Eine nicht schon vorher religiös-philosophisch zu Gott hin aufgelichtete Welt ist nicht bereit und bereitet,einen sich übernatürlich offenbarenden Gott aufzunehmen; Gott hat für seine Offenbarung nirgendwo einen Anknüpfungspunkt, wenn nichts in der Welt auf ihn hinzuweisen scheint, und niemand könnte es dem Menschen verargen, wenn er den sich offenbarenden Gott dann als einen fremden Eindringling betrachtet. Der Mangel an natürlichem Erfassen der Welt wirkt sich also deswegen für die konkrete menschliche Existenz als ungesunde und unerträgliche Spannung aus, weil der Glaube vor der in die Welt verschränkten Vernunft ohne Berechtigung und Verantwortbarkeit dastünde.
Der Mensch, schreibt Heinrich Beck in "Der Gott der Weisen und Denker", ist nur sinnvoll, wenn die Welt selbst bereits auf Gott hin aufgeschlossen ist - als Schöpfung begriffen wird, in der damit folgenotwendig auf den Schöpfer, auf ihren Ursprung geschlossen werden kann. Welt als Analogie, als Gleichnis Gottes also, als Portal. Wobei Gott selbst niemals direkt erkannt werden KANN, das ergibt sich aus seiner Unendlichkeit - dem Sein als Ursprung alles Geschöpflichen, im Akt der Liebe hervorgetrieben in die Welt des Seienden, und von dort her wieder zurückgebogen in ihn. Der Mensch krankt an existentieller Schizophrenie, wenn er das Übernatürlich von der Welt trennt, quasi zwei Welten des Erkennens postuliert. Es widerspricht seiner natürlichen Art des Erkennens!
Also ist es notwendig, daß unser natürliches Erkennen durch die Welt hindurchreiche und Gott wenigstens gleichnishaft eingehüllt berühre, damit wir überhaupt für den sich übernatürlich offenbarenden Gott aufnahmefähig seien. Wer Gott nicht schon durch die Welt hindurch berührt hat, kann auch nicht hoffen oder ersehnen, er möge sich noch weiter (über die Bezeugungskraft Welt hinausgehend) offenbaren, er möge noch mehr von sich mitteilen, als bereits durch die Welt hindurch von ihm offenbar geworden ist; eine solche Hoffnung hätte keinerlei Anknüpfungspunkt, da ihr "Objekt", nämlich Gott, ja noch in keine Weise bekannt wäre; man wüßte ja überhaupt nicht, was und von wem man etwas erhoffen und ersehnen sollte.
Eine Welterkenntnis die ohne Gott auszukommen versucht, muß zwangsläufig eine begrenzte und mangelhafte Sicht der Welt selbst sein, weil sie ihr Eigentlichstes - im Sinn überhaupt - übersieht. Weil daraus hervorgeht, daß eine Welterkenntnis im Maß der Gotteserkenntnis wächst, beides untrennbar ist.* Gleichzeitig betrifft dies auch die "nur" natürliche oder philosophische Gotteserkenntnis, die ohne das übernatürliche Licht selbst dunkel und schattenhaft bleiben muß.**
Umgekehrt hat Glaube und übernatürliche Offenbarung nur Sinn, wenn sie die Vollendung einer natürlichen Gotteserkenntnis ist. Als noch deutlichere und vollendetere Enthüllung des vorher und immer schon unter der Gleichnishülle der Welt und der Dinge natürlicherweise bekannten und gekannten Gottes. Je lebendiger diese natürlich-religiöse Gotteserkenntnis ist und je gründlicher sie philosophisch durchgeklärt ist, einen desto fruchtbareren Acker wird mithin auch der Same der göttlichen Offenbarung im natürlichen Leben des Menschen finden.
*Wir sprechen hier von sehr realen Dingen. Die rationalistische Sicht der Welt, die heute so umfassend und allgemein wurde, ist die Ursache für die zunehmende Ratlosigkeit in allen konkreten Lebensfragen zum einen, und für die Erblindung der Wissenschaften über weite Felder zum anderen. Glaube (bzw. religiöse Wahrheit) ist kein "surplus", das dem Leben einen "Kick" gibt, wie Zuckerstreusel am Kuchen, sondern eine existentielle Dimension, die alle Lebensbereiche durchwirkt.
**Daraus geht auch hervor, daß es keinesfalls gleichgültig ist, welcher Religion jemand angehört, "was" er glaubt. Nicolaus von Kues, Cusanus, hat es einmal so formuliert: Was immer hell an anderen Religionen ist, ist im Christentum ohnehin enthalten. Jede andere Religion hat in sich einen fundamentalen logischen oder/und menschlichen Fehler, und das ist nachweisbar.
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