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Montag, 14. Dezember 2009

Epiphänomenologie

Epiphänomenologie bedeutet, daß ein Ding von zwei unterschiedlichen Standpunkten aus betrachtet als zwei verschiedene Dinge erscheint. In Wahrheit ist also zwischen den beiden Dingen gar kein (ontologischer) Unterschied.

Wie? Ob man das durch ein Beispiel beleuchten könnte? Man kann es versuchen.

Nehmen wir einen ... aktuellen Anlaß, einen, der in aller Munde und Erinnerung ist, so daß davon zu sprechen die Gefahr ausschließt, kein Bekanntes, und damit kein Verstehbares zu verwenden, auf dem sich das neu zu Verstehende dann aufzubauen vermag: Die italienischen (und österreichischen) Medien berichteten seit gestern Abend vom jüngsten Anschlag auf den italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi. Ein Attentäter habe mit einem Gegenstand - man spricht einhellig von einem Modell(chen) des Mailänder Doms - den Premier getroffen und doch halbwegs verletzt, wie die Bilder zeigen.

Wer die Souvenirstände vor dem Originaldom kennt, kann sich das auch gut vorstellen - die Miniaturdömchen sind tatsächlich perfekte Wurfgeschoße, und man sollte überlegen, speziell unter dem Eindruck jüngster Ereignisse überlegen, sie als solche sondergenehmigungspflichtig zu machen. Immerhin wird in diesem lombardischen Städtchen auch leidenschaftlich Fußball gespielt. Nicht auszudenken, wenn die jüngsten Ereignisse Anlaß, weil Entdeckung waren, eine Tradition neu zu etablieren.

Nein, hier werden wir aber einmal nicht den TAG "Humor" aktivieren, nur weil es um Berlusconi geht. Auch er, nein: gerade er verdient Pietät. Gerade jetzt.

Vielmehr sei in unserer Beispielsuche zur Illustration von Epiphänomenologie auf die Medienberichte über die Reaktionen der Linken (in Italien oder in Österreich) einerseits hingewiesen sein - die von "Berlusconi ist selber schuld" über "Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen" zu "Er hat (mit seiner Politik) angefangen!" und "War längst fällig!" oder: "Er soll doch nun nicht das Opfer spielen!" (spielen!?) reichen - sowie auf den sich daraus ergebenden Umstand, daß die Linke diese Tat als zumindest in ihrem Sinne interpretiert, wenn nicht als "ihre" Tat reklamiert. So weit so gut. Auch soweit so gut, als es eine Lehre sein soll vor all jenen, die da von "Gewaltlosigkeit" reden, und nur jene Gewalt meinen, von der sie betroffen sein könnten.

Einig sind sich nun aber die Medien aber denn doch dahingehend, daß der Attentäter unter psychischen Störungen leide. Die Motive ihn so zu sehen können dabei aber schwanken. So daß er für die einen lediglich "psychisch labil" ist. Für dergestalte Theorie spricht allerdings die Tatsache, daß er Funktionär der Weltrettungsorganisation Nr. 3 ist - des WorldWildlifeFond. Und wie erst: daß er auf Facebook (mit mittlerweile angeblich 48.000 "amici") ein Profil angelegt hat, auf daß er auch gebührend als Held gefeiert werde, der "sich so etwas getraut" hat. Also etwas jene Argumentationshöhe, auf der sich unter anderem der österreichische Standard bewegt.

Damit scheidet (enttäuschender Weise) auch das (dem Autor Ambrosius - auch ein Mailänder, übrigens - noch plausibelste) Motiv kunstkritischen (nur etwas verspäteten) Engagements á la "vox populi - vox Dei" aus, denn der Mailänder Dom ist ja tatsächlich eine geschmacklose Scheußlichkeit und kunsthistorische Mißgeburt einer Italianitá von der schlimmsten Sorte, keine Frage, die den bruzzo-brozzo-gockeligen Verantwortlichen längst einmal um die Ohren gedroschen hätte gehört, bildlich freilich nur gesprochen. Sohin wäre dieser Domwurf als tagespolitisch zu verstehende Aufforderung an tatenlose Politiker zu werten gewesen, von denen man endlich jene "Schönheit" erwartet hätte, die doch als Signum der Rechten versprochen, aber (hier, bei den Frauen, wie wir längst wissen, ja sehr wohl) zumindest noch nicht eingehalten wird - indem man den Mailänder Dom endlich schleift.

Wir haben hier also eine Tat, die die Linke als in ihrem Sinn betrachtet. (Übrigens: auch politisch gesehen nach seinen Sexgeschichten, die ihn als "stallone" (Hengstchen) klassifizieren, nur die nächste Fehlkalkulation - mehr politischen Dienst kann man Berlusconi schon längst nicht mehr leisten.)

Stehen sich da nun also zwei Meinungen gegenüber? Nein! Vielmehr kommen wir zum Anlaß unseres Artikels zurück: Was denn eine Epiphänomenologie sei.

Eine Tat, die für die Linke eine Akt "gegen", politisch-demokratisch aber ein solcher "für" ist, sowie eine Tat, die für die einen eine "linke" Tat, für die anderen Ergebnis "psychischer Störung" ist.

Voilá!



*141209*