Es ist ein Schlüsselgedanke, den E. Michael Jones vertritt und immer wieder ausbaut. Indem er die These vertritt, daß es eine ganz unglückselige Entwicklung war, die die Kirche nach dem Zweiten Weltkrieg in eine seltsame Allianz mit dem Westen trieb. Sie hat sich dadurch für den Amerikanismus und den Anti-Kommunismus instrumentalisieren lassen. Und wer diese Zeit erlebt hat, weiß, daß da viel Wahres dran ist. Jones wirft dabei vor allem auch Johannes Paul II. vor, daß er - so wie mittlerweile alle Päpste - seinen privaten Hintergrund mit dem Amt nicht auseinanderhielt.
Auch dieser Papst* hat die Kirche im Kampf gegen den Kommunismus instrumentalisiert, was zu fatalen Fehlentscheidungen führte. Bei denen nicht die Doktrin, kirchliche Notwendigkeiten alleine zählten, sondern diesen wurde zugunsten einer Verwendbarkeit gegen den Kommunismus ausgewichen. Das montenegrinische Medjugorje ist ein Beispiel dafür, in dem der Papst die katholische Kirche am Balkan gegen den Kommunismus instrumentalisierte und eine klare Entscheidung vermied, obwohl die Ortskirche sehr rasch und eindeutig zu Urteilen gekommen war. So hat man dieses mehr als fragwürdige Phänomen als antikommunistische Stoßlanze großgezüchtet und kämpft nun mit der Handhabung eines grotesken Phantoms.
Aber dieser Kerngedanke hat weitreichende weitere Implikationen, denkt man ihn fort. Denn für die Welt (speziell mit nicht-westlichem, nicht-christlichem Hintergrund) entstand nach 1945 eine Identifikationslinie Kirche - Christentum - amerikanischer Protestantismus (mit seinem absurden Sendungsgefühl) - US-Politik - US-Kapitalismus bzw. verwestlichte, konsumistische Lebensformen. Mit einem Wort: Moderne. Das hat große Bedeutung.
Das hat sie zuerst einmal für die Kirche selbst, die seit Jahrzehnten und vor allem seit dem Zweiten Vatikanum sogar selbst schon von "Trennung von Kirche und Staat" spricht, um sich irgendwie aus der Affäre zu ziehen. Aber plötzlich gibt sie die societas perfecta auf, gibt ihren Auftrag auf, die eigentliche vollkommene Civitatis Dei zu sein, die Matrix jeder menschlichen Gesellschaft, was in Wahrheit also gar nicht zu trennen. Das ist nur auf den ersten Blick ein Widerspruch zur obigen Aussage. In Wirklichkeit ergibt sich daraus die Pflicht, zu jedem konkreten politischen System auf Distanz zu gehen, und vor allen nur eines: die Gleichförmigkeit zur Civitas Dei als einzigen Weg zum Gemeinwohl einzuforden.
Wenn man heute von einer Christenverfolgung riesigen Ausmaßes spricht, so mag das manchen schmeicheln. Aber gerade diese Vokabel wird von den USA politisch mißbraucht. Denn es nützt ihren Interessen, und vor allem den Interessen ihrer Kapitalien, weil es wieder die in Wahrheit tief religiös verstandene amerikanische Politik mit dem Christentum selbst gleichsetzt. Ja, damit ist sogar noch der (zutiefst protestantisch-puritanisch-presbyterianische) Amerikanismus gewissermaßen durch "Märtyrertum" repräsentiert und gar als Heilstat abgesichert. Weil natürlich ein von Gott direkt Auserwählter gar nie irren kann.
Aber ist es wirklich heute so einfach von Christenverfolgung zu sprechen? Ist es tatsächlich so einfach zu erkennen? Werden hier wirklich immer Christen ALS Christen verfolgt? Oder werden nicht Westler verfolgt, die eine fremde technizistische Konsumkultur der Moderne implementieren wollen, und das auch noch mit göttlich unfehlbarem weil religiös interpretiertem Auftrag drapieren?
In Wirklichkeit wehren sich nämlich Länder wie Indien - das derzeit von einer tsunamiartigen Verwestlichungswelle überschwemmt wird - oder weite Teile der muslimischen Welt gegen eine Verwestlichung. Die ja zugleich den Abschied von ihrer traditionellen Lebensweise bedeutet und Strukturen auferlegt, die dem Religionsverständnis sogar der Kirche widerspricht. Und das sehen natürlich vor allem die Verwurzelten - und das sind die religiösen Menschen!
