Dieses Blog durchsuchen

Samstag, 5. September 2020

Alte Messe - Neuer Ansatz (1)

In einem amerikanischen Magazin findet sich ein Artikel aus der Feder von Martin Mosebach (im Link in Deutscher Originalfassung abrufbar), in dem dieser sehr schön und richtig die Bedeutung der Wiederholung hervorstreicht. Denn die Liturgie ist niemals eine nach menschlichen Zweckkriterien zu beurteilende Handlung, in der das Ewige zeitlich wird. Sie ist "nutzenlos", wie die Kunst es ist. Gerade in der Wiederholung - man denke an das dreimalige Kyrie/Christe eleison, das Agnus Dei usw. Es stellt dar, daß in der Ewigkeit - und die Heilige Messe ist ein solcher Einbruch des Ewigen - alles gleichzeitig und ununterbrochen ist. Sich also nicht wie in der Welt einfach in zweckhaftes Hintereinander zergliedert, das in Wahrheit ja auch nur ein (aber mangelhafter) Weg ins Ewige ist, das als Resultat der Handlung aufleuchtet.

Der Artikel von M. Mosebach handelt substantiell über die Wiederholung in der Liturgie. An sich gut, aber wieder, und noch deutlicher fällt mir auf, daß das, was er da beschreibt, ein Einbinden des Volkes zu einer Art "gemeinsamer Liturgie" ist. Dies erscheint mir als Tautologie. Denn das Volk ist ALS VOLK Teilnehmer, aber nicht als Teil der Opferung, die dem Priester vorbehalten bleibt. Er zeigte ja auch andernorts wiederholt, daß er die Schönheit der Liturgie aus der Warte des Priesters sieht. Er erfreut sich an den priesterlichen Handlungen, die er verstehen möchte, und je mehr er sie versteht, desto mehr erfreut er sich daran.

So weit, so gut. Doch fällt in diesem Artikel etwas auf, das Mosebach an anderer Stelle mit der Äußerung beleuchtet hat, daß für ihn mit jedem Messbesuch die Schönheit und Würde der Liturgie in dem Maß aufleuchte, als er sie immer mehr und immer neu zu verstehen beginne. Etwas, dem vermutlich gerade diejenigen, die sich der Alten Liturgie (und mit gewissem Recht) zuwenden, mit Entzücken erfüllen dürfte.

Aber der VdZ stellt sich die Frage, ob sich hier nicht ein Elend abzeichnet, das sogar der Grund dafür ist, daß die Zerstörung der Liturgie eigentlich und in einer viele Jahrhunderte langen Reihe als logische Konsequenz GERADE der Alten Liturgie begreifen lassen könnte. Das Schlüsselwort dazu ist die "participatio actuosa", die im Zweiten Vatikanum zu einem Zentralthema wurde, also: wie kann das Gottesvolk an den Früchten der Liturgie bestmöglich teilhaben. Dazu führte man genau das an, was in der Auffassung von Mosebach durchschimmert - man band die Gläubigen, also "das Volk" immer mehr in die eigentlichen liturgischen Handlungen ein.

Der VdZ stellt sich aber die Frage, ob das so richtig ist. Ob nicht die vielfach stattfindende Rückwendung zur "Alten Liturgie" eine Art verzweifelter Rückgriff auf einen Zustand ist, in dem die ihr eingewachsene, immanente Liturgiezerstörung einfach auf einen Zustand vor sechzig Jahren zurückgestellt werden soll, dem aber bereits jene Bresthaftigkeit innewohnte, die den Entwicklungen nach 1965 keine Gegenwehr mehr zu bieten hatte, und in der Theologie fast ausnahmslos von allen Konzilsteilnehmern gutgeheißen wurde. Selbst heute als "konservativ" dastehende Stimmen waren mit dieser Liturgie nicht mehr einverstanden und arbeiteten (wie Romano Guardini) an deren Entwicklung.

