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Montag, 28. Dezember 2009

Auf der Grundlage wissenschaftlicher Vernunft ...

Es fügt sich zum heutigen "Tag der unschuldigen Kinder" des katholischen Jahreskreises: Von J kam der Hinweis auf den verfügbaren Film über die tragische Geschichte eines (männlich geborenen) Zwillings im Kanada Anfang der 1960er Jahre. Aufgrund der damals immer stärker aufkommenden Theorien, denen gemäß das Geschlecht anerzogen, nicht aber angeboren sei, daß der Mensch die ersten Lebensjahre "neutral" bleibe, und erst durch gesellschaftliche Formung und familiäre Erziehung zu einer Frau oder einem Mann wird.

Damals?  Diese Ansichten liegen im Wesentlichen auch dem heutigen Gender-Wahn zugrunde. (Worin sich als "Erweiterung", aber nur vermeintliche "Differenzierung", eine völlige Relativierung der Gestalt und Identität, als das in vielerlei Hinsicht entscheidende Desaster der Gegenwart, findet.) Und den 5 x 10-minütigen Film anzusehen lohnt vor allem deshalb, weil er weit mehr exemplarische Aussage und vor allem visionäre Kraft enthält: was uns blüht, weil über Identität gewissenlos ideologische und kranke Politik gemacht wird. Denn es besteht kein Zweifel, daß in der einen oder anderen und nur "durchschnittlich" abgeschwächterer Form dieselben Folgen auf uns zukommen, wie sie die Zwillinge Brian und Bruce (resp. Brenda resp. David) Reiner in Kanada, die am 22. August 1965 geboren wurden, erduldet haben.

Aufgrund eines schrecklichen Zwischenfalls in einem Krankenhaus hatte der damals zweijährige Bruce Reimer seinen Penis verloren. Die (typisch für die damals über die "Popularwissenschaft" aufkommende, ihre heute groteske Auswüchse annehmende Wissenschaftsgläubigkeit) Eltern hatten einen Fernsehauftritt des australischen Psychologen Dr. John Money verfolgt, in welchem dieser glaubhaft machte, daß einerseits das Geschlecht keineswegs über Geschlechtsmerkmale determiniert sei, anderseits diese Geschlechtsmerkmale operativ problemlos angepaßt werden könnten. Die Eltern kontaktieren den Arzt, und dieser machte ihnen Hoffnung, ja versicherte ihnen: daß er über "Umerziehung" den Buben (der durch seinen fehlenden Penis ohnehin kein Mann sein würde) zu einem Mädchen machen würde. Der Fall war das fehlende Beweisglied in der Kette der Theorien Dr. Money's, und er nahm sich sofort der Zwillinge an. Einer sollte als Mann, der andere als Frau erzogen werden.

Denn bislang hatten Money und seine Kollegen nur "Intersexuelle" Kinder als Beobachtungsobjekte zur Verfügung, Kinder also, die beiderlei Geschlechtsmerkmale an sich trugen. Der verunfallte Bub schien auch deshalb so perfekt als Experimentierobjekt geeignet, weil er ein Hauptidentitätsmerkmal (laut Dr. Money) des Mannes, den Penis, nicht (mehr) hatte. Ohne seine Hoden konnte er nun ja auch kein Testosteron mehr produzieren.

Es sollte ein Sieg der Wissenschaft über die Natur werden. Und die Eltern waren einverstanden, ab nun ein Mädchen großzuziehen. Sie nannten das Mädchen (auf Vorschlag von Dr. Money) in Brenda um, kleideten es als Mädchen, und folgten auch sonst den strikten Anweisungen des Psychologen. Vor allem der, daß der Geschlechtswechsel in dem Moment scheitern würde, in welchem sie dem Kind die Wahrheit sagen würden.

