Teil 2) Wann ein Krieg gerecht ist
Im Falle eines Handelskrieges ist scharf zu unterscheiden, ob er gerecht oder ungerecht ist. Prinzipiell ist ein Handelskrieg nämlich ungerecht, denn er versucht nur die freien Wirtschaftsprinzipien als Prinzipien freier Lebensentfaltung der Völker, mit allen Konsequenzen der Gestaltung des Zueinander, zu ersetzen. Wenn es aber - wie im Falle Englands - so ist, daß der Handel existenznotwendig ist, weil sich das Land nicht selbst versorgen kann, kann auch ein Handelskrieg gerecht sein.
Ein gerechter Krieg, so Max Scheler, braucht aber zwei Maßstäbe: Erstens liegen sie in Art und Natur der Gegensätze, die zum Krieg führen. Was das ist, ist historisch bedingt und nicht ein für allemal festlegbar, sondern oft sogar sehr relativ. Weil lebendige Staaten eben dynamische Gebilde sind, so daß sich auch ihre Außenbeziehungen ändern. Und zweitens nach der Provenienz des Willens zum Kriege in den beteiligten Staaten, Völkern, Nationen, Kulturkreisen. Die Gegensätze müssen kriegsgewichtig sein, schreibt er, und es muß der Krieg vom Gemeinwillen (dem "volonté générale", NICHT dem "volonté de tous") der beteiligten Völker und Nationen entsprechen.
Kriegsgewichtige Gegensätze sind es, wenn es sich um die Existenz, die politische Selbständigkeit und Freiheit eines Staates handelt. Ferner um umschriebene Rechte, die seiner faktischen Macht entsprechen, und dann um Bewahrung seiner internationalen Ehre, seines "Prestiges". Nur was von diesen Kriterien nicht berührt ist, so wie religiöse, ökonomische oder kulturelle Unterschiede, kann von internationalen Einrichtungen geschlichtet werden. Diese haben die Aufgabe, ungerechte Kriege zu verhindern, zu verhüten, daß nicht-kriegsgewichtige Gegensätze (Religion, Kultur, Rasse) zu Kriegen führen.
Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit eines Krieges entscheiden sich aber auch nicht nach Angriff oder Verteidigung, auch nicht nach Kriegserklärungen. Denn eine Kriegserklärung setzt nur Termin und Zeitbestimmungen fest, aber nicht die Kriegsgründe, auf die sie sich bezieht.
Hat etwa ein Staat Gebiete unter seiner nominellen Hoheit, die er gar nicht zu verwalten, zu integrieren vermag, Macht, die also gar nicht seiner inneren Festigkeit und Kraft entspricht, so kann ein Angriffskrieg von Nachbarn durchaus der Gerechtigkeit entsprechen. Der Krieg der Römer gegen die Karthager etwa war gerecht, weil Karthago nicht die kulturelle Höhe besaß, seine Gebiete zu organisieren und zum gedeihlichen Leben zu gestalten. Wie Rom es dann schaffte.
Kriege haben also auch einen Konnex zum Wesen des Eigentums. Das nur dann als gerecht bezeichnet werden kann, wenn es dem Aneignungsvermögen, dem Integrationsvermögen eines Organismus, dessen "Persönlichkeit" entspricht. Und umgekehrt. Gleichermaßen bedeutet das Wachstum einer Persönlichkeit auch, daß sie sich ihrer Selbstentfaltung willen - und damit der Entfaltung der Menschheit willen, als Sinn des Menschseins überhaupt - nach mehr Besitz ausweiten will. Staat läßt sich also nur sehr bedingt und historisch relativ einem Staatsgebiet zuordnen. Das zeigt sich eigentlich in seiner Entstehung im Abendland, die in ihrem ursprünglichen Wesen personenorientiert war. Erst in dieser Hinsicht hat sich Staat auch auf Eigentum und Land bezogen.**
Damit kann ein Verteidigungskrieg ungerecht werden. Wenn ein angegriffener Staat nämlich um seine Unterlegenheit einem Angreifer gegenüber weiß, und doch Widerstand organisiert, der aber dann zum sinnlosen Hinopfern von Menschen wird.
Wenn aber auch Religionskriege prinzipiell ungerecht sind, so sind es religiöse Kriege eines Staates mit theokratischer Verfaßtheit nicht. Das betrifft auch die "heiligen Kriege" der Mohammedaner. Hier kann es nur darum gehen, wieweit deren Staatsform konkret verwerflich ist.
Wo aber ein Krieg auf die Menschen oder deren Kultur, und nicht auf deren Staat abzielt, kann er nicht gerecht sein. Denn er kann dann nur zum geistlosen Vernichtungskrieg werden. Gleiches gilt für Bürgerkriege, und überhaupt für alle Formen von Kriegen, die nicht auf den Staat abzielen, sondern im Gegenteil, das Wesen des Staates verneinen und damit ein Volk dem Barbarismus ausliefern.
Demnächst: Was Carl Schmitt zum Recht auf
Intervention ausländischer Mächte
in anderen Staaten sagt
**Im Gegensatz zu heute weit verbreiteten Meinungen ist Eigentum also
nicht in festlegbarem Maß gerecht oder ungerecht, sondern seine Gerechtigkeit hat
direkt mit der Persönlichkeitsweite und -tiefe eines Eigentümers zu tun. Insofern schwankt seine Gerechtigkeit mit dem Maß der sittlichen Kraft jeweiliger Eigentümer.
*221014*