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Donnerstag, 16. April 2015

Aber wir wissen wenig (1)

Er liebe mehr die Details, nicht die großen Einheitsformeln. Die "theory of everything" würde die Wissenschaft nie finden, meinte 2012 eine der großen Stimmen in der amerikanischen Wissenschaft, Freeman Dyson. Wissenschaft könne sich nur auf Details konzentrieren, und diese zu verstehen suchen. Aber hinter jedem verstandenen Detail offenbarten sich immer zwei weitere große Fragen. Man könne immer nur neu staunen, wie komplex und im Verstehen unerschöpflich das Universum sei. Das, was wir nicht verstehen, übersteigt immer das Gewußte um Dimensionen.

Befragt nach den Ursprüngen des Lebens, äußert er bestenfalls Vermutungen, aber er - der seit vielen Jahrzehnten an biologischen Fragen arbeitet - hat keine Theorie darüber. Zwischen den bekannten chemisch-physikalischen Vorgängen und dem Moment, wo Leben auftaucht, klaffe nach wie vor eine riesige Lücke der Nicht-Verstehens. Und man ist in dieser Frage seit er sie beobachte nicht viel weitergekommen. Von RNA oder Proteinen als erste Stufen zum Leben auszugehen halte er nicht für richtig. Sie spielen eine wichtige Rolle, gewiß, sind aber äußerst komplexe Geschehen. Es gebe noch viel mehr, das davor dagewesen sein müsse.

Und selbst, wenn es gelinge, stimmmige Theorien zu formulieren, hieße das noch immer nicht, daß sie auch wahr seien. Gödel, so Dyson, habe bewiesen, daß selbst die Mathematik kein geschlossenes System darstelle. Es blieben immer Fragen, die nicht aus ihr heraus beantwortet werden könnten: als Regeln, die von außen kommen und sie eigentlich bestimmen. Dasselbe gelte für Computer, wie Thuring bewiesen hat. Auch sie könnten zwar viele Aufgaben lösen, aber vieles werden sie aus prinzipiellen Gründen nie können.

Vorhersagen könnten nicht davon ausgehen, zu stimmen. Sie sind dazu geeignet, die Vorstellungskraft zu befeuern, aber sicher könne man sich ihrer nie sein. Normalerweise seien Vorhersagen falsch, auch seine. Und selbst wenn er etwa glaube, daß die Neurologie, das Verstehen des menschlichen Gehirns (mit allen Auswirkungen auf die Computertechnologie) das 21. Jhd. bestimmen werde, so glaube er, daß die Zukunft ANALOG und NICHT DIGITAL aussehen werde. Thuring hat zwar schon 1936 sein berühmtes Theorem aufgestellt, daß digitale Computer in der Lage wären, alles zu imitieren.

Aber etwa 1980, vor 30 Jahren wurde von zwei Amerikanern ein Theorem aufgestellt und veröffentlicht, das noch völlig unbekannt ist, dem er eine höhere Bedeutung beimesse: Es hat bewiesen, daß es Zeichen gibt, die man analog, nicht aber digital abbilden könne. Langfristig wird deshalb seiner Meinung nach die analoge Technik zurückkehren. Denn Dyson glaubt, daß auch Gehirne weit eher analog als digital arbeiten. Das Gehirn ist jedem Computer enorm überlegen, etwa wenn es darum geht, Gesichter zu erkennen, oder Sprache zu benützen.

Es hat die erstaunliche Eigenschaft, äußerst rasch Bilder zu vergleichen, oder Tonsequenzen zu erkennen, und das funktioniert nicht über digitale Prozesse, sondern auf geheimnisvolle Weise und in Lichtgeschwindigkeit. Das alles sieht für ihn weit eher nach einem analogen Prozeß aus. Er sieht es als Ursache dafür, daß es immer noch nicht gelingen will, künstliche Intelligenz herzustellen: Man setzt auf digitale Technik, die aber menschlichen Denkprozessen nicht gerecht wird, weil es sie nicht adäquat abbilde. Will man hier weiterkommen muß man sich von der digitalen Computertechnik verabschieden, und beginnen, analog zu denken. Aber das Gegenteil ist der Fall, man konzentriert sich nach wie vor auf diese (falsche) Technik. Facebook geht für Dyson in diese Richtung: die Welt der Informationen entwickelt sich von Symbolen (Zahlen) hin zu Bildern.

Die Bedeutung von Quantencomputern, die für Dyson ein dritter Weg wären, könne er aber nicht einschätzen, denn man verstehe sie eigentlich überhaupt nicht.

Eine weitere Zukunft sieht er - neben der Genforschung - in der Expansion des menschlichen Lebens ins Weltall, auch wenn er das eher für das nächste Jahrhundert erwartet. Übrigens vertritt Dyson die Ansicht, daß Poesie und Wissenschaft sich decken. Seine Thesen sieht er immer wieder als "erzählte Geschichten", in denen er sich als "Häretiker" heutiger Weltsichten begreift. Unnötig zu erwähnen, daß er in einem allfälligen Klimawandel weit mehr Chancen sieht, als eine drohende Katastrophe.








Morgen Teil 2) Die häretischen Ansichten eines Wissenschaftlers




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