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Sonntag, 3. April 2016

Was ist Geist?

Der Vortrag, den das Video bietet, ist gar nicht schlecht. Prof. Dr. Werner Gitt geht den Gottesbeweis über das Wesen von Information an, und schließt aus Naturgesetzlichkeiten auf die Notwendigkeit von (a-materiellem) Geist. Darin trifft er sich längst mit der Quantenphysik, die (siehe Zeillinger) von einem materialistischen Weltkonzept (mit der zirkulären Scheinerklärung der Epiphäomenologie für Geist, J. Pöltner u. a. hat die evolutionäre Erkenntnistheorie ausgezeichnet analysiert) längst Abstand genommen hat. Zwar trägt Materie Information, aber sie kann sie nicht SEIN.

Eine der Kernfragen der Gegenwart, die nur deshalb aus allen Fugen gerät, weil Geist nicht mehr verstanden und deshalb (deshalb!) geleugnet wird. In dem Punkt hat Gitt nämlich allemal recht: Die Verwirrnis der Gegenwart entstammt unsauberem Denken. Jeder Irrtum hat seinen Grund in einer menschlich-sittlichen Vorentscheidung. So gut wie alle dieser Vorentscheidungen aber sind für sich gesehen nicht bewußt gesetzt, sondern Resultat einer aus Neigung erfließenden Haltung der Welt gegenüber. 

Zwar wird der Vortrag für Nicht-Gläubige, aber auch für Katholiken nicht ganz so einfach zu konsumieren sein, denn Gitt hat einen recht protestantisch-bibelbezogenen, fast freikirchlichen Zugang, und dazu gehört eine Überbetonung des Bewußten im Rahmen des ganzen Menschseins, aber hörenswert ist er auch für Katholiken. Solche Gedankengänge, wie er sie vorstellt, sind deshalb nicht aus sich heraus unbedingt zum Glauben überzeugend, sie können nur ein Teil einer Gesamthinwendung sein, die ohne Gestalt (und damit Kirche) denknotwendig nicht auskommt. Aber das können sie und das müssen sie meist.

Freilich, einen Gottesbeweis in dem Sinn, wie er oft erwartet wird, im Rahmen naturwissenschaftlicher Beweisbarkeit, als Ergebnis einer Subsumtion mit zwingendem Resultat, kann es gar nicht geben. Auch Gitts "Beweis" kann nur verweisen und unterfüttern. Gerade die Erfahrung Gottes ist an den Rest insecuritas gebunden (!), der die letzten Wurzeln des Menschen umfassen muß. Muß. Denn erst im Aufschwingen zu Gott, als eigene Leistung gewissermaßen, deren Resultat aber gar nicht in seiner Hand liegt, im Schritt in das Ungewisse, trägt der Mensch das Menschsein zu seiner eigentlichen Bestimmung und Größe weil Freiheit.

Ein zwingender, "jeden notwendig überzeugender" Beweis würde genau das gar nicht verlangen, worauf Gitt letztlich dann aber doch abzielt: Eine freie Entscheidung. In der Frage, ob eine Kugel die man auf die Erde fallen läßt fällt oder steigt, ist die Antwort der Zustimmung zum Resultat - sie fällt - kein Akt der Freiheit. Sie verweist nur auf eine unbewußt-gewußte, ja geglaubte Beziehung. Das, was wir glauben, drückt sich weit eher in dem aus, was wir ohne es bewußt zu denken wissen - indem wir (um im Beispiel zu bleiben, das wie jedes Beispiel natürlich hinkt) unsere Augen nach dem Akt des Fallenlassens dieser Kugel nach unten richten. Was wir glauben ist, was wir erwarten. Davon wissen wir bewußt bestenfalls einen kleinen Zipfel. Und das hat uns auch niemand vorher erklärt.

An Gott zu glauben - als bewußten Akt - kann man sich dennoch nicht ersparen. Und hier tritt das ein, was Robert Spaemann vor einigen Jahren in dem schmalen Büchlein "Der letzte Gottesbeweis" sehr gut dargelegt hat: Es kann vernünftig werden, an Gott zu glauben, und unvernünftig, das nicht zu tun. Hier kann exakte Überlegung tatsächlich an den Punkt kommen, daß es sich selbst aufheben müßte (und damit auch den Weg, den es bis dorthin gegangen ist, also jede Antwort), wollte es die Notwendigkeit einer alles umfassenden und personalen Vernunft bestreiten, an die nur zu glauben bleibt.*







*Glaube ist das dann zwar immer noch nicht, eher ein Glauben-wollen (und mehr kann man in Selbstaussagen, OB oder WIEVIEL oder WAS man denn glaube, egal in welcher Richtung, auch kaum sagen). Aber es kann zum Glauben führen, weil es die Vernunftwege aufmacht, sodaß man der religiösen Praxis in Freiheit zustimmt. Diese ist es dann, die in wachsen müssendem Vertrauen nach und nach Glauben tatsächlich aufbauen kann, weil sie die Rhythmik der in der sakramentalen Liturgie die Wahrheit verfleischlicht, sodaß auch der reine Geist Gott immer mehr erfahren werden kann - im Geist. Der nciht nur nicht materialistisch ist, wie Gritt zeigt, sondern auch nicht Psychomethodik ist. Geisterfahrung ist nicht Resultante psychologischer Prozesse oder gar simulierbar, wie diverseste Erneuerungsbewegungen vortäuschen. Wo viel davon geredet wird, woran man glaube, oder gar, wovon man überzeugt sei, sollte ein vernünftig sein wollender Mensch sowieso sehr vorsichtig sein.

Deshalb sind Aussagen, wie man sie heute verschiedentlich hört und die gar noch trösten sollen, mit denen vor allem Verantwortliche, Bischöfe oder gar Päpste das Verschwinden der Volkskirche (was ja immer ein "Kulturverlust mit Ansage" ist) oder auch nur einer allgemeinen, weitgehend einheitlichen religiösen Haltung schönreden will, weil ja nun die Zeit des "Überzeugungschristen" anbreche, mit allergrößter Vorsicht zu genießen. Was bitte ist ein Überzeugungschrist?




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