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Montag, 4. April 2016

Treue zu Vorurteilen

Jede Verstandesbohrung versagt, und sei sie noch so tief angelegt, betrachtet man etwa die Natur eines Handelns. Das in der Art, wie es begonnen ist, auch seine Folgekreise zieht. Am ehesten ist es noch mit dem ebenfalls nur bildhaftg verfügbaren "Fraktale" vergleichbar, wo ein großes Schema sich in allen Details genau gleich wiederfindet.  

So, wie etwas strukturell begonnen ist, so zieht es sich wieder und wieder fort. Sich dagegen zur Wehr zusetzen, gar zu verlangen, jeden Augenblick als Neugeburt eines neuen Handlungsfadens zu betrachten, ist nur Täuschung und meist sogar überhaupt nur Selbsttäuschung. Jeder steht in einer unüberschaubaren Kette von strukturellen Bedingungen, denen er nicht nur ausgeliefert ist, sondern in denen er seine Sittlichkeit je neu zu bewähren hat.

Jede Psychologie oder Soziologie, alles greift da zu kurz. Die Welt neigt aus sich heraus zur Selbstfortschreibung, in allen ontologischen Blöcken, in allen faktischen Verbiegungen und Verfehlensneigungen.

Man kann schon verstehen, daß die Alten überhaupt den Menschen als letztlich sogar eingebettet in gewaltige, kosmische Kreisläufte sahen, in denen sich zyklisch alles vom Äußersten bis ins Kleinste wiederholt. Noch Aristoteles zeichnete von dieser Kosmologie ausgehend sein mechanistisches Weltbild. Das Fehlerhafte am menschlichen Handeln, auf das gewisse Mechanik tatsächlich anzuwenden ist, überwiegt meist, und es überwiegt zu gewissen Zeiten so derartig, daß man an eine mechanistische Welt und einen niemals freien Menschen durchaus glauben könnte.

Daß die meisten Menschen heute implizit von einem mechanistischen Weltbild ausgehen hat schon seinen tieferen Grund. Ebenso wie der Umstand, daß der Ruf nach Freiheit alle übrigen Geräusche übertönt und wie rasend lieber die Willkür der Weltverhämmerung (im autonomistischen "frei sein von") wählt als das einzige, was Freiheit ist: aktuale Sittlichkeit INNERHALB der Verhängungen, als Distanz und deshalb umso spielhafteres, distanzierteres, aber jede Regel beachtendes Umgehen mit der Maskenwelt des Welttheaters.

Auch das bestärkt jeden, der sich auf Vorurteile beruft, bei diesen zu bleiben. Die Wahrscheinlichkeit, daß sie zutreffen, ist um Dimensionen höher als die, daß sie es nicht tun, geht man von einem Grundschema aus, das man aus jedem Detail bereits erkennen kann oder konnte. Wenn man es denn zu lesen bereit und in der Lage ist. Aber die Welt wird nicht jeden Moment neu erfunden. Jeder Moment steht in einer unüberschaubaren, prinzipiell Geheimnis bleibenden Verkettung mit dem gestern, vorgestern und übermorgen.

Alle diese Muster überlagern sich, schaffen Interferenzen und Hemmungszyklone, und ergeben ein letztlich undurchschaubares, nur zu bestaunendes Gesamtbild, das dennoch in der Hand des einen liegt, das allem zugrundeliegt: Des Seins, Gottes. Aber diese Tatsache macht denknowendig, sich mit einer in unseren Augen immer unvollkommenen, ja nahezu zufälligen Welt abzufinden, in der wir mit unserem menschlichen Willen bestenfalls ein wenig Oberflächengliederung herstellen können. Das sollte milde machen.




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