Fortan kleideten sie das (auffallend hübsche) Kind als Mädchen, versuchten es für typische Mädchenspiele zu interessieren, ließen ihm lange Haare wachsen, und suchten einmal im Jahr Money zur begleitenden Beobachtung auf. Erschütternd das Interview Dr. Money's mit Bryan und Brenda, als diese sechs Jahre alt waren, und das als Beweis der Theorie der Geschlechtsneutralität verwendet wurde: Brenda zeigt bekenntnishaft als typisch weiblich gesehene Charaktermerkmale. "Bryan fights back, I run away, because I am the girl, he is the boss, the boy."

Dr. Money verkündete nun weltweit, daß sein Experiment erfolgreich verlaufen sei und beweise, daß ein Geschlechterwechsel jederzeit möglich, Geschlecht also anerzogen, nicht angeboren sei. In dem vielgelesenen "Man and boy - woman and girl" schrieb er, daß die Theorie der Geschlechtsneutralität bewiesen sei.

Während sich Dr. Money weltweit feiern ließ, zeigten sich in der Familie der Reimer's in Kanada aber längst andere Tendenzen. Brenda begann plötzlich, sich zunehmend spezifisch männlich zu benehmen. Für die Eltern, aber auch für die Umgebung des Kindes wurde immer offensichtlicher, daß Brenda kein Mädchen war.

In einem Interview mit Brenda Reimer im Jahre 2000 erzählt dieser, daß er nur mit typischem Mädchenspielzeug aufgewachsen war, und nur die "Großzügigkeit" seines Bruders habe ihm ermöglicht, auch mit Bubenhaftem aufzuwachsen: sein Bruder habe ihm gestattet, auch mit seinem Spielzeug zu spielen.

Diese Probleme der Gegenwehr Brenda's müßten Dr. Money bekannt gewesen sein, bereits bevor er sich als Wissenschaftler feiern ließ - und der BBC-Beitrag geht der Frage nach, wieweit er nicht unredlich nur seine Theorien stützende Beweise publiziert, die aber schon bald nach Beginn des Experiments Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre zunehmend auftauchenden Probleme aber verschwiegen habe. Dr. Money begann seine Therapie nämlich in jener Zeit bereits zu forcieren und zu spezifizieren: während das nunmehr achtjährige Kind die Geschlechtsunterschiede ausschließlich an Merkmalen wie "lange Haare", "Kleidung" festmachte, aber Probleme mit der Identifikation als Mädchen und Frau hatte, lenkte der Mann seine Aufmerksamkeit auf die primären Geschlechtsmerkmale. "Have a look between Your legs!"  Es sei damals, so ein Schüler Dr. Money's später im Interview, die erschreckenden Details der Vorgangsweise verteidigend, einfach Stand der Psychologie als Wissenschaft gewesen, sexuelle Identität an Geschlechtsmerkmalen festzumachen.

Um das Mädchen dazu zu "zwingen", seine Identität als Frau anzunehmen, zeigte er dem Kind unter anderem Bilder von Frauen bei Geburtsvorgängen. Als das alles nicht den Widerstand des traumatisierten achtjährigen Kindes gegen die Akzeptanz einer weiblichen Identität brach, blieb die Ultimo Ratio die Schaffung der äußeren Geschlechtsmerkmale: die operativ-kosmetische Herstellung einer Vagina.

Brenda war aber von dem Gedanken allein bereits schockiert, und fürchtete sich - wie der junge Mann 2000 im Interview erzählte - nicht nur, sondern hatte das Gefühl, durch solche Aussichten schwer beschädigt zu werden. Dem Arzt schien aber die Zeit davonzulaufen - sein Referenzexperiment drohte zu platzen: Brenda wollte sich einfach nicht mit einer weiblichen Identität abfinden. Und er verschärfte seine Methoden ...

Ab hier, so BBC, gäbe es keine Sitzungsprotokolle etc. mehr, ab hier würde man nur noch auf die Berichte der Zwillinge selbst zurückgreifen können. Die davon berichten, wie sie der Arzt zwang, sich auszuziehen, um aneinander die Unterschiede festzustellen, er sie photographierte, und die Bilder ans Kinsey-Institut zum Beleg seiner Theorien weiterleitete.

