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Dienstag, 22. Dezember 2009

Nur ein Mißverständnis?

Zu früh gefreut, über die Schweizer und ihren Mut? Steht der auf ganz anderem, weit primitiverem Boden?

Das könnte man vermuten, wenn man nun liest, daß das Züricher Schulamt das Absingen von Liedern mit spezifisch christlichem Inhalt zu Weihnachten (!) in den Schulen untersagt hat. Und als Lernziel angibt, auch die anderen Weltreligionen ins Weihnachtsfest zu integrieren.

Wahrscheinlich wie in Norwegen (Bericht) -  mit dem Argument, daß die spezifisch weihnachtliche Botschaft doch von Jesus Christus unabhängig sei ...

„Bei christlich geprägten Unterrichtsinhalten (zum Beispiel Weihnachtsvorbereitungen) sollen keine Sonderregelungen für nichtchristliche Schülerinnen und Schüler getroffen werden, jedoch soll die Lehrperson auf die religiösen Gefühle andersgläubiger Kinder gebührend Rücksicht nehmen.

Von der aktiven Teilnahme muslimischer Kinder an Handlungen und Liedern mit religiösen Inhalten, welche ihrem eigenen Glauben widersprechen (zum Beispiel solchen, die Jesus als Gottes Sohn bezeichnen), soll abgesehen werden. Die verschiedenen Religionen sollen in den Unterricht einbezogen werden. Das Kennenlernen der Weltreligionen ist ein Lernziel, das für alle gilt.“

Vielleicht aber doch nicht ganz? Denn so wollte es zwar die Zürcher Bildungsdirektorin Regina Aeppli (SP), doch wie Politically incorrect bzw. der Züricher Tagesanzeiger berichtet, hat sich auch hier ein Schweizer Plebiszit geäußert: die Bevölkerung habe mit Entrüstung reagiert, woraufhin erst "Stille Nacht", und schließlich alle Lieder wieder "freigegeben" wurden.

Wie bei den Kirchen, die mehr und mehr nur Denkmalämtern und Fremdenverkehrsinteressen verdanken, daß sie gemäß dem Selbstauflösungswillen nicht völlig devastiert und zu häßlichen Psychotechnik-Allzweckräumen und Orten der Religionssimulation entweiht werden, und wie in mancher Gegenwehr gegen das Kreuzverbot in öffentlichen Räumen in Italien, wird auch hier ein traditionsbezogenes Argument (s. u.) vorgebracht. Die Entscheidung liegt nun hier wohl bei den jeweiligen Lehrern.

Auch das übrigens eine beobachtbare Tendenz: die institutionellen Strukturen geben auf, wo sie nicht mit diktatorischer Gewalt reagieren, weil ihre Richtlinien den Bedürfnissen der Bevölkerung mehr und mehr nicht mehr entsprechen, ja auf echte Widerstände, weil in ihrer Veränderungsabsicht auf letzte Grenzen stoßen - eines der sichtbarsten Merkmale der Auflösung einer Kultur, in der solitären Desintegration der einzelnen Gesellschaftselemente, die keine Größe solidarischer Gemeinschaft mehr finden. Legt man hier eine Tangente an, so weist diese in gar nicht so ferner Zukunft auf ... Bürgerkrieg: weil dann einzelne Gesellschaftsgruppen, längst auf unaufgebbare Positionen zurückgedrängt, die Konfliktlösung nur noch selbst in die Hand nehmen können, weil sie dies zu müssen meinen. Der Staat bricht damit auseinander.

Genau in diesem Punkt lag die noch bis ins Mittelalter, ja ins Barock (der letzten homogenen, aber bereits ins säkulare verlaufenden Kulturausatmung eines christkatholischen Europas) oft so rigorose Haltung Andersgläubigen gegenüber. Noch Kaiser Karl V. und vor allem sein Sohn Philipp II. von Spanien, haben deshalb religiöse Fragen als Staatsangelegenheiten von primärer Wichtigkeit erkannt. Ja selbst die Frage der Judenpogrome wurzelt dort: im Instinkt eines jeden Volkes, was Gemeinschaft aufbaut, oder die Grundsolidarität gefährdet. Und es lag im Interesse der Kaiser, wie immer wieder historisch aufzeigbar, daß Glaubensstreitigkeiten zwischen religiösen Gemeinschaften so rasch als möglich beseitigt würden. Denn das Leben jedes einzelnen Menschen beginnt bei seiner religiösen Haltung. Es ist die Weltanschauung, die die Kraft und Gestalt einer Kultur prägt weil darstellt, ja diese ist ohne jene gar nicht möglich.

Hier aber nun die nunmehrige Argumentation des Zürcher Schulamts:

Weihnachtslieder und -spiele gehören zu unserer Tradition und diese ist auch Bestandteil von Erziehung und Bildung.  Religion ist für die Schule kein Tabu. Wir müssen unterscheiden zwischen der Vermittlung von Wissen über eine Religion und dem Bekenntnis zum Glauben. Die Lehrer vermitteln im Fach “Religion und Kultur”, was die Hintergründe des Weihnachtsfests und anderer religiöser Feiertage sind, aber sie beten nicht mit der Klasse. Das Singen eines Weihnachtsliedes ist in meinem Verständnis ein Brauch und kein religiöses Bekenntnis.




*221209*