagt.

Der em. Leipziger Philosophieprofessor Christoph Türcke hat in dem Buch "Lehrerdämmerung" die gegenwärtigen Unterrichtsprinzipien analysiert, und mißt ihnen anthropologischen Wahnsinn und gewaltiges Zerstörungspotential zu. Der VdZ nimmt diese Buchempfehlung der Sezession deshalb gerne hier auf, weil er schon vor Jahrzehnten in einen permanenten Kampf mit den Schulen seiner Kinder stand. Denn die Kinder an unseren Schulen sind getreu der umfassenden Weltanscshauung, die implizit alle heute durchtränkt, als Material und Maschine gesehen. Der Umgang mit ihnen ist ein technisches Geschehen.  Dem steht eine irrationale, oft genug mystifizierte "Personsideologie" gegenüber, die ergänzend (und nicht widerlegend) wirkt, und die dem Einzelnen die angebliche Fähigkeit zuschreibt, sich überhaupt jede kulturelle Form, ja sein Menschwerden und Reifen selbst generieren zu können, damit aber nur die wirklich prägenden Elemente auch der sogenannten "Reformpädagogik" verschleiert.

Aus ganz genau diesen zum guten Teil auch von Türcke angelegten Gründen versuchte er schon vor mehr als zwanzig Jahren gegenzuwirken, soweit das möglich war und in seinen Lebensbereich (schulpflichtige Kinder) fiel. Es blieb weitgehend wirkungslos, brachte ihm aber den Ruf eines Fanatikers, ja paranoid-schizoiden Irren ein, den die Lehrer seiner Kinder geschlossen verachteten (denn die heutige Schule bzw. öffentliche Obsorge zersetzt auch die organischen Strukturen der Familien, ja das ist sogar ihr offiizielles Ziel, was u. a. mit dem Wort "Chancengleichheit" verschleiert wird) und sogar lächerlich machten. Aber damit muß man leben. Auch mit der Erfolglosigkeit solchen Bemühens, das sich in so vielen Spannungsfeldern befindet. 

Denn das Verhalten des Einzelnen ist immer nur aus seiner Eingefügtheit in Meta-Soziales zu verstehen, und dieses ist wieder in Meta-Sozialem eingebunden, und so weiter. Daraus "entkommen" zu wollen ist Unfug, das ist nicht möglich - es gibt immer metasoziale Felder, die den Einzelnen umfassen, und sie haben prinzipiell immer dieselbe Struktur. Aber so, wie sich diese Beziehungsklammern (von denen hier bereits oft die Rede war) definieren, die erst den Einzelnen in seinen Individualisierungs- und Aneignungsaufgaben (als eigentliche Persönlichkeitsarbeit) definieren, so wie sie erkannt werden, so erhellt sich erst das Verhalten des Individuums und stellt es in Sinnbezüge. Sind die Beziehungsklammern sinnlos, irrtümlich oder gar bösartig, wird der Einzelne in seinem Sozialisierungsprozeß immanent mißgebildet. 

So wirft das heutige Schulsystem massenhaft entwurzelte, aber technisch hochgerüstete Menschen in die Welt, die attestiert "hohe Kompetenzen" aufweisen, ihre eigentlichen weil identitär neu konstruierten Ansprüche aber nicht erfüllt finden. Wir leiden heute nämlich nicht unter "zu geringer" Bildung, sondern unter einer weit überdimensionierten, einem gesunden gesellschaftlichen Organismus nicht mehr entsprechenden, technizistischen Rationalisierung. Rationalisierung ohne Identität, ohne Verortung aber wird in jeder individuellen Vita kontraproduktiv. Als Sprache, der es an Gefülltheit mit Sprache - also Geist - fehlt.

Mit einem hochgeschäumten Wortapparat ausgerüstet, der vom Leben nicht gedeckt ist, wendet sich das Wort nach Ding, denn es braucht seine Entsprechng der Dinggesättigkeit des Menschen, also seiner Identität nach, seiner konkreten Stellung und Aufgabe nach - der muß es entsprechen. Während der heutige Anspruch auf "möglichst viel Bildung" also vom Umgekehrten ausgeht, möglichst viel an Wortkonstrukt aufzubauen, um danach die Aufgabe zu richten. So gerät der Mensch aus dem Gleichgewicht, und das Wort wendet sich hungrig nach Welt auf ihn selbst, und auf die Verdinglichung von Abstrakta.

Denn dem Pädagogischen Werdegang steht aber ein untrüglicher und nie zu eliminierender ontologischer Anspruch des (jeden!) einzelnen Menschen selbst gegenüber, der nur in der Wahrheit (in ihrem personalen Anspruch) auch in kulturell gesunde soziale Felder zu bergen möglich ist. So trägt das soziale Umfeld (zu dem natürlich immer eine gewisse Spannungs besteht, denn die Welt "beginnt" in jedem Menschen auf eine gewisse Weise durchaus neu) wesentlich zur Freiheit des Einzelnen bei und eröffnet seine schöpferische Kraft zum Wohle des Ganzen, die aber immer definiert, auf einen sozialen Ort (das Gefüge der Welt ist ein Gefüge von sozialen Bezügefeldern) bezogen ist, ja nur so überhaupt sein kann. Das tut es aber nur im Grad ihrer Wahrheit, die nur im vitalen Bezug zur Ontologie ihre wirkliche Vitalität - auch im konkreten Lebensvollzug, ja gerade dort, bis ins letzte Detail - entfalten kann. Diese Sichtweise steht freilich in krassem Gegensatz zu den Leitlinien heutiger (staatlicher oder privater - man denke nur an den Unsinn der Montessori-Bewegung - ideologisierter) Pädagogik.

Dennoch hat sich der VdZ nie ganz entmutigen lassen. Denn er weiß, daß es nicht darauf ankommt, vordergründig zu siegen. Aber im Namen der Einzelne, im Namen jener für die man Verantwortung hat, hat er sich an einen Satz gehalten, den er sich in allen Anfeindungen immer wieder vor Augen hielt: Es ist wichtig, daß eines Tages, wenn alle die heutigen Konzepte offensichtlich scheitern - und sie werden es durch das Scheitern fast sämtlicher individueller Lebensentwürfe tun, es spielt sich im Konkreten, Vereinzelten ab, nicht primär im Großen - aber die Vernunft keinen Ausweg mehr zu bieten scheint, weil alle Verstandeswege verbraucht und sinnlos sind, die Menschen sich erinnern können: Moment, da gab es doch jemanden, da gab es doch etwas, das so ganz anders lautete. Es ist nicht hoffnungslos, es ist kein Anlaß die Vernunft aufzugeben! Es ist nur notwendig, sich neu an der Wahrheit zu orientieren.









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