Brenda wuchs völlig vereinsamt, ohne Freunde in Schule und Freizeit, auf, wurde zum Problemkind. Trotz all der Bemühungen, konnte der Heranwachsende sich mit Frauen, Mädchen, der Mutter, nicht identifizieren, und empfand seine gesamte Lebenssituation als schrecklich. Aus schulischen Belegen läßt sich nachvollziehen, wie unglücklich das Kind war, wie es sich nach "Sonne" sehnte, nach "jenem Tag" an dem sie aufging, wie es sich aber vor einer Zukunft in bisherigen Bahnen fürchtete.

1978, Brenda war 13 Jahre alt, wollte Dr. Money sie noch einmal überzeugen, sich eine Vagina operieren zu lassen. (Film: Teil IV) Dazu bediente er sich auch eines "echten" Transsexuellen. Das protokollierte Gespräch brach der Teenager aber energisch ab - er wollte von einer solchen Operation, die auch weitere Mediziner und Wissenschaftler als "vernünftigen Weg" befürworteten, nichts wissen. Dazu sollte der Transsexuelle eine "positive Identifikation" ermöglichen. Brenda aber wandte sich an ihre Eltern: sie würde sich umbringen, wenn sie Dr. John Money noch einmal treffen müßte.

Aus Angst vor dem angekündigten Selbstmord, brachen die Eltern ihr Schweigen - und erzählten der 13jährigen die Wahrheit. Und während es für ihren Zwillingsbruder ein Schock war, fühlte Brenda sich erstmals in ihrem Leben ... glücklich, und erstmals konnte sie sich in so vielem verstehen. Brenda nannte sich hinfort "David", und wollte endlich ein Bub, ein Mann sein. Er suchte und fand erstmals Freundschaften, und ließ sich operativ einen Penis formen, blieb aber ohne Zeugungskraft, die er als Kind verloren hatte.

Während aber David's Leben endlich normal zu werden begann, begann sich bei seinem Bruder Bryan, der nicht damit fertig wurde, daß er anstatt einer Schwester einen (Zwillings-)Bruder hatte, Schizophrenie zu entwickeln.

Dessen ungeachtet, publizierte Dr. Money weiterhin diesen Fall als "Erfolg" und Erweis seiner Theorie der Geschlechtsneutralität: Der Fall beweise, daß man einen Jungen als Mädchen aufwachsen lassen, zur Frau erziehen könne. Auf seine Theorien beziehen sich der spätere ganze Rattenschwanz an Gender-Theoretikern beginnend bei Elisabeth Badinter bis zu Kate Millett, der Klassikerin darunter, mit ihrem "Sexus und Herrschaft", oder Ernest Bornemann ("Das Patriarchat"), die diese These längst als gegeben weil "bewiesen" setzen.

Als David von der Unverfrorenheit Dr. Money's erfuhr (ihn als "gelungenes Beispiel der Genderneutralitätsthese" anzuführen), beschlossen er und sein Bruder Brian, an die Öffentlichkeit zu gehen, um andere vor denselben traumatischen Erfahrungen zu bewahren. Aber Brian's geistige Gesundheit verschlechterte sich - wohl in Zusammenhang (so BBC) weil zeitlich zusammenfallend mit dem Gang an die Öffentlichkeit - definitiv, seine Schizophrenie ausbrach. Am 1. Juli 2002 brachte sich Brian schließlich um, obwohl nicht sicher gesagt werden kann, ob die Überdosis an Medikamenten, die er einnahm, nicht ein Versehen war.

Aber auch David (resp. Brenda resp. Bruce) kam mit seinem Leben kaum klar. Er fand kaum noch Arbeit, und schwer litt er vor allem auch daran, daß er seine Frau "nicht glücklich machen" konnte. Und am 4. Mai 2004 brachte sich auch David mit einer Schrotflinte ums Leben.

