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Dienstag, 14. Oktober 2014

Versinkende Kulturarchive

"Sie werden immer weniger, die Privatbibliotheken," meinte einmal ein Antiquar zum VdZ. "Wenn es viel ist, bin ich in der Woche noch ein oder zwei mal zur Besichtigung einer Bibliothek eingeladen, bzw. soll sie schätzen, um sie zu kaufen. Vor 30 Jahren bin ich täglich mehrmals unterwegs gewesen, aus demselben Zweck. Da hatte noch jeder Bürger seine Bücher, und kam man zu einem mit akademischen Weihen, konnte man mit ganzen Bibliotheken rechnen, die er im Laufe seines Lebens angelegt hatte. Wenn der verstarb, kam für die Hinterbliebenen oft sogar das Problem der Zusammenlegung von Bibliotheken, also mußte man einen Teil oder alles verkaufen. Wenn man heute zu jungen Menschen hinkommt, und dabei sind akademische Tiel so häufig wie noch nie, fragt man sich: Wo haben die ihre Bücher versteckt? Wenn es hoch kommt, steht irgendwo ein Regal mit ein paar Taschenbüchern. Von denen sie gerade einmal die gelesen haben, die sie fürs Studium unbedingt gebraucht haben. Aber die kauft man nicht. Einen Markt für häufige oder alltägliche Bücher gibt es nicht mehr. Wobei auch Kenner-Käufer immer rarer werden."

Es gibt in Wien Kooperativen von Antiquaren, die gemeinsam riesige Lager mit hunderttausenden Büchern unterhalten. Aber sie sind kaum noch verkäuflich, meist nur noch übers Internet, und auch hier fallen die Preise (für Alltagsware überhaupt) ins Bodenlose, sodaß sich auch eine digitale Aufbereitung für Internet-Verkauf nicht mehr lohnt. Innerhalb der letzten zehn Jahre hat sich die Zahl der Antiquariate, die Verkaufsläden unterhalten, um 80 % reduziert. Die Käufer "schöner Einbände" sind den Verbliebenen oft letzte Stütze der Existenz.

Warum die verbliebenen weitermachen? Einige wenige leben von den Lagen ihrer Lokale, etwa neben Gerichten, wo Rechtsanwälte oder Richter vorbeikommen, die auch noch etwas mehr Geld für spezielle Ausgaben oder seltene Bücher ausgeben. Der Rest? Lebt oft gar nur vom Idealismus. Einer jener meinte einmal: "Ich sehe mir einen Kulturauftrag, auch wenn es so wenig geschätzt wird. Aus Gewinnsucht mache ich das sicher nicht." 

Wobei das Wissen mancher Antiquare über Geschichte und Rang von Büchern, Auflagen, oder die kulturgeschichtliche Bedeutung und Entwicklung von Verlagen beeindruckend ist.

Buchhändler (und Verleger) war aber immer ein Beruf, den man nicht aus Gewinnsucht betrieb. Gewinn war bestenfalls notwendig. Sondern weil man die Menschen, die Kultur liebte. Liest man Julien Green's Tagebücher (der Franko-Amerikaner Green, der übrigens in Klagenfurt begraben ist, hat selbst eine Bibliothek angesammelt, die gegen sein Lebensende an die 13.000 Bände enthielt), erhält man einen Eindruck, was "bouquinistes" einmal geleistet haben. Denn die waren - und nicht selten war ihr Laden nicht größer als der Handkarren, mit dem sie irgendwo Aufstellung nahmen - nicht einfach "Verkäufer", Buchhändler mit Geschäftsplänen, die waren geistesgeschichtliche Archive in Person. Lasen meist selbst in Permanenz. Kannten Bücher, Autoren, geistige Linien, Entwicklungen. Man ging nicht in eine Buchhandlung - man ging zu einem Buchhändler. Green erzählt nicht nur einmal von tiefsinnigen Gesprächen, und Empfehlungen, die er so erhielt und ihn weiterbrachten. Sie haben das geistige Klima der Stadt und des Landes mit gestaltet.


Aus einer Verkaufsanzeige auf willhaben.at - Photorechte also privat



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