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Samstag, 25. April 2015

Aus ganz anderem Blickwinkel

Ein sehr interessanter französischer Film, der ganz andere Aspekte beleuchtet, als man gewöhnt ist. Denn als sich 1944 über 2 Millionen amerikanischer Soldaten in England versammelten, um sich zur Invasion vorzubereiten bzw. diese dann durchzuführen, brachen kaum je thematisierte Probleme auf.

Da war erst einmal die Haltung der amerikanischen (weißen) Soldaten, die - mit viel Geld und vielen Konsumgütern ausgestattet, die in England längst Mangelware waren - die Haltung vertraten, daß sie, wenn sie schon ihr Leben aufs Spiel setzten, um England und Frankreich zu befreien, auch gefälligst Gegenleistungen beanspruchen durften. Was hieß: bei den Frauen. Wo das bis zur Häufigkeit von Vergewaltigungen ging.

Dann war da das für amerikanische schwarze Soldaten völlig ungewohnte Erlebnis, daß sie von Engländern als "Menschen" behandelt wurden. Denn in der Truppe war praktisch das gesamte Offiziers- und Unteroffizierskorps weiß. Und es behandelte die Neger unverblümt wie Sklaven. Plötzlich aber befanden sie sich der angetroffenen Bevölkerung gegenüber in einer zumindest moralisch, sozial auf jeden Fall überlegenen Situation.

Das alles angesichts unerfüllt bleibender sexueller Bedürfnisse.

Dazu kam die kulturell "überlegene" Situation - populäre Musik (Jazz) allem voran. Hier standen Mitglieder einer zur Leitkultur der Freiheit und Lebensfreude "gewordenen" Lebensart. Das verstärkte die Position als "Erlöser", als Missionare einer neuen, besseren Lebensart. Gegen die die traditionelle Lebensweise wie ein Blick ins Gruselkabinett aussah. Amerikaner waren faszinierende Repräsentanten einer faszinierenden neuen Lebensweise. All das stärkte das Gefühl völliger Überlegenheit der Befreier.

Man versuchte ob der Häufigkeit von Übergriffen durch Soldaten durchzugreifen, es gab zahlreiche Verurteilungen und Gefängnisstrafen und viele Todesurteile, schon in England. Das steigerte sich noch um eine Dimension, als man in Frankreich angelandet war. Hier galt das Vorurteil, daß die französische Frau disponibel wäre, auf die Liebe ausgerichtet, graziös ... dekadent. 

Der Schock für die Franzosen war vorprogrammmiert. Denn sie erlebten die Befreier als Terrorregime, das willkürlich forderte, und sich dazu im Recht sah. Sich nahm, was es wollte. Gewalt, Kriminalität explodierte regelrecht. Die Angst der Bevölkerung vor allem vor schwarzen Soldaten wuchs. Dem stand eine amerikanische Militärjustiz gegenüber, die schon zahlenmäßig (Richter) überfordert war, Tribunale zusammenstellte, die aus Personen bestanden, die mit solchen Situationen noch nie zu tun gehabt hatten, und vom Hauptrichter meist leicht zu beeinflussen waren. Und die meist klar rassistische Positionen vertraten. Nicht selten brauchte man einfach Exempel, Sündenböcke.

Die amerikanischen Befreier waren die absolute Autorität, und ihre Siege gaben ihnen jede Freiheit. Die Bevölkerung war Freiwild, und niemand wagte wirklich aufzubegehren, weil es ja die Befreier von der nazideutschen Herrschaft waren. Regelrechte Banden aus desertierten US-Soldaten (ein Problem, das man in fast jeder Kriegsbetrachtung völlig unterschätzt) trieben ihr Unwesen. Flüchtlinge (und wie erst die Frauen dabei) waren am ärgsten dran.  

Ganz ungebremst entwickelte sich das Problem, als man deutsches Gebiet betrat. Es war regelrecht typisch, daß zwei amerikanische Soldaten nachts umherstreiften, und nach Licht in Fenstern Ausschau hielten. Die Bewohner, die keine Möglichkeit zur Verteidigung hatten, waren den Amerikanern völlig ausgeliefert. Die US-Soldaten suchten sich eine Frau aus, und erledigten den Rest der Bewohner. Oft kam es vor, daß Amerikaner in ein Dorf kamen, und sich dort wie auf einer Shopping-Tour aufführten, in "Allmacht" nahmen, was ihnen beliebte. Willkürlich wurden Amtsträger oder "Verdächtige" exekutiert. Versprengte Soldaten ermordet. Frauen vergewaltigt. Sie galten als Kriegsbeute.

Die Schreckensherrschaft dauerte über das Kriegsende hinaus. Viele Verbrechen wurden gar nie gemeldet oder aktenkundig. Die amerikanische Justiz war hoffnungslos überfordert, schon gar wenn es um Vergewaltigungen ging, obwohl dafür die Todesstrafe stand. Man schätzt die Opferzahl alleine in Deutschland, wo sich die Gewalt endgültig grenzenlos entfaltete, auf 1,5 Millionen, insgesamt sind es wohl 2,7 Millionen Frauen bzw. Vergewaltigungen - in England, Frankreich, Deutschland. Die Spuren in der Erinnerung, die Spur der Verbrechen und der Verwüstung, die die amerikanischen Befreier hinterließen, ist allgegenwärtig. Nur spricht man bis heute nicht davon.

Ein Deutscher hätte so einen Film nicht machen können. Oder wollen. Oder dürfen. In Frankreich wird diese höchst fragwürdige Seite der Befreiung aber immerhin thematisiert.








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