Der faszinierendste Aspekt des Träumens ist, daß in ihm die Wirklichkeit der Welt zur Reinform kommt. Denn wenn im Traum Sprünge über Raum und Zeit keine Rolle spielen, so zeigt sich darin das wirklich Bewegende: als immer Gegenwärtiges, Wirkendes, zeigt sich das Wesen der Wirklichkeit.
Während sich im Alltag, im wachen Bewußtsein, die Verflechtung an das Hintereinander zeigt, das sich jeweils einen Raum schafft bzw. diesen hat. Dort muß es im Nachdenken, im Durchdringen des Vereinzelten auf seine Grundzüge reduziert werden, um so zur Wirklichkeit von Geschehnissen zu gelangen.
Darin liegt das Wesen der dramatischen Dichtung begründet. Die genau das tut. Und damit die Welt der zeitlich und räumlich gebundenen Erscheinungen auf das Ihnen zugrundeliegende führt, das an sich keine Zeit und keinen Raum kennt. Sich aber zur Gestaltwerdung in diese hinein entfalten muß. Ohne diese Auseinanderfaltung gienge es nicht. Aber in ihr zeigt sich nur jeweils im Ringen und Anpochen, was zur Reingestalt kommen will. Das Drama legt es frei, stellt es dar, als Ergebnis des Ordnens der zuerst wie freie Assoziationen auftauchenden Einzelerscheinungen, die sich erst in Teilbündeln finden, ehe sie zum Insgesamt zusammenfaßbar weil im Einzelnen vom Einzelnen geläutert werden.
Spiel der Assoziationen wie im Traum. Dem allerdings die konkrete Gestalt fehlt, der im Gefühl bleibt bzw. aus diesem auftaucht. Der Punkt, von dem aus die andrängenden, jeweils aber zeitlosen Wirklichkeiten geordnet und gereiht und bewertet werden können. Im Traum zu verharren würde deshalb heißen, die Welt zu verlieren. Eine Erscheinung, wie sie in extremis dem Schizophrenen eigen ist. Und sämtlichen (auch temporären) Dissoziationserscheinungen, etwa im Drogenrausch, aber auch dem (immer entwicklungsbedürftigen) Kind* vergleichbar. Als Unfähigkeit zur Gliederung in Sinn, die heute in so mannigfachen Formen auftreten, als Folge der Auflösung (bzw. Verweigerung) der Identität.
Morgen Teil 2) Der Traum, Alkohol und Masturbation
*Nur insofern kann man von der Wahrheit des Kindermunds sprechen, und insofern spricht man auch von der Wahrheit des Berauschten. Denn natürlich kann diese Ungeordnetheit, in der sich diese äußern, sogar verborgene oder verheimlichte Wahrheiten - als Hilfestellung - ans Tageslicht bringen. In allen Gefahren, auch jener, ein vorhandenes Interpretationsnetz zu sprengen und den Menschen erst recht in Unordnung zu versetzen.
Anderseits zeigt es Unreife von Persönlichkeit, Werkunfähigkeit, solche frei aufsteigende Assoziationen oder Antriebe ungeordnet abzusondern. Vieles also, was man heute zurecht als allgemeine Unhöflichkeit beklagt - und es ist längst eine allgemeine Erscheinung - ist in Wahrheit Vorstadium zu einer dissoziativen Persönlichkeitserkrankung. Es ist tragisch und Folge von Dummheit, daß diese Erkrankung (in egal welchem Stadium) heute sogar oft noch als "(Hoch-)Begabung" dargestellt wird.
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