Dieses Blog durchsuchen

Mittwoch, 2. Dezember 2009

Hauptgegner des Kommunismus

Man kann darüber diskutieren - aber die These hat etwas für sich: daß nämlich der wirkliche, erste Überwinder des Kommunismus das Nationalgefühl der einzelnen Völker war. Das zu allererst eine Identität festhielt wie verhieß, das auf die jeweilige Eigenart, nicht aber auf eine funktionale, mechanistische Idee, eines bloßen Utilitarismus menschlichen Zueinanders, gegründet war.

Sowohl die Aufstände in Ungarn, der DDR, der Tschechoslowakei, Polens, auf andere Weise auch in den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien - sie waren Aufstände, die sich auf ein praktisches Menschenbild bezogen, das die Fremdheit der Funktionärsdiktatur - der künstlichen Meta-Nation und -Identität der "sozialistischen Menschen" - begründete, und die künstlichen Staatsgebilde nie wirklich Wurzeln treiben ließ. Und die Quelle der Lebenskraft aller dieser Staaten war. Selbst Afghanistan 1980-90 belegt diese These.

Während sogar die DDR ein Musterbeispiel einer Staatsidee, einer "Staatsnation" war, die aber nie identitätsstiftende Kraft (gegenüber der der "deutschen Nation" beider Deutschland) gewann, weil am realen Widerspruch scheiterte. Nicht zufällig hat die DDR in z. B. militärischen Traditionen sogar versucht, an die Teilnation "Preußen" - in ihrer historischen Gegnerschaft zu Westdeutschland - anzuschließen! Vielleicht hat sogar gerade die für die Linke so brauchbare Keule der Kriegs- und Judenvernichtungsschuld dieses Nationalgefühl, "Deutscher" zu sein, auf eine Weise erhalten, die nur bei einem "Rückfall" in die früheren Identitätsbecken der Länder (Stämme) auflösbar gewesen wäre. Rückschlüsse auf Österreich (und die Funktion der "Mitschuld") sind zulässig.

Sogar noch weiter ist anzusetzen: der Nationalismus war es nämlich, der auch den Widerstand gegen Hitler zuwege brachte! Ein Nationalismus, der sich eben nicht auf Meta-Ideen bezog, sondern die Heiligkeit der Nation, ihre Ehre und Sittlichkeit, immer im Vordergrund behielt. Das machte zwar für die Nazi-Rhetorik täuschungsanfällig, die beliebig Begriffe mißbrauchte und umdeutete, aber die Frage des Erwachens war nur eine Frage der Zeit. Hitler hatte immer der Wehrmacht genau deshalb mißtraut! Und mit Recht.

Wird, wie in der DDR passiert, der Nationsbegriff der Gründungslegende (hier: Weltkriegsschuld) eliminiert, dann passiert genau das Gegenteil, und auf völlig unerwünschte, weil politisch erst schlagkräftige Weise: der Nationsbegriff "rutscht" nach unten, wird singulär und wird dort sogar zum positivistischen, ja: ideologisierten Bezugspunkt und Wert! Und dieses "Nationalgefühl", das sich nun gegen den Zerstörer des Nation richtet, nährt sich aus Traditionen, die unmöglich auszurotten sind ... geschichtliche Bezüge, Kunst, Musik, Architektur. (Worin man den inneren Grund für Maos "Kulturrevolution" in den 1960ern sieht.) Und vor allem sittliche Hochwerte der (sogar: phantasierten, in jedem Fall: unkontrolliert idealisierten) Nation ("Rittertum") beinhalten.

Damit haben sich die Ostblockstaaten selbst - von unten heraus - destabilisiert. Der Mauerfall 1989 war deshalb nur noch Kulminationspunkt einer nicht mehr länger hintanzuhaltenden Identitätskrise, der die äußeren Anlässe (Staatsbankrott) nur den Anlaß weil die Schwächung des herrschenden Regimes boten. Eine Identifikation mit der Ideologie der Staatsführung in der DDR hat nie in breitem Maß stattgefunden, im Gegenteil, die Glaubwürdigkeit der DDR-Führung und staatstragenden Idee war dem Nullpunkt nahe. (Es gibt Untersuchungen aus jener Zeit, die von nur 5 Prozent Regimevertrauen sprechen.) Entsprechend erfolgte keine Gewöhnung im Sinne einer Haltung, sondern Gleichgültig bei reduziertem Leben.

Erst hierein fällt auch die Religion als begreifbarer und für einen Teil der Bevölkerungen (Polen, Ungarn) entscheidender Faktor, weil die Religion die Legitimation dieses Nationalgefühls bedeutet, ja sogar die Pflicht auferlegte, es als Gottes Auftrag zum Selbstsein in der Welt nicht untergehen zu lassen.

In dem Moment, wo die Sowjetunion an ihren inneren Widersprüchen zerbrach - DAS ist die "historische Funktion" Gorbatschows, über den man streiten kann: ob er überhaupt wußte, was er tat - zerbrach auch das imperialistische Reich, das die kommunistische Sowjetunion in Wahrheit gewesen ist. Für die die Metaidentität "Kommunismus" als haltendes Band realer Machtpolitik, als moralisch scheinbar übernational legitimierender Bezugspunkt dieser Machtpolitik, fungieren sollte. Und es blieben die Nationen.

Als Bündnis freier Nationen, genauso haben auch die Gründungsväter der Europäischen Gemeinschaft diese gesehen. Ja, Schumacher z. B. war völlig klar, daß die Stellung und Kraft Europas im globalen Selbstbehaupten nur auf dem Boden starker Nationen wachsen konnte. Nur in einer Nation, so Schumacher (laut den Memoiren von Carlo Schmid), habe die Demokratie Fundament und Quelle. "Demokratie ist keine Sache des Kapitulierens vor fremden Egoismen, sondern Ausdruck der Achtung des Volkes vor sich selbst."

Und der Preußenkönig Friedrich II. sagte in der berühmten Grabrede für seinen Neffen Prinz Heinrich: "Es ist nicht die Aufgabe der Philosophie, die natürlichen Gefühle zu ersticken." Recht hat er.




*021209*