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Freitag, 17. April 2015

Aber wir wissen wenig (2)

Teil 2) Die häretischen Ansichten eines Wissenschaftlers





Die Aussagen dazu seien seiner Ansicht nach hoffnungslos überzogen. Sodaß man nicht einmal berücksichtige, so Dyson an anderer Stelle, daß mit dem Anstieg des CO2 auch die Erde immer grüner geworden wäre. Er kennt nicht nur die Klimamodelle, mit denen gearbeitet wird, er kennt auch deren Macher. Aber diese Modelle sind nicht in der Lage die Realität abzubilden, in der wir leben, selbst wenn sie manche Teilvorgänge brauchbar abzubilden in der Lage sind. Dazu müßten aber Klimamodellexperten ihre Schreibtische verlassen, um festzustellen, wie wenig wir von den Vorgängen auf der Erde wirklich wissen. So aber enden sie als Gläubige ihrer eigenen Modelle. Ja, in Teilen der Welt ist es wärmer geworden, aber das kann man keineswegs von der gesamten Erde aussagen. Um das Kohlendioxid in der Atmosphäre wirkungsvoll zu reduzieren, wäre im Umkehrschluß ausreichend, die Biomasse der Erde (etwa durch landwirtschaftliche Maßnahmen der Verbesserung der Organizität des Bodens) um EIN INCH pro Jahrhundert zu erhöhen.*

Das Problem des Anstiegs des CO2 in der Atmosphäre ist in seinen Augen ein Problem der Bodenbewirtschaftung, und keines der Meteorologie. Zusammenhänge mit einem sehr wahrscheinlichen Rückgang der oberen Erdschichten, durch Erosion in entwaldeten Gegenden etwa, sind höchst wahrscheinlich, wenn auch kaum je meßbar.

Und er ist der Ansicht, daß das Erdöl nichts mit Biologie zu tun habe, sondern daß es weit plausibler sei, chemo-physikalische Prozesse im Erdmantel, also: anorganischen Ursprung anzunehmen. (Der VdZ erlaubt sich den Hinweis auf die Forschungen des in den USA be- wie anerkannten Thomas Gold, einem Flucht-Österreicher von 1938 übrigens, die schon vor fünf Jahrzehnten diese revolutionäre Sichtweise zum Inhalt hatten.)

Gleichermaßen sieht er in der Entwicklung Amerikas Anzeichen für eine Überdehnung, und das ist im historischen Vergleich der Anfang vom Ende einer Weltmacht. Die so lange wächst, bis ihre Strukturen zu groß werden, woraufhin sie kollabiert. Die kommenden Mächte sind seiner Ansicht nach China, Indien, oder Brasilien. Man sollte sich weniger den Kopf darüber zerbrechen, wie man in einer von Amerika dominierten Welt lebe, sondern wie man sich darauf vorbereiten könne, in einer Welt zu leben, die NICHT von Amerika dominiert wird.

Der Videovortrag von Freeman Dyson ist auch in seiner Länge (1 Stunde) durch seine freie Art, manche heutiger "Gewißheiten" auf den Kopf zu stellen, empfehlenswert. Umso erfrischender sind seine "Häresien", als Dyson als Rationalist Denkvoraussetzungen hat, denen man nicht unbedingt beitreten muß.

Was er also auch etwa über Darwin zu sagen hat, ist damit Zeugnis einer beachtlichen wissenschaftlichen Redlichkeit. Es ist, sagt er, davon auszugehen, daß der Beginn des Lebens außerhalb der Darwin'schen Postulate gesehen werden muß. Denn es muß so etwas wie einen horizontalen Gentransfer gegeben haben, noch ehe Arten entstanden. Evolution von Leben auf der Erde ist also eher als kollektiver, zusammenhängender Prozeß zu sehen. Von Spezies ist damit erst ab dem Moment zu sprechen, in dem dieser Gentransfer durch Individualisierung aufhörte, und hier erst setzt das "Darwinistische Zwischenspiel" ein, das vor 10.000 Jahren endete, als die menschliche Kulturentwicklung einsetzte, in der es um Ideen geht, die sich viel rasanter entwickeln als biologische Evolutionsprozesse es vermögen. Sie wird nicht von darwin'schen Gesetzen geprägt, sondern mündet in einer Renaissance des horizontalen Transfers - der Globalisierung, der Einmündung in eine "open source community".

Interessant auch seine Sichtweisen der Armut. Die, so Dyson, sei in den Dörfern begründet, würde aber in der Verstädterung in den Städten sichtbar. Das hat seiner Ansicht nach mit einer je unterschiedlichen Technologie zu tun - "green" und "grey". Anpacken müsse man das Problem also in den Dörfern, nicht in den Städten. Daß Dyson also die Zukunft der Menschheit in der Verlagerung auf "green technology" - dem "Erfinden" neuer Pflanzen- und Tierarten, grob gesprochen - sieht, liegt in dieser Sichtweise. Spätestens hier zeigt sich die problematische, nihilistische Anthropologie, auf der Dyson aufbaut. Es ist der Optimismus der Renaissance.

Aber ein wenig kann man von seinem Fazit durchaus mitnehmen: Daß nämlich die Entwicklung der Zukunft nicht einfach ein unveränderbarer Ablauf von schicksalhaften, über uns verhängten Komponenten ist, sondern in unserer Hand liegt. Alles, wovon wir heute so fest überzeugt sind, wird seiner Ansicht nach in 35 Jahren Schnee von gestern sein. Uns muß klar sein, daß wir (im rationalen Sinn) nur Ungewißheiten haben. Neue Wege zu finden braucht aber den Mut zur Häresie.










*Es gibt Schätzungen, daß die Organismen der oberen Erdschichten so zahlreich sind, daß ihre Masse, extrahiert, die Erde 3 Meter bedecken würde. Das würde übrigens auch erklären, warum über Wüsten, über warmen Meeresregionen, aber auch über der Arktis die CO2-Konzentration in der Atmosphäre besonders hoch ist, nicht aber über dicht besiedeltem Festland, wo sie doch besonders hoch sein müßte, wäre sie einfach menschlicher Ausstoß. In jedem Fall aber ist es, so Dyson, irreführend, CO2 über globalen Durchschnitt zu behandeln. Es hängt sehr nachvollziehbar mit den verschiedenen Klimazonen zusammen, und macht - als Treibhausgas verstanden - zwar kalte Gegenden wärmer, nicht aber warme, wo die Luft über der Landfläche weit mehr Wasserdampf enthält.

Alle Elemente aber, die relevant für den Kohlenstoff sind - fossile Brennstoffe, die Atmosphäre, die Pflanzen, die obere Erdschichte, die oberen Schichten der Meere - können nicht für sich betrachtet werden. Denn sie interagieren alle engstens, und hängen zusammen. Man muß sie deshalb als Gesamtsystem verstehen. Erhöht sich etwa das CO2 in der Luft, wachsen Pflanzen vermehrt über Wurzelbildung, um die vermehrte Aufnahme über die Blätter zu kompensieren. Damit erhöht automatisch höherer CO2-Gehalt die Biomasse in der oberen Erdeschichte. . .




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