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Dienstag, 7. April 2015

Karriere durch Unfähigkeiten

[Herr du Chatelet] "war einer jener angenehmen jungen Leute, die unter Napoleon allen Aushebungen entgingen, indem sie sich so nah wie möglich an der kaiserlichen Sonne hielten. Er hatte seine Laufbahn mit der Stellung eines Sekretärs im Dienst einer der kaiserlichen Prinzessinnen begonnen und besaß alle für seine Lage erforderlichen Unfähigkeiten. Wohlgewachsen, hübsch, guter Tänzer, bemerkenswerter Billardspieler, hervorragend in jeder Leibesübung, mittelmäpüiger Salonschauspieler, Sänger von Romanzen, Liebhaber von witzigen Antworten, unbedenklich, geschmeidig, neidisch, wußte er alles und nichts. 

Obwohl er sich nicht auf Musik verstand, begleitete er so gut es ging auf dem Piano jede Frau, die aus Gefälligkeit eine Romanze singen wollte, an der sie unter tausend Mühen einen Monat lang gelernt hatte. Jedes dichterischen Gefühles bar, bat er kühn um die Erlaubnis, zehn Minuten lang draußen auf und ab zu gehen zu dürfen, um irgendeine Improvisation oder irgendeinen Vierzeiler auszudenken, der platt wie eine Ohrfeige war und den Gedanken durch den Reim ersetzte. [...] 

Kurzum er verfügte über all die kleinen Talente, die in reiner Zeit, in der die Frauen auf die Geschäfte größeren Einfluß hatten, als man glaubt, die besten Hilfsmittel waren, um Karriere zu machen.

Für seine starke Seite hielt er die Diplomatie, die die Wissenschaft derer ist, die nichts wissen und nur durch ihre Leere tief sind, eine übrigens sehr bequeme Wissenschaft, weil sie schon dadurch, daß sie ausgeübt wird, auf hohe Fähigkeiten schließen läßt. Da sie Verschwiegenheit verlangt, erlaubt sie den Ignoranten, nichts zu sagen und sich hinter einem geheimnisvollen Kopfschütteln zu verschanzen; am erfolgreichsten ist auf diesem Gebiet, wer unbekümmert im Strom der Ereignisse schwimmt und dafür sorgt, daß er den Kopf oben behält; er scheint so zu führen, und das alles ist eine Frage der spezifischen Leichtigkeit. Wie in allen Künsten fallen auch in dieser auf eine Begabung tausend Mittelmäßigkeiten."



Ein  Meister in der Kenntnis von Mensch und Leben - Honoré de Balzac, hier in "Verlorene Illusionen - Die beiden Dichter". Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind wie in aller Dichtung alles andere als zufällig. Nichts an den Details ist erfunden, in ihrer Erfassung des Wirklichen als dem unsichtbar Bewegenden hinter allem aber in ihrem universalen Gehalt bestimmt, und damit immer gleich zutreffend. Schon gar in Zeiten, in denen jeder so fest daran glaubt, ganz anders zu sein, hat sich am wenigsten geändert.

Man erkennt das Wesen einer Zeit nicht an dem, was sich in ihren Details geändert hat, sondern daran, welcher Charakter welche Relevanz hat, und wer ihre Helden sind.




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