Die Eltern machten schließlich Dr. Money dafür verantwortlich, der sich aber von jeder Schuld freisprach und die Schuld für das Scheitern des pädagogischen Experiments den entsprechenden Fehlern, der mangelnden Konsequenz der Eltern in die Schuhe schob. Und natürlich fehlt es nicht an Verteidigern. Dr. Money habe, so der Tenor mancher Kollegen, "nach dem Stand der Wissenschaft korrekt" gehandelt, und nach damaligem Stand der Dinge "sein Bestes" getan. Andere meinen, er hätte spätestens posthoc zugeben müssen, daß sein Experiment nicht "funktioniert" ("that it didn't work") habe - und das sei sein ethisches Versagen gewesen.

Tja, das ist wohl genau das Problem: daß man das allen Ernstes so sieht, und nicht als prinzipielles Problem, das viel grundsätzlichere Fragen heutiger vorgeblicher Wissenschaftlichkeit aufwirft, auf die sich eine Politik beruft, die in Wahrheit Spielwiese kranker, zumindest (auch: selbst)schwacher und verantwortungsloser Charaktere ist. Die ihre Entscheidungen zu Zustimmungen zu Entwicklungen, zu Getriebenheiten durch Faktenzwänge macht, aufbereitet von rationalistischen Controllingabteilungen, die Denken längst von Erkennen und Gestalten losgelöst, zu einem reinen Vorgang mathematischer Zwänge und deren fanatischer Umsetzung gemacht haben - was dann angeblich Wissenschaft ist.

Auch wenn heutiger Feminismus der "zweiten (oder, je nachdem: dritten) Generation" von solchen Neutralitäts-Thesen zu distanzieren behauptet, also Unterschiede in den Geschlechtern selbst zum einen, unleugbare spezifische Wesensmerkmale zum anderen begründet zugibt, so lügt er, bleibt er in Wahrheit dieser Bedeutungslosigkeit der Gestalt zutiefst treu und in sich widersprüchlich, zurückgewiesen auf seine wahre Herkunft: in Charakterdeformationen. Denn er reduziert Geschlechtsidentität zum letztlich identitätsneutralen Spielwiesenphänomen, dem - je nach Beliebigkeit - Stand, Stellung und Aufgabe in der Gesellschaft frei zuordnenbar, nie aber kulturell institutionalisiert (und damit nämlich erst wirklicher, nicht positivistisch zu setzender Persönlichkeitsbestandteil) werden. Während die Gesellschaft die Aufgabe habe, die Folgerungen aus dem jeweiligen So-Sein zu übernehmen, wenn sie deren Nutzen wünscht, zugleich aber jede Betätigung zu entschränken. Wie die Entkoppelung von "Sexualität" hier, "Nachwuchs" dort, von "Nachwuchs" hier und "Aufzucht" dort etc. etc. zeigt. Und während Identität "je nach Person" frei (und täglich) zu definieren bleiben müsse, um sich von jeder wirklichen Verantwortlichkeit zu absolvieren.

Das in dieser BBC-Dokumentation aufgerollte Beispiel dieses Wahns aber demonstriert, daß geschlechtliche Identität eine zutiefst im Dasein eines Menschen an sich grundgelegte, und zum Entfaltungsauftrag definierte Weise des Menschseins (man kann nur Mensch "als ..." sein, es gibt kein "neutrales Menschsein", wie das unter anderem die "Neue Mann"-Theorien bis heute behaupten) ist. Die auch mit einer bestimmten Art des Lebens, mit bestimmten Aufgaben zusammenhängt, die ebenfalls nicht von ihrer Art der Bewältigung zu trennen sind. Und gleichermaßen wird demonstriert, in welchem Ausmaß eigene geschlechtliche Identität die Identität der Umwelt fundamental stabilisiert - oder die Auflösung der eigenen Identität die der anderen mit auflöst. Was die Dramatik heutiger Gender-Politik gar nicht genug beleuchten kann: Denn damit wird die wahrscheinlich bisher größte und weitreichendste Attacke auf das Menschsein überhaupt durchgeführt, die schwerste psychische Schäden nach sich ziehen wird, ja dies längst tut. Und das Menschsein in der Welt überhaupt infrage stellt.






















*281209*