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Donnerstag, 24. März 2016

Filmempfehlung (1)

"No Escape"

Film, ja jede Form der Erzählung ist wie das Leben - eine Metapher, die sich im Traum abspult. Im Kino zu sitzen hat mehr als äußerliche Ähnlichkeiten zum Traum des Schlafes. Film zeigt, wenn er gut ist, ein typisches Geschehen, dem die Ereignisse nur als Maske gelten. Auch darin unterscheidet er sich nicht vom Leben. Das Leben ist ebenso Erzählung, in der das Archetypische, Grundlegende, die Dynamik als Beziehungs-Bild zufälligstes Material heranzieht und vors Gesicht hält, sodaß der Geist dahinter oft schwer und wenn nur über die Handlung erkennbar wird. Während man im realen Leben aber dem Typischen nicht auskommt, weil immer innerhalb einer dramatischen Ausrollung existiert, kann das im Film als menchlichem Werk verfehlt werden.

Oder es wird getroffen. Wie in diesem Film. Der aber aus anderen Gründen als die offizielle Werbelinie fesselt, wie es der VdZ schon lange nicht mehr im Film erlebt hat. "Wie weit würdest Du gehen, um Deine Familie zu schützen?", der offizielle Werbeslogan, greift aber daneben. Darum geht es gar nicht. Und wo der Film doch auf diesen Vorwand zurückgreift, ist er auch am schwächsten und vordergründigsten. Aber er tut es selten, und das Schmalz ist generell dünn - das ja immer dann eben, wenn einem Filmemacher die Hingabe an das Material abreißt, auf einen Film draufgedrückt wird. Als scheinbar kluge Aussage, die es aber dann doch nicht sein dürfte, weil sie eben explizit gemacht werden muß.

Der VdZ sieht eine ganz andere Metapher. Es geht um Grenzen, es geht um die Ganzheit eines Organismus, und das ist hier der Staat, und das ist hier vor allem die Familie. Beide funktionieren ja nach ähnlichen Grundsätzen, so wie jeder Organismus nach selben Grundsätzen funktioniert. Diese Familie siedelt in einen südostasiatischen Staat um. Ganz hintergründig wird bereits nach wenigen Minuten der Ankunft die Bedrohungssituation erkennbar, in die die Proponenten um Owen Wilson geraten sind, aber von diesen nicht sofort erkannt. 

Owen Wilson
Und sehr rasch bricht sie dann aus: Ein Putsch macht den Aufenthalt für (weiße) Ausländer und besonders Amerikaner lebensbedrohlich. Vogelfrei in einem fernen Land, praktisch nur noch von Feinden umgeben, versucht der Mann (Owen Wilson), seine Frau (Lake Bell) und die beiden Töchter zu retten. Und er tut es auf Weisen, in Situationen, die den Zuschauer alle Nerven kosten, weil die Identifikation ausgezeichnet funktioniert: Alle Situationen sind völlig glaubwürdig weil der Realität (oder den Vorstellungen davon, wie die Vorstellung von den Bedingungen in einem solchen fernen Land) entnommen, alles könnte sich so zugetragen haben und sich jederzeit zutragen. Und so ist man dem Drama bald "ausgeliefert" - man leidet alles stellvertretend mit. Was den Figuren passiert, passiert einem selbst, was sie bedroht, erlebt man selbst als Bedrohung.

In dieser allumfassenden Bedrohungssituation, in der kein Quadratmeter mehr Schutz und Sicherheit bringt, niemand mehr vertrauenswürdig ist, jeder Schritt der letzte sein kann, offenbart sich für jeden Organismus die Tragekraft und damit die Sollgestalt des eigentlich tragenden Fundaments. Denn es werden seine Grenzen und damit erst seine Konturen und darin sein inneres Gerüst sichtbar. Nur noch darum geht es dann in einer so umfassenden Notsituation.

Wenn dieses Gerüst - der Bauplan, gewissermaßen - den ersten Grundlagen einer Ehe und Familie (oder eines Staates) entspricht, bleibt das Wesentliche, das Typische, also das Seiend-sein-könnende erhalten. Keine Fassade, kein Außennutzen kann es dauerhaft nachstellen. Das begreift man bald, weil sich zu den äußeren Bedrohungen sehr rasch auch die inneren gesellen. Es steht zu vermuten, daß die Filmemacher das nur aus Instinkt ("Was könnte die Spannung erhöhen? Wir gefährden etwas, das man erhalten haben will!") die Formen ausgereizt und methodisch an diese Wesenseigenschaften der Familie gerührt haben.

Aber das ist in dem Fall gleichgültig. Nicht zum ersten mal war es nur die Form, die aus einer miesen Story eine phantastische Geschichte gemacht hat, ja es ist im letzten immer die Form*. Daß diese Elemente sichtbar werden ist aber im Film selten. Man begreift, daß auch nur ein Funke Ausscheren aus dem alle einen müssenden Ziel alles verloren sein lassen könnte.

Nun, ausgereizt und reduziert auf den bloßen Bestand, muß sich auch diese Struktur bewähren, und wenn man darauf achtet wird einem klar, warum man bald schon deshalb mitzittert, weil keineswegs gesichert ist, daß alle Familienmitglieder sich der Führung des Vaters unterstellen, der aber anders seine Familie nicht retten kann, ja deren Verhalten sogar das Überleben aller übrigen gefährden könnte. Das ist der einzige Weg, wie diese Selbstrettung gelingen kann.


Morgen Teil 2) Nur Unsicherheit kann Strukturen vitalisieren.
+ Von Hitmen. + Der Trailer




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