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Sonntag, 19. Oktober 2014

Logik als Deckung mit der Hervorbringung

Es gibt in der Kunst den Grundsatz, der zugleich Erfahrungssatz ist, daß sich kein Werk beurteilen läßt, dessen Hervorbringung der Betrachter nicht nachvollziehen kann, also kennt. Unabhängig von seinen sonstigen Wirkungen auf einen allfälligen Betrachter. 

Bei Franz von Baader liest sich dies analog zum Erkennen überhaupt. Reales ist nur dann erkennbar, wenn der Erkennende es ideal formieren kann. Weil aber Logik nicht die Lehre von Formen, sondern von der Formierung eines Dings durch den Geist des Logos - der als Formator dient - bedeutet, so ist die Logik eine Formationslehre, und damit Denk- und Sprechlehre. Denn Denken heißt "leise sprechen", so wie sprechen "laut denken'" heißt. Sie ist Vermittlungslehre des ungeschiedenen Inhalts mit dem bereits unterschiedenen und formierten.

Wir können aber überhaupt nur von einem möglichen gedanklichen Erkennen der Welt ausgehen, wenn wir davon ausgehen, daß derselbe Geist des Logos, daß derselbe Formationsprozeß der unsere Gedanken (Sprache) formiert, auch die Dinge als Erkenntnisobjekte hervorgebracht hat.

Logik geht also nach Sinn. Und damit nach dem Wesen des zu Erkennenden, denn dieses enthält den Sinn. Zugleich ist das Wesen das, was ein Ding als Ding begrenzt, es damit in gewisser Weise zum Ding "macht".

Alle Seienden (alle "Dinge", alle "Etwasse") sind also eine Synthese des Alles/Einen mit einer Materia, die erst durch die Form zum Einzelnen (bzw. zum "Vielen"), zum "Ding" (...) wird. Aber das Einzelne ist damit nicht "Alles", sondern es weist nur auf dieses hin. Zugleich ist ein Zerlegen dieses Einzelnen keine Aussage über das Ganze dieses Teils. Es ist selbst ein ganzes "Partiiertes", eher wie ein Organ im Körper vorstellbar, in den Grenzen seines Wesens, und doch auf alles hinweisend. Die Form vermittelt also das Viele mit dem Einen, ist aber nicht dieses Eine in toto, weshalb sie als "Idee" vielleicht besser vorstellbar ist. Form und Materia sind also zwar logisch hierarchisch, Form geht auch der materia voraus, zeitlich sind sie aber simultan. Und sie brauchen eines: einen Akt, der diese Synthese hervorbringt, selbst aber nicht mit ihnen identisch ist.*

Das logische Tun, so Baader, ist also kein leeres formales Tun, sondern es ist das Zentrale und Kreative selbst, und das Nachsprechen ist ein Nachtun. Wahres zu sagen ist also nur möglich, wenn der Sprechende auch im Gestus des Geistes Gottes spricht, also IM Geist Gottes spricht. Denn dieser Geist entzieht sich menschlicher Machbarkeit.

Nur Form aber kann das Viele der Materie zum synthetischen Einen - der realen Gestalt - machen. Logik ist also in ihrer Zielrichtung auf den Logos hingerichtet, dem Einen, in dem alles ist - Gott. Ohne das Einende des Logos aber ist kein Vieles (Materielles) ein Eines (in einer Gestalt als Synthese von Form und Inhalt), und damit - überhaupt. Denn ein Materielles ohne Form gibt es nicht. Logik (Form) hinwiederum ist nur als synthetisierender Akt denkbar. Nur im Nachgehen dieser Akthaftigkeit ist damit Logik überhaupt möglich.

Soll Logik mehr sein als leere Formel, setzt logisches Denken (und Sprechen) entsprechend formierte Sittlichkeit voraus. Weil sie den unbedingten Willen zur (absoluten) Wahrheit voraussetzt, und dieser Wille ist wiederum nur dort gegeben, wo auch der Wille dieser Wahrheit gehorsam zu sein gegeben ist. Während die Angst, diese Wahrheit könnte Konsequenzen haben, die man nicht zu ziehen bereit ist, dieselbe Wahrheit zu verhindern trachtet. Und sei es unbewußt.

Die Logik eines Menschen leidet also exakt dort Not, wo seine Sittlichkeit notleidet, denn Sittlichkeit bedeutet den Willen zum wahren Tun. Und im selben Maß leidet deshalb eines Menschen Schaffenskraft bzw. sein Werk.

Was den Gedanken nahelegt bzw. belegt, daß die Entwicklung der Philosophie (bzw. Metaphysik) mit der sittlichen Gestalt der Denkenden, und damit "allgemeine Auffassung" mit der Gestalt und Kraft einer Kultur direkt zusammenhängt. Man kann an dem, was eine Philosophie einer Zeit zu synthetisieren sucht, in den Logos zurückzuführen sucht, also direkt oder indirekt den sittlichen Gestus einer Zeit erkennen. Was sich in der Philosophiegeschichte hinlänglich belegen läßt.

Während der Versuch, diese Zusammenhänge zu verschleiern oder "formal-logisch" zu zerreißen, durchaus als Versuch gewertet werden muß, von der eigenen Sittlichkeit abzulenken und sich zu rechtfertigen. Es ist der Versuch, sich mit Gebüsch zu tarnen. Wie Doderer es einmal formulierte: So vieler Menschen Reden und Tun ist wie das Erzeugen von Pulverrauch, der verhindern soll daß man sieht, aus welcher Richtung das Geschoß kommt.




*Jede Metaphysik greift zu kurz, die diesen Akt-Charakter des Seins nicht in seiner (ungeschuldeten) Notwendigkeit sieht.




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