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Dienstag, 26. November 2013

Zum Beruf des Schauspielers

Die Tuchent ist nur an einem Ende gelüftet, aber irgendwo muß man ja anfangen ... Aus der Lehrerfahrung des Verfassers dieser Zeilen scheint ja die Mythologisierung, die Phantastisierung des Berufs des Schauspielers unausrottbar und unendlich, zur Hysterie gesteigert. 

Aber das Sehen, Hören, Reflektieren der Meldungen von sechs aktuell gefragten Regisseuren im Film kann einiges beitragen, die verfehlten Vorstellungen, von denen vor allem eines lebt: die Industrie der Träume, die Industrie jener, die von den aberwitzigen, lächerlichen und schauderlichen, noch  mehr aber tragischen, so furchtbar zeitsymptomatischen (und damit sehr wohl allgemeinen - denn im Wunsch nach dem Schauspielerberuf drückt sich heute zumeist nur die Narretei der Zeit aus) Fehlvorstellungen über den Beruf selbst leben und zu leben versuchen, indem sie neue, nächste Mythen (schon gar über die angebliche Rolle der neuen Medien dabei) in die Welt setzen und stärken.

Herrschaften - Hirn einschalten, Hausverstand benutzen, und vor allem das gewinnen, was Max Reinhardt dazu bewog, einen Ausbildungslehrgang zu überlegen, in dem einem halben Jahr ERFAHRUNG auf der Bühne jeweils ein halbes Jahr LEBENSERFAHRUNG unter existentiellen Bedingungen (d. h. abhängig von der Hände Arbeit, ohne reiche Mutti oder warme staatliche Geldduschen): Ahnung, wie das Leben selbst funktioniert, sofern man das Wort hier anwenden kann. Weil Leben nie funktioniert. Immer nur gelebt werden kann. Weil aber Film nicht weniger Leben und Wirklichkeit (und Realität; das Deutsche kennt hier eine Unterscheidung) ist, als das Leben des Franz Furzelmeier in Stösselbrück.

Für angehende Schauspieler also auf jeden Fall ein empfehlenswertes Programm: 5 Interviews mit 5 Regisseuren, vom Deutschen Bundesverband der Film- und Fernsehschauspieler (BFFS) beim Filmfest Hamburg 2013 geführt bzw. aufgenommen. Ein Appell an den Realismus in Film und Schauspiel generell, damit möglicherweise für alle heilsam, die mit dem Metier zu tun haben. Es gibt keine Methode "es zu schaffen".

Ein Rezept? Die Widerlegung von Rezepten? Nein. Der Aufruf, auf den eigenen Verstand, das eigene Gefühl, das eigene Herz mutig zu bauen, das das Tun will, nicht den Effekt. Denn es gibt keine Rezepte. Schon gar nicht welche, die Geld kosten. Nur Dinge, die am eigenen Weg liegen, den nur der findet, der ihn bereits geht. Und den kein Fördersystem der Welt - und keine Schule - je vermitteln oder gar machen kann. Die nur ein Kriterium kennt: radikale Existentialität, die vom Tun alles erwartet.




Nicht weniger sehenswert: die Interviews aus 2012. Heute werden (in Deutschland) jährlich kaum noch 170 Filme gedreht. Die Hälfte von 1990. Wo sollen da all die tausenden (!) Schauspieler unterkommen, die heute "ausgebildet" werden, Schulen und Institutionen absolvieren? Wo all jene, die glauben, ein Youtube-Video würde ihre Genialität beweisen, die ihnen einen Rang á la "Brad Pitt" zuweisen würde? Ja, gerade die Präsenz in Filmen kann kontraproduktiv sein. Weil etwa eine überzeugende Darstellungen gleichermaßen die Gefahr birgt, auf diesen Typus reduziert zu werden. Es gibt kein System, kein Rezept, keine Methode. Es gibt nur persönliche Wege. Nicht einmal Produzenten können im derzeitigen Wind überleben. Aber gerade in solchen Zeiten, wo die Tagesdrehzeit auf 7-10 Minuten Filmprodukt steigt (statt früher 1-2) wird die Seele, die Persönlichkeit der Schauspieler immer bedeutender. Und gerade die kann man nicht machen und nicht lernen. Gerade das, was oft zu "lehren" versucht wird, was als am ehesten noch lernbarer betrachtet werden kann, wird also immer unbedeutender. Hier ohnehin selbstverständlicher, dort ohnehin nur in der Praxis zu gewinnen. Es gibt es nicht, das "Neue", auf das die perversen und vertrottelten Fördersysteme abzielen. Die Geschichten sind immer die selben Topoi, die erzählt werden, solange es Menschen gibt. Menschen.

Auch heute ist im selben Maß wahr, was vor 3000 Jahren wahr war. Es haben nur die Kostüme gewechselt, die Verflechtungen, unter denen die ewigen Geschichten der Weltwerdung verborgen sind, aus dem sich begreifen läßt. Und das Interessante dabei ist: Die Menschen wollen sie hören, diese selben Geschichten, immer noch, ja, wollen sie finden unter der Wirrniss des faktischen Lebens. 






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