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Samstag, 2. November 2013

Bedeutung der Offenbarung

Der Mensch, schreibt Heinrich Beck, steht in seiner Situation vor Gott in einer ähnlichen Situation, wie vor einem anderen Menschen: Man kann viel vom anderen ahnen, man steht aber immer vor einem unbekannten Wesen. Hineingespannt in ihn, aber stumm, bleibt man in sich.

Erst wenn sich der andere offenbart kann man an seinem Innenleben teilhaben. Erst dann gehen einem seine menschlíchen Werte, sein Charakter, seine Liebe, seine Erkenntnisse, seine geistige und wesenhafte Schönheit auf, erst dann kann man an alledem teilnehmen. Alles andere Rückschließen auf ihn ist nur spuren- und gleichnishaft erschlossen.

Erst durch diese Selbstoffenbarung des anderen zieht er mich in seine, bei Gott: in die absolute Schönheit und Wirklichkeit hinein, erschließt er mir diese Dimension. Erschließt Gott in dem Maß, in dem er es zuläßt und zuteilt, die Dimension der absoluten Wirklichkeit. Alles menschliche Denken und Erkennen endet an dieser Grenze, er kann sie aus sich heraus nicht überschreiten.

So, wie ich am Leben des anderen nur teilhaben kann, wenn er es durch Selbstoffenbarung zuläßt. Sie Selbstoffenbarung eines Menschen in seinem äußeren leiblichen Erscheinungsbild verhält sich zur unmittelbaren Selbstoffenbarung im Wort (bei den Propheten des Alten Testaments beginnend, bis zur endgültigen Vollgestalt in Jesus Christus, Gott selbst) so, wie sich die Selbstoffenbarung Gottes im "Spiegel und Gleichnis" der Welt zu uns verhält. Was in Bild und Gleichnis noch vieldeutig und dunkel angedeutet bleibt, erschließt sich im Sinn erst durch die Selbstoffenbarung.

Verhält sich das menschliche Erkennen in reiner Haltung und Selbstüberschreitung* (also: frei), so wird also die Offenbarung auch jede irdische Gewißheit, jedes irdische Wissen stärken, erhöhen und im Sinn ausdeutend erweitern. Beide verweisen auf sich gegenseitig. Sodaß wie in einer spiraligen Entwicklung das eine das andere steigert und weitertreibt.

Oder aber sie widersprechen sich.

Insofern also Christus - "Wer mich sieht, sieht den Vater" - an der absoluten Tiefe und Herrlichkeit Gottes teilhat, vermögen wir, indem wir an Christus teilhaben, an Gott teilhaben. Indem wir ihn mit den (weil durch die) Augen Christi sehen.

Wieder in einem Beispiel: Ein Kind vermag die Gefährlichkeit einer Klettertour nicht richtig einzuschätzen. Indem es aber dem Vater und seiner ihm überlegenen Erkenntniskraft glaubt, nimmt es an der Wirklichkeit dieser Klettertour erst teil, und vermag sich gemäß einem zutreffenderen und wirklichkeitsnäheren Urteil zu verhalten.**




*Hier ist der Ort, wo wir es mit den Fragen des Zustands einer Kultur, der Rolle der Wahrheit und Wahrhaftigkeit in ihr zu tun haben.

**Zu glauben engt also nicht ein, wie man oft hört, sondern erweitert, befreit aus den Grenzen unserer momentanen Zuständlichkeit und erweitert, erhebt uns zur Teilnahme an einem unsere Natur übersteigenden Standpunkt.

Aus diesen Verweisungen läßt sich weiter folgern, daß das Urteil "was" wir inhaltlich glauben, uns selbst gar nicht möglich ist. Wir können das Offenbarte im strengen Sinn nur annehmen. Die "Selbstbedienungsreligion", die methodischen Ansätze, mit denen wir es heute zu tun haben, sind also ein Aporie, eine Unmöglichkeit "als" Religion. Sie sind selbst keine.




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