Innerhalb einer Liturgie die, so nebenbei, niemals verboten war, weil sie gar nie verboten werden kann, die Kirche hat das Recht dazu gar nicht, denn die Liturgie ist Gottes Werk, sie ist nicht von Menschen geschaffen. Sie ist Geschehen im Himmel, nicht auf Erden, wo sie nur spiegelt, wiedergibt. Sie ist somit ein Einblick in die göttliche, himmlische Liturgie als Zueinanderbewegung aller Elemente der Schöpfung, Ausfaltung des Innenlebens wie des Wissens und der Ideen, der Ordnung Gottes.

Und hier setzt die Frage an, die sich der VdZ stellt, und die ihm umso dringender scheint, als er selber erfahren hat, wieder und wieder erfahren hat, daß es in der Liturgie "zwei Hälften" gibt, die zueinander in einem Ordnungsverhältnis stehen. Das ist hier die priesterliche Opferhandlung als Selbstopfer Gottes vor ihm, in dem Gott sich gewissermaßen zu sich selbst zurückbiegt, in der dreifaltigen Personalität Sohnesopfer - Vater - im Heiligen Geist, der das Zueinander dieser beiden trägt und ist.

Dieser größten aller möglichen Handlungen, einer innergöttlichen Handlung also, wohnt in je abgestufter Weise die Kirche bei, der in der Liturgie die Würde zukommt, diese innergöttliche Handlung zu entbergen. Mit den Zentralpositionen - dem sakramentalen Priester, der ja "in persona Christi" das Opfer ist wie vollzieht, in den Engeln, die diesem Teil der Liturgie beiwohnen. Die durch die Ministranten (die Helferlein der göttlichen Gedanken, die sie zur Wirkung tragen sollen) repräsentiert wird, die in gewisser Weise also zum Inhalt der Liturgie selbst gehören, die der Priester aber vollzieht.

Diesem Teil der göttlichen Liturgie stehen als Schöpfungsteil (Christus ist nicht geschaffen, sondern gezeugt) in Christus zur Kirche gefügt, der vollkommensten Ordnung der gesamten Schöpfung vor Gott, der aber niemals in derselben Weise christifiziert wird, die restlichen Kirchenmitglieder gegenüber. Sie (als Menschen, niemals Gott) werden analog christusförmig, nicht sakramental-real wie der Priester. Sie leben aus der Liturgie, sie sind Kirche IN dieser Liturgie. Als herausgestelltes Wissen Gottes, das zu seiner Verherrlichung und Ehre besteht. Sie sind nicht sakramental "alter Christus", also der andere Christus, nicht zumindest in derselben Weise wie es der Priester ist.


Die Weise, wie das Volk an der Liturgie teilhat, ist also die in der Rolle ALS VOLK. Wer wissen will, wie das zu verstehen ist, sollte einen Blick auf die orthodoxe Liturgie werfen, die auch bis zum Ende des Mittelalters der Liturgie des Westens weitgehend glich. Das zeigt sich in der Architektur deutlich, wo als Pendent zur ostkirchlichen Ikonostase, die bis heute besteht und die Presbyter, die Priester vom Volk trennt, der "Lettner" bestand, der in gewisser Rudimentarität noch im sogenannten "Speisegitter" fortbesteht. Während aber im Westen dieser Lettner zum Altar gewandert ist, was sich in den barocken Hochaltären am deutlichsten zeigt, blieb er in der Ostkirche dort, wo er war - in der Ikonostase.

Die Trennung der beiden Sphären - priesterliche Opferhandlung und Volk - besteht also bis heute in der westlichen Kirche, wurde aber seit den 1970er Jahren mehr und mehr aufgelöst, bis sich in den meisten heutigen Kirchen und schon gar in der Liturgie Volk und Priester "ineinanderschieben". Das greift einerseits der theologischen Entwicklung nicht nur weit weit vor, sondern es überrundet den theologischen Stand sogar. Setzt also praktisch eine Tatsache, die sich auch in der inneren Entwicklung der Menschen zeigt, die aber gar nicht dem theologischen Tatbestand entspricht: Die Gläubigen werden zu Mitzelebranten!