Aus der erwähnten historischen Identifikationslinie aber ergibt sich für sie aber längst eine Gleichstellung von Christentum und Amerikanismus. Der Haß wendet sich also gegen die als Christen identifizierten und selbst so auftretenden Westmenschen. Heute glaubt doch wirklich schon jeder Westmensch, daß seine Vorstellungen von Demokratie und "Toleranz" mit dem Christentum selbst gleichzusetzen sind. Auch in der Kirche wimmelt es von Narren, die einen oft genug gar völlig verschwommenen Begriff von westlicher Demokratie mit Christlichkeit gleichsetzen.
Es ist also sehr schwer zu unterscheiden, wo es sich wirklich um Martyrium aufgrund des Bekenntnisses zu Jesus Christus handelt, wo also wirkliche Christenverfolgung stattfindet, und wo es zwar auch nominell Christen sind, die man verfolgt, mit denen man aber die aggressiv vordringende westliche Lebensweise (mit den Fahnen Demokratismus - Kapitalismus - Konsumismus) meint. Was noch einmal schwieriger wird, wenn man bedenkt, daß der amerikanische Protestantismus - das Quäkertum, das Presbyterianertum, der Calvinismus, etc. - tatsächlich westlichen Wohlstand gewissermaßen zum religiösen Bekenntnisträger macht. Noch einmal schwieriger, weil das Bekenntnis eines solcherart protestantischen "Christen" in seinem Wert höchst problematisch sein kann. (Kann, und häufig auch ist. Denn der für sie so typische Fideismus ist NICHT einfach GLAUBE.)**
Keineswegs ist es so, daß man ein vollmundig verkündetes "Jesus" einfach so mit einem Bekenntnis zum inkarnierten Gottessohn gleichsetzen kann. Keineswegs ist es so, daß der Haß auf die Christen ein Haß auf Jesus ist. Er ist häufig einfach ein (mehr als verständlicher) Haß auf brutales Proselytentum, das mit zugkräftiger, vor allem für die Jugend verführerischer Münze die gewachsene Kultur ignoriert, überlagert und ausradiert. Und sich dabei auch noch als moralisch überlegen und als göttlicher Auftrag positioniert.
Die Sache ist also höchst kompliziert.
*Jones stellt noch etliche weitere "unangenehme" Fragen, auch zu Josef Ratzinger, dem em. Papst Benedikt XVI. Dem er gleichfalls vorwirft, den deutschen Hintergrund nicht abgelegt, sondern als Privatperson gehandelt zu haben - als Deutscher. Aber ein Papst kann auch kein Deutscher sein. Er ist Papst der Kirche, nicht zwei Personen, mal privat, mal im Amt. Denn es war eindeutig sein deutscher Hintergrund, der da sprach, als er anläßlich des "Falls Bischof Williamson" (ohne an diesem Ort auf diesen Fall sachlich näher eingehen zu wollen) meinte, daß "Holocaustleugner keinen Platz in der Kirche" hätten. Ahso, fragt Jones? Huren, Schwule, Verbrecher, Sünder aller Art haben Platz in der Kirche - aber keine "Holocaustleugner"? Seit wann? Haben wir derzeit nicht unausgesetzt dasselbe laufen, wenn sich Bischöfe und Kleriker in Beteuerungen überschlagen, daß "Rechte" oder "AfD-Wähler" etc. etc. "keinen Platz" in der Kirche hätten, ja daß man mit diesen nicht einmal reden wolle? Wir haben hier bereits darüber geschrieben:
Was ist da los? Oder gilt Barmherzigkeit doch nur politisch korrekt und selektiv? Welche Instrumentalisierung (um nicht von Verdummung zu sprechen) ist da am Laufen? Ist hinkünftig nur noch der Katholik oder Christ, der Merkel wählt? Der 'political correct' spricht und für unbegrenzte "Flüchtlingsaufnahme" votiert? Abgesehen von der inhaltlichen Fragwürdigkeit: Ist denn nicht jeder, der sündigt, "nicht Christ" - also auch buchstäblich JEDER, auch der Kleriker, ständig auf der Kippe zum Christentum?
**In diesen Tagen erhielt der VdZ eine (vorgeblich gut gemeinte) Nachricht von Katholiken, für verfolgte Christen zu beten. Es seien etwa da und da "christliche Missionsfamilien und -gemeinden" mit dem Leben bedroht. Seine Antwort: Was bitte schön sind "christliche Missionsfamilien und -gemeinden"? Den aufdringlichen Mormonen gegenüber etwa, die auch hier in Ungarn an allen Straßenecken stehen und "Englischkurse" anbieten, begegnete der VdZ auch nicht unbedingt "freundlich" (wenn auch mit gehöriger Portion Humor, denn es sind hübsche Mädels mit erstaunlicher Bereitschaft zum Schäkern darunter; aber sind das wirklich Christen, nur weil sie mit einer Bibel herumwedeln?).
*240316*