Teil 2) Der Traum, Alkohol und Masturbation
Was aber im Zeitlosen bleibt, hat keine Gestalt, und es ist deshalb
nicht (direkt) sinnlich erkennbar. Das im Traum "Gesehene" ist also das
aus der unbewußten Phantasietätigkeit zum nur Gefühlten Hinzugefügte.
Das Wahrgenommene wird durch das Gewußte ersetzt, sieht man von jenen
Bereichen und Fällen ab, in denen sich die reale Alltagswelt - als
Geflecht von Gestalten, von realen Körpern, und damit von Zeit und Raum -
bereits einzumischen beginnt. (Der Mensch bleibt ja auch im Traum
realer, auf einem Bett, in einem Zimmer etc. liegender Körper.) Deshalb
werden die meisten Träume wie in der Dämmerung wahrgenommen, in der sich
ja jeden Tag neu die Welt auszublenden beginnt.
Umgekehrt
braucht der Mensch dieses ungehemmte Aufsteigen des in ihm Wirkenden,
das sich nur sichtbar machen kann, wenn es sich an den Strukturen der
Persönlichkeit im Wachsein, eingebunden in dieses Weltgeflecht, vorbei
zur Kenntnis bringt. An ihrem Ort, zu ihrer Zeit. Denn jedes
Alltagsgeflecht ist immer mangelhaft. So tritt er mit einem Paket an
Erfahrenem als Aufgabe im nächsten Aufwachen in die Welt hinein - als
Welt, und als Aufgabe. (Schlafentzug wirkt deshalb direkt
dissoziierend.) Als einer der Pole, zwischen denen sich Menschsein erst
vollziehen kann. Hier hat jede Kulturdroge (in gewissem Sinn, zumindest
in ihrer Intention, auch Zustände wie Trance) ihren sehr berechtigten,
ja notwendigen Platz.**
Aber die Welt des Menschen ist
Gestalt. Der Mensch träumt also immer im Rahmen seines Seins, im Rahmen
seiner wirklichen Wirklichkeit, in ihren Berührungspunkten mit der
begegnenden wirklichen Wirklichkeit. Traum ist deshalb Gespräch.
**Sieht man von möglichen
Ausnahmefällen ab - dem VdZ fällt hier nur höchste Heiligkeit ein - ist
deshalb zu Vorsicht vor allen jenen geraten, die jede Kulturdroge, deren
Wesen Steuerung und rechte Platzzuweisung ist, strikt ablehnen.
Fanatismus ist nur eines der Gesichter, die solcher Puritanismus zeigt.
Aber erst in dieser (temorären) umhegten Selbstauflösung kann sich Neues
zeigen und geboren werden. Deshalb ist der kultische Wert des Weines,
wie er alle Kulturen zu allen Zeiten kennzeichnete, mehr als logisch.
Ohne diese temporäre, partielle Selbstauflösung kann Kultur gar nicht
geschaffen werden, sie bleibt ein immer enger werdendes menschliches
Konstrukt. Das Weinverbot im Islam erzählt also eigentlich viel mehr,
als manchem lieb sein mag, und beleuchtet vieles an seiner Geschichte.
Gleichzeitig
erhellt sich aus dieser Perspektive viel über den Alkoholiker. Der
meist schon aus Disposition der Schwäche, der fehlenden seelischen
Spannkraft (und hier soll nicht von "Schuld" gesprochen werden), das
Alltagsgeflecht in einer selbst getragenen Ordnung nicht zu ertragen
vermag. (Das gilt auch für Zeiten starker Bedrückung, die die normale
Fassungskraft überbeanspruchen.) Wie im Fall des Drogensüchtigen noch
deutlicher wird, schwächt er so Disponierte oder Präparierte aber damit
erneut seine Fassungskraft, und gerät in einen spiralförmigen
Abwärtssog. Sinngemäß gilt dieser Hinweis natürlich auch für
Partialspannungen (man denke an die Masturbation, oder an ungehemmten
Sex, logische Folge eines Zerfalls der Repräsentationskraft von
institutionalisierten Partnerschaften, bei gleichzeitig hohem und vom
Einzelnen zu wenig verhinderten Niveau an Anregung - auch das eine
spiralförmige Bewegung).
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