Genau das, was vielfach kritisiert wird, und warum? WEIL dieses Mitzelebrieren gar nicht jene Haltung ist, IN DER die Gläubigen, also das Volk (abgesetzt gegen die Priester), in dieser Haltung GAR NICHT an den Früchten der Erlösungstat teilhaben! Sie werden also "architektonisch" zu einer Fehlhaltung verleitet, ja erzogen, die exakt den Fehlentwicklungen der Moderne entspricht. In der sich der Mensch als Herr und Meister seines Schicksals empfängt, in dem er die Gnade eigentlich gar nicht mehr braucht, und gar nicht und nichts mehr empfangen will. Das ist ja der Grund für jenes Desaster, das wir heute kulturell erleben - unsere Kultur hat ihr entscheidendes Element verloren, das des Bittens und Empfangens, das in gewisser Hinsicht auch der Stellung von Mann (Priester) und Frau (Volk), der Entsprechung von Form und Materie entspricht. Das zieht sich bis in die kleinsten Alltagsgewohnheiten durch. 

Blicken wir auf das oben Gesagte zurück, so fällt also nun vielleicht eine Parallele auf, die seltsamerweise kaum jemand zu berücksichtigen meint. Seltsam deshalb, weil gerade die Liturgen unter den Gläubigen, die also begreifen, wie sehr die Liturgie es ist und immer war, die eine Kultur (weil die Menschen) formen und dann tragen, dieser entscheidenden Entwicklung in nichts weniger folgen. Wenn es sich anders verhält, so ist es Zufall, entgeht aber als eigentliches Geschehen der Aufmerksamkeit.

Denn daß der Gläubige, das Volk an der sogenannten Alten Liturgie weit mehr partizipiert, als er es in der Neuen tun kann (dem Novo Ordo), was soweit geht, daß dem Novo Ordo Missae mit gutem Recht sein eigentliches Sein ALS Liturgie abgesprochen werden muß, sodaß er sehr oft sogar in die Nähe einer prinzipiellen Blasphemie rückt, in der sich Form und Inhalt nicht mehr entsprechen. Aber dieses Partizipieren hängt sehr oft (wie der VdZ meint) von ganz anderen Umständen ab, als die frommen Teilnehmer an einer Alten Messe meinen könnten.

Nicht davon nämlich, was oft zu beobachten ist, daß diese die Gebete des Priesters mitbeten ALS wären sie an seiner Stelle (auch wenn sie das explizit bestreiten würden - sie TUN es) und als wäre das, was der Priester tut, auch das, was sich in ihnen nachvollziehen soll (so wie Gestalt eben Geist prägt), sondern durch zufällige Faktoren, die nicht selten einfach mit den architektonischen Gegebenheiten der Architektur zu tun haben, der gegenständlichen Kirchen als Gebäude also. Wo etwa zwischen Presbyterium und Volksbänken eine riesige Distanz ist, sodaß es der Idee der Ikonostase zumindest in der Wirkung fast gleichkommt.

Was unterscheidet das Volk und sein Handeln im Rahmen des "allgemeinen Priestertums" (wie es das Zweite Vatikanum nennt) vom spezifischen Priestertum des sakramentalen, geweihten Priesters "in persona Christ"? Eigentlich ist das schon ausgedrückt: Während der Priester die Heiligsten Handlungen vollzieht, an deren Ergebnis er das Volk dann teilhaben läßt, geschieht die Gottesverehrung des Gläubigen IN SEINEM LEBENSALLTAG DURCH SEINEN LEBENSALLTAG. Auch das läßt sich in gotischen Kirchen wunderbar begreifen, man denke an die Kirche in Garsten bei Steyr: Wo sich in den Kirchenbänken die irdische, ständische Ordnung des Alltags findet. Deshalb "zieth man sich schön" an - man führt in seiner Kleidung sein Sein als Mensch (Volk) zur schönst möglichen Form, und das ist immer eine Übersteigerung, ein Herausnehmen aus dem nur Nützlichen, ein Überhöhen der Alltagsformen. Es wird eben zum Spiel.



Morgen Teil 2) Vor Gott steht das Volk als Ordnung, 
damit als Mosaik der Orte. 
Und es steht dem Priester, dem Vollziehenden des Opfers, gegenüber.