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Dienstag, 12. April 2016

Sinn liegt in Ordnung

Das Problem des Mülls ist ganz gewiß nicht die "Verschmutzung = Vergiftung" der Welt. Es so zu nennen ist pure Begriffsverschwommenheit. Denn im eigentlichen Sinn GIBT es kein Gift. Oder, um es mit Paracelsus zu sagen: Alles ist Gift, weil alles nur eine Frage der Dosis, der Proportion im Rahmen eines Insgesamt (also eines "Dings") ist. Nicht einmal wenn der Mensch also die gesamte Landmasse ins Meer kippen würde, alles Feste, in dem wir leben, wäre das Meer als Ganzes "vergiftbar". Es mag partiell zu Ungleichgewichten kommen, aber diese werden in mehr oder weniger kurzer Zeit ins Insgesamt wieder aufgelöst, das heißt in geringere Anteile verdünnt.

Die Welt des Kunststoffs ist damit auch keine Welt des "Nicht-Natürlichen", sondern es ist die Welt der Neueinstufung von Natur durch den (chemisch handelnden weil denkenden) Menschen. Je weiter er deshalb vorgefundene Dinge zerlegt, umso mehr versetzt er sie in untere Daseinsstufen, um sie zu neuen Dingen neu zusammenzufügen. Ein "nicht-natürliches" Produkt herzustellen ist dem Menschen gar nicht möglich. Denn er KANN NICHT SCHAFFEN. Er kann nur Dingordnungen (also: die Dinge) zerstören, um sie auf niedrigere Dingstufen und -ordnungen zurückzuführen.

Das Problem des Mülls ist ein Problem der Ordnung, als menschlicher Müll ein Problem der Zivilisierung, der Erfassung der Welt als Kulturraum. Was die eigentliche Bestimmung, was sogar der Auftrag (!) des Menschen ist. Müllhalden sind innerhalb dieses Kulturraumes definierte "chaotische Außenräume", mehr ist es nicht. Und sie sind notwendig, sie sind unvermeidbar, weil der Mensch nur in einem bestimmten Rahmen Ordnung zu prägen vermag, weil Unordnung - Nacht - sogar der andere Pol seines Menschseins ist. Von da her die Zuordnung von Müll zu "Dämonie", seine Klassifizeirung als "bedrohliches Übel" und "Hölle": Abwesenheit von Ordnung heißt Abwesenheit von Vernunft. Denn natürlich ist die Nacht dem Tag nicht gleichgeordnet. Das Nichts hat kein Sein. Der Sinn - das Sein - liegt im Tag. Aber der Mensch muß mit der Nacht leben, und auch die nichtmenschliche Natur tut es. Der reife Mensch lebt deshalb auch ... mit Müll.

Der reife als der sittliche Mensch aber will nicht mit einer Vermüllung der Welt leben, das heißt: Mit einer entstalteten Welt, die einer entordneten Welt gleichkommt. (Deshalb ist das Müllempfinden eine tiefe Aussage über das Wesen einer historischen Zeit. Der heute so häufige Musealismus, der auch historische Fragmente und Ruinen wie Heiligtümer betrachtet, ist vielfach ein Krankheitssymptom.) Er empfindet notwendig unästhetische Welt als Sünde.

Sünde, schwere Sünde sogar, wie sie mit Windrädern oder Solarflächen geschieht, denn diese sind tatsächlich Müll, und das Vollpflastern der Welt mit solchen Gestellen ist Vermüllung der Welt. Der Gestalt, der Ordnung ist auch die Funktion untergeordnet, ja Funktion ohne Gestalt kann gar nie richtig sein, denn agere sequitur esse - erst ist die Gestalt. Sie ist es, die handelt, die tut, die "erledigt".

Die Energiewende verwandelt eine Kulturlandschaft in eine Müllhalde. Denn das Kriterium der Weltordnugn ist Gestalt, ist deshalb Ästhetik und gestalterische Harmonie. Denn die Welt ist Rhythmus, Verhältnis, Proportion, in einem gewissen Sinn tatsächlich wie sie die Mathematik zu definieren vermag.

"Vermüllung der Welt" durch menschliche Abfälle aber zu beklagen ist also bestenfalls eine Klage über die Unfähigkeit oder den Unwillen des (jeweils: lokalen) Menschen, die Welt zu ordnen. Aber daß mit dem gigantischen Wachstum der Zahl der Menschen im letzten Jahrhundert auch die Zahl der notwendigen (!) Müllhalden und Müllorte steigt ist gar nicht anders möglich.

Daß der Mensch lokal oder temporär bestimmte Räume in Unordnung - also Ungleichgewicht - bringen kann steht außer Zweifel. Er kann auch Räume weitgehend umprägen. Was aber nie aus sich heraus ein Werturteil sein kann. Dabei können auch "Arten" verschwinden, keine Frage. Aber es steht höher, eine Sumpflandschaft trockenzulegen, also zu ordnen, in den menschlichen Kulturbereich zu integrieren, und damit das Kleinklima zu ändern, auch wenn der Quetschige Knuschelfrosch daraus verschwindet.*

Aber er kann niemals die Welt als Ganzes "kippen", und das auch noch als wissenschaftliche Aussage zu behandeln ist nicht einfach nur falsch, es ist Größenwahn und unsittliche, wenn nicht bösartige Dummheit. In jedem Fall aber wird sich in der Zeit wieder eine Harmonie einstellen, mag sie auch in Aspekten verändert sein.





*Der VdZ hat vor kurzem in einem Gespräch mit einem Biologen erfahren, daß die zählbaren Tier- und Pflanzenarten im heutigen verbauten Berlin fast doppelt so hoch liegt wie noch vor 150 Jahren. Bestimmte Arten finden heute Lebensräume, die sie seinerzeit nicht hatten. Andere Ansprüche werden durch den Menschen gestellt, welche neue Arten erfüllen können, nicht aber die alten konnten. Diese haben sich in unverändetere Bereiche zurückgezogen. Menschliche Kultur kann also auch ganz andere Effekte haben.





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