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Montag, 6. Oktober 2014

Wirklichkeit ist immer zeitlos (2)

Teil 2) Der Traum, Alkohol und Masturbation




Was aber im Zeitlosen bleibt, hat keine Gestalt, und es ist deshalb nicht (direkt) sinnlich erkennbar. Das im Traum "Gesehene" ist also das aus der unbewußten Phantasietätigkeit zum nur Gefühlten Hinzugefügte. Das Wahrgenommene wird durch das Gewußte ersetzt, sieht man von jenen Bereichen und Fällen ab, in denen sich die reale Alltagswelt - als Geflecht von Gestalten, von realen Körpern, und damit von Zeit und Raum - bereits einzumischen beginnt. (Der Mensch bleibt ja auch im Traum realer, auf einem Bett, in einem Zimmer etc. liegender Körper.) Deshalb werden die meisten Träume wie in der Dämmerung wahrgenommen, in der sich ja jeden Tag neu die Welt auszublenden beginnt.

Umgekehrt braucht der Mensch dieses ungehemmte Aufsteigen des in ihm Wirkenden, das sich nur sichtbar machen kann, wenn es sich an den Strukturen der Persönlichkeit im Wachsein, eingebunden in dieses Weltgeflecht, vorbei zur Kenntnis bringt. An ihrem Ort, zu ihrer Zeit. Denn jedes Alltagsgeflecht ist immer mangelhaft. So tritt er mit einem Paket an Erfahrenem als Aufgabe im nächsten Aufwachen in die Welt hinein - als Welt, und als Aufgabe. (Schlafentzug wirkt deshalb direkt dissoziierend.) Als einer der Pole, zwischen denen sich Menschsein erst vollziehen kann. Hier hat jede Kulturdroge (in gewissem Sinn, zumindest in ihrer Intention, auch Zustände wie Trance) ihren sehr berechtigten, ja notwendigen Platz.**

Aber die Welt des Menschen ist Gestalt. Der Mensch träumt also immer im Rahmen seines Seins, im Rahmen seiner wirklichen Wirklichkeit, in ihren Berührungspunkten mit der begegnenden wirklichen Wirklichkeit. Traum ist deshalb Gespräch.
 



**Sieht man von möglichen Ausnahmefällen ab - dem VdZ fällt hier nur höchste Heiligkeit ein - ist deshalb zu Vorsicht vor allen jenen geraten, die jede Kulturdroge, deren Wesen Steuerung und rechte Platzzuweisung ist, strikt ablehnen. Fanatismus ist nur eines der Gesichter, die solcher Puritanismus zeigt. Aber erst in dieser (temorären) umhegten Selbstauflösung kann sich Neues zeigen und geboren werden. Deshalb ist der kultische Wert des Weines, wie er alle Kulturen zu allen Zeiten kennzeichnete, mehr als logisch. Ohne diese temporäre, partielle Selbstauflösung kann Kultur gar nicht geschaffen werden, sie bleibt ein immer enger werdendes menschliches Konstrukt. Das Weinverbot im Islam erzählt also eigentlich viel mehr, als manchem lieb sein mag, und beleuchtet vieles an seiner Geschichte.

Gleichzeitig erhellt sich aus dieser Perspektive viel über den Alkoholiker. Der meist schon aus Disposition der Schwäche, der fehlenden seelischen Spannkraft (und hier soll nicht von "Schuld" gesprochen werden), das Alltagsgeflecht in einer selbst getragenen Ordnung nicht zu ertragen vermag. (Das gilt auch für Zeiten starker Bedrückung, die die normale Fassungskraft überbeanspruchen.) Wie im Fall des Drogensüchtigen noch deutlicher wird, schwächt er so Disponierte oder Präparierte aber damit erneut seine Fassungskraft, und gerät in einen spiralförmigen Abwärtssog. Sinngemäß gilt dieser Hinweis natürlich auch für Partialspannungen (man denke an die Masturbation, oder an ungehemmten Sex, logische Folge eines Zerfalls der Repräsentationskraft von institutionalisierten Partnerschaften, bei gleichzeitig hohem und vom Einzelnen zu wenig verhinderten Niveau an Anregung - auch das eine spiralförmige Bewegung). 





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