Dieses Blog durchsuchen

Freitag, 15. April 2016

Prinzipielle Entsittlichung

Fehlt einem Denken seine nur in einem personalen Akt bildbare Tiefengründung in den ersten Prinzipien des Erkennens, also in der Metaphysik, so bleibt es immer mehr ein Denken, das vom Zeitgeist getrieben ist. Denn ihm bleiben nur faktische Geschmackskonstitution, um Urteile zu fällen. Es setzt als seine größte Möglichkeit die Bausteine aus diesen Urteilen wie in einem Phantasiegebilde zu einem Mosaik zusammen, wobei es in diesem Akt auch dem fundierten Denken gleicht. Nur kann es sich - anderes als letzteres - nicht in sich selbst gründen, als in der ersten personalen Zustimmung dem Sein gegenüber. Die Betonung liegt deshalb auf "personalem Akt", weil dieses Denken die große Mühe einer Sittlichkeit verlangt, die in Freiheit gründet wie mündet und nur aus dem existentiell bedingungslosen Gegenüberstehen zu diesem Sein selbst erfließen kann.*

Damit werden Weltanschauungen zu Meinungen, mehr oder weniger breit ausgestaltet, oft sogar sehr breit, gewiß, aber im letzten widersprüchlich, weil nicht an der Nadelspitze der Welt balancier-, danach ausrichtbar. Es bleibt damit nur Gnosis-Esoterik, denn auch dieses letzte bzw. erste Prinzip, ohne das überhaupt kein menschliches Denken möglich ist, wird herbeiphantasiert.** Und in einem sofort folgenden nächsten Akt diese Vorgehensweise allen anderen mit unterstellt.

Auf einer anderen Ebene kann dies als gestörtes Verhältnis zum Eigentum bezeichnet werden. Und der Sozialstaatsmensch hat prinzipiell ein solches gestörtes Verhältnis, weil sein Eigentumsstand nicht direkt von seinem Tun und Urteilen abhängt. Nur diese existentielle Tiefe läßt auch das zuwachsende Eigentum in einer Situation der Verantwortung begreifen. Was sich gleichermaßen im Verhältnis zu Menschen ausdrückt, denn Eigentum heißt: Macht zur Bewegung. Nur in diesem Gleichschritt kann es Verantwortung geben, und nur dann kann es Verantwortung geben, wenn das Wohl und Wehe des Verantworteten als Schicksal der eigenen Persönlichkeit begriffen wird. Daß heute so viele Thesen und Theorien über gesellschaftliche Veränderungen herumschwirren hat darin seinen Grund: So gut wie alle diese Thesen sind aus einer Position der Verantwortungslosigkeit erwachsen.




*Darin liegt die furchtbarste Konsequenz des Sozialstaates, der notwendig zur Entsittlichung seiner Bürger führt und damit die schöpferischen, geschichtsbildenden, wahrhaft zukunftsgestaltenden Kräfte eines Volkes abschnürt. Als erste Grundhaltung (denn auf eine Weise beginnt der Mensch im Staat, dem Allgemeinen des Volkes) führt sie zu Subsystemen der Wirklichkeitsabgrenzung durch Sozialisierung der Folgen individuellen Handelns. Wie sich in den verwirrungen heutiger Pädagogik und gar familiärer Erziehung zu erkennen ist.

Denn dieser dargelegte erste Schritt ist entscheidend, und er beruht maßgeblich auf dem Erfassen der letzthinnigen Einsamkeit jedes Menschen - vor dem Sein. Wird diese erste Existentialität durch die Scheinsicherheit einer weltlichen, fleischlichen, wirtschaftlich quasi abgesicherten Existenz scheinbar unnotwendig, fehlt dem Denken und Urteilen seine Grundausrichtung an der Wahrheit bzw. wird diese zufällig und willkürlich. Selbst eine Hinwendung an die Philosophiegeschichte wird dieser Geformtheit zur bloßen Assemblierung, zum Eklektizismus der Nützlichkeit im Rahmen eines solchen Sozialsystems. 

Dessen entscheidende Schwäche die Ablenkung jenes Drucks ist, der aus der Verfehlung der ersten Prinzipen sonst erwachsen würde: Denn wo gegen die Wahrheit verstoßen wird, wird die Wahrheit selbst zur Richterin über eines Leben, und die Folgen wird jeder unmittelbar erfahren. Wirkliche Existentialität der Lebensweise bringt also auch fast zwangsläufig eine Ausrichtung an der Wahrheit, selbst wenn sie aufs erste denkerisch nicht bewältigbar ist.

(Bonmot am Rande: Es fällt auf, daß viele Modephilosophen der Gegenwart gut aussehende Männer sind. Es mag seltsam klingen, aber - darin zeigt sich hohe Wahrscheinlichkeit einer nie ins Letzte gehenden Philosophie. Sie wird hingegen zum nützlichen Accessoire. Denn diese Existentialität braucht Distanz, und sie ist eigentlich Notwehrreaktion eines Ausgestoßenen, der die Welt nur aus der Entbehrung kennt und sie deshalb sprachlich wahr weil mit dem analogen Sein gefüllt - ohne Interessensbindung - nachbilden kann.)

**Wenn derzeit Jubelmeldungen durch die österreichische Presse gehen, weil das hiesige Bildungssystem angeblich einen Spitzenplatz darin erringt, Bildung als "sozial ungebunden" zu erreichen, es also im internationalen Vergleich enorm viele "Bildungsaufsteiger" gäbe, so ist dies in Wirklichkeit ein Schreckenszeichen des Gesellschafts- und Bildungsverfalls, mit einer Utilitarisierung von Bildungsinhalten. Dazu ein andermal noch mehr.



***