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Dienstag, 15. Dezember 2009

Dichterische Figuren

Zwei Irrtümer herrschen in der Einschätzung von dramatischen Erzeugnissen:

1. Der Dichter würde Figuren schaffen - in Wahrheit kann er nur anregen, daß der Betrachter sich selber Bilder von Menschen formt.

2. Die sohin entstandenen Bilder seien so, weil die Wirklichkeit so sei - in Wahrheit entsprechen die offenbaren, dargestellten Handlungen der Menschen nur in den allerseltensten Fällen (bei "bedeutenden" Menschen, solchen also, die in vollem Selbstbesitz sind, und stets hinter alle Vordergründigkeiten blicken) den wirklichen Antrieben. Meist sind sie vordergründig motiviert, ein unentwirrbares Bündel aus Leidenschaften, Lastern, Tugenden, Vorstellungen, Gewohnheiten (!), Wünschen, und besonders ... Trägheiten. Weil aber auch das Publikum aus ganz unterschiedlichen Begabungen, Veranlagungen wie Erfahrungshorizonten kommt, schätzt es auch die Motivzusammenhänge der Handlungen völlig unterschiedlich, weil immer nach dem eigenen Daseinshorizont, ein. Im wesentlichen gibt es drei Ebenen, auf denen Figuren zu verstehen sind, bzw. handeln: der der Vorstellungsbilder von Figuren, wie sich diese also gehaben; der, wie sie von Leidenschaften getrieben werden; und jener, wie sie Seelen sind.

Vorausgesetzt, der dramatische Dichter hat genügend innere Festigkeit in der inneren Wirklichkeit der Figur, die er darstellt, erreicht und abgewartet, kann er aber niemals Widersprüche haben, weil die Figur immer dieselbe ist, über die er schreibt, die sich im wie ins Ohr sagt.

Eines ist deshalb gewiß: eine dichterische Figur psychologisch erklären zu wollen, oder zu müssen glauben, kann nicht möglich sein. Denn - vorausgesetzt, es gäbe sie überhaupt - wäre die (heutige, mechanistische, biologistische) Psychologie das Konstrukt der Person, würde überhaupt kein Drama (weil keine Freiheit) möglich sein.




*151209*