Es steht dem Menschen keineswegs frei, sich nicht zu sich selbst zu verhalten.
In einem Essay über Hegel schreibt Bernard Willms diese Satz. Und er meint damit, daß der Mensch pausenlos unter dem Druck steht, zu denken, zu reflektieren, zu handeln. Es gibt keinen Freiraum, in welchem er sich "aus der Welt heraus nimmt". Denn dieses wäre ein Herausnehmen aus seinem Dasein selbst - undenkbar.
Damit ist aber auch bereits umschrieben, wo die Defekte so häufig anzutreffender heutiger Anwendungsweisheiten und Methoden liegen. Die von einer "Selbstneutralisierung" ausgehen - dem Zen entlehnt oder ähnlich, der ja genau das intendiert, und genau das damit bewirkt bzw. bewirken will: die Auslöschung, Zernichtung des Menschseins - und dies als Höhepunkt der Freiheit beschreiben.
Und damit ist auch der Hauptdefekt der "mystischen Bewegungen" nahezu aller Weltreligionen (auch und gerade der christlichen Bewegungen, auch jener wie sie Jakob Böhme oder Angelus Silesius betrieben) beschrieben, die in ihrem "Wahr ist was sich zeigt" genau die prinzipiellen Fehler Hegels begehen: die Idee (weltimmanent) mit dem Faktischen wandern, aus diesem ontologisch begründend erstehen zu lassen. Wodurch automatisch eine Vergötzung der Phänomene, und eine Heiligung der Mittel um des Zweckes willen eintritt. Es kommt zu einer moralischen Neutralisierung und Gleichsetzung Mensch - Gott, in der Idee als Movens der Welt, gleichgültig in welcher Form.
Aber dem Menschen steht nicht frei, sich nicht zu sich zu verhalten. Diese Illusion ist bereits ein Verhalten zu sich selbst. Es kann für ihn nur einen Weg geben: dieses Sich-zu-sich-verhalten ganz wahrhaftig zu machen. Erst in dieser Freiheit von Selbsttäuschung, in diesem Durchlässigwerden für das Wahre, erst in dieser Sittlichkeit wird er frei, erst in dieser verliert er die Getriebenheit. Und: bleibt, ja wird erst was er ist: freier Mensch.
*081209*