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Sonntag, 17. November 2013

Falle der Selbstauflösung

Wer falsch lebt, also an der Wahrheit und Wirklichkeit seines Lebens vorbeigeht, hat nur die Wahl, entweder an den Spannungen zwischen Ich und historisch verhangenem Selbst zu zerbrechen, oder zu versuchen, sich das Urteilen abzugewöhnen, diesen Impuls dauerhaft zu unterdrücken - zu vergessen.* Denn das Gedächtnis bewahrt nur, was Wert hat und hatte. Nur das positiv Bewertete bleibt über die Zeit hinaus. 

Die Lüge versucht ja, den Wert einer Sache zu verfälschen. Und sie tut es durch Verfälschen der Erinnerung, vorzugsweise durch Vergessen. Nur so kann sie verhindern, daß sich das Ich der Wirklichkeit stellen muß. Denn dieses Ich sucht - im Geist - das Allgemeine hinter der Vielfalt der Erscheinungen - ihren Geist.

Sittlichkeit bedeutet also, über den historisch-relativen Wert einer Sache hinaus ihren absoluten Wert zu finden. Eine Forderung, die aus der Natur des Ich hervorgeht, das dem historischen Faktischen des Erlebens gegenübersteht. Das nur in dieser Absolutheit Konstanz und Beständigkeit finden kann. Denn verfangen in das Historische, Zufällige, hat das Selbst keine Dauer, vergeht wie das Zeitgeschehen. 

Konstanz, Dauer, Unsterblichkeit liegt nur im Geist.

Der Lügner, der seine Lüge aufrecht halten will, verliert mit der Zeit also auch sein Selbst, er löst sich auf.




*Das zeigt die fundamentale Bedeutung der Reue und der Beichte als absoluter Vergebung (DURCH das Sein), als Rückführung zum Nullpunkt der Menschlichkeit! Es geht nicht darum, zuerst zumindest, mit allen Mitteln keine Fehler zu begehen. Wer das glaubt, lebt erst recht im Fehler. Es geht darum, immer wieder einen Ansatzpunkt zum Neubeginn zu finden und zu wissen. Und den kann man sich nicht (in toto) selbst geben, man kann ihn nur vorbereiten (Schuld zu verarbeiten hat nur ganzen Sinn, wenn der andere bereit und fähig ist zu vergeben; niemand kann sich von seiner Schuld selbst freisprechen). Und das setzt voraus, sich dieser verfehlten Lebensweise in gewisser Hinsicht (und sei es nur für wenige Minuten oder Stunden) zu entheben. Damit aber hebt er auch diese Spannung wieder auf, und er kann zum absoluten Wert zurück. Er landet nicht in der Zwiespaltung.

Jemanden wegen seiner Fehler und Vergehen zu verachten zeigt deshalb nichts als die eigene Unfähigkeit, diesen Neuanfang zu setzen - mangels Begreifen der eigenen Fehlbarkeit als Teil der faktischen menschlichen Natur. 

Das zeitigt aber auch eine andere Folgelogik: den Unsinn des Satzes, daß jemand mit homosexueller Neigung so lange gerechtfertigt sei, als er sich "sexuell nicht betätige". Denn die homosexuelle Neigung und Empfindung ist selbst das Anzeichen eines (tieferen) Vergehens, das damit scheinbar unangetastet bleiben darf. Wer aber davon nicht befreit werden will (unabhängig, ob er wieder fällt, so wenig jemand das wünschen darf, es muß das Verhängnis bleiben, das es objektiv ist) und sich abstrakt "als Homosexuellen" begreift, "der nun  mal so ist", ist der Vergebung gar nicht fähig. Homosexualität kann also in gewissen Hinsichten zwar ein schweres Kreuz sein, aber sie ist als Form der Neigung der Selbstverfehlung selbst das Problem, nicht einfach "ihre Betätigung". Ähnliche Motivkonstellation hat ja das Problem der "wiederverheirateten Geschiedenen" als Gewissensproblem. 


 


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