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Sonntag, 6. September 2020

Alte Messe - Neuer Ansatz (2)

Teil 2) Vor Gott steht das Volk als Ordnung, 
damit als Mosaik der Orte. 
Und es steht dem Priester, dem Vollziehenden des Opfers, gegenüber.



Das bedeutet, daß die Form der Gottesverehrung für die Menschen darin besteht, ihre Standespflichten - ihren Ort! - ins Schöne zu überhöhen, aber immer und vollkommen zu erfüllen. Dies geschieht am Sonntag prototypisch, in seiner vollkommensten, eben nicht einfach auf Nützlichkeit ausgerichteten Gestalt, als Quelle, die nach und nach auch den Alltag durchdringen sollte, als Ursprung wie Ziel des eigenen Lebens, das im Alltag oft so erstickt und profaniert wird. Am Sonntag aber wird es wieder aufpoliert, in seine Idealform gebracht, auf das man ab Montag "auf ein Neues" versucht, diese Form zu wahren, bis zum Samstag, wo alles wieder verknautscht, verstaubt, abgeplattet und profaniert ist.

Daß das so ist, ja daß das die eigentliche und praktische Grundlage unseres Daseins als Katholiken ist, ist uns völlig aus dem Bewußtsein verschwunden. Und daran hat die Liturgie Schuld! Und zwar nicht erst der Novus Ordo, der das nur noch weiter gesteigert hat, sondern das zeigt sich bereits im Alten Ritus, der Alten Messe. Es zeigt sich, wenn die Gläubigen vergessen, wo und was ihr eigentlicher Part in dem ganzen Spiel des Heiligen ist. Aber das ist nicht unwesentlicher Teil des Ganzen, sondern es ist entscheidend. Denn wenn wir von Teilhabe am Erlösungs- und Heilsgeschehen reden, dann reden wir von der rechten Haltung im Volk! Wir reden NICHT, daß die Gläubigen (meinetwegen in einer nicht ganz so "echten" Form wie der Priester) die Heiligsten Handlungen des Opfers vollzieht! Wann und wo und in welcher Religion sollte das je so gewesen sein?

Man kann es noch in der Orthodoxie ahnen. Die in ihrer Trennung von Rom zwar der Hybris ihre weltliche Gestalt gab, die sie ins Verderben zog und zieht, die aber in dieser protestantischen Katatonie so etwas wie ein Kaleidoskop uranfänglicher(er), damals noch amorpher Richtungen des Wirklichen gestattet. Die damit in dieser Zeit der reversierten Gestaltpolitik, also der Entstaltung (deren kulturelle Dimension bei der Liturgie ansetzt und beginnt, nicht umgekehrt, wie oft getan wird), die auf andere Weise eine Verschleierung mehr denn eine Enthüllung bietet (was der eigentliche Sinn der Liturgie bzw. des Kultes wäre: Die Verbindung von Himmel und Erde, die Inkarnation des Göttlichen bzw. Gottes selbst, wie in der Kirche wie durch sie eben), die in solchen Zeiten also wieder etwas sehen und begreifen lehren kann, was sonst gefährlich nahe dem Vergessen liegt. 

Und in diesem Punkt kann man so etwas sehen. Weil in eben dieser russisch-orthodoxen Liturgie* das Volk im Vorraum ausharrt, betet, singt. Wo die Schola singt, und dieser Raum in eine Atmosphäre des Heiligen, Erwartungsvollen getaucht ist weil "dort verbleibt". In den sich Gott dann (durch den Priester) hineinneigt, in der Kommunion, in den Teilen eben, in denen sich der Priester direkt ans Volk wendet. So, wie man es bei manchen Kirchenbauten noch ahnen kann, wo die Bänke weit weit weg vom Presbyterium stehen und so in den Gläubigen, im Volk "automatisch" jenes unendlich Heilige geahnt wird, als unendlich Fernes, das sich uns plötzlich doch nähert, aber so "ganz anders" ist, daß man ihm nur mit Staunen begegnen kann. 

Sind wir nicht genau da und genau so Kirche? Wer da meint, es handele sich hier um ein Balbieren des Kaisers Bart, der irrt. Denn hier geht es um Rang und Stellung des menschlichen Daseins überhaupt, um die Stellung der Arbeit und allen menschlichen Tuns. Die Liturgen der Gegenwart tun ein wenig zu sehr - und zwar auch die der Alten Messe - als sei das alles unbedeutend, weil es doch nur darum gehe, Sanctus und Halleluja zu singen! Dabei machen die Engel, macht die himmlische Liturgie, die zu uns Menschen kommt, an der wir unserem Stand nach (!) teilhaben, nur das explizit, was unserem Handeln als Geschöpfe, als geschaffene Welt implizit ist. Wenn man so will: Es geht hier sogar um den Universalienstreit, der in seiner Gegenpolarität zur Bestreitung von Universalien eine Tendenz hat, die Rosmini einmal mit "Verdinglichung von geistigen Begriffen" bezeichnet.

Ob also Martin Mosebach nicht die Liturgie zu sehr aus dem Blickwinkel des Künstlers (in der Standescharakteristik dem sakramentalen Priester einerseits gleich, anderseits nur durch die Sakramentalität der Weihe und deren Folgen unterschieden) sieht. Ob er aber sonst nicht etwas propagiert, das bestenfalls als "Gespräch unter Priestern" möglich und gestattet ist, aber den Kern der Liturgie, ihr Problem - ihr Verhältnis zu den Gläubigen, zum Volk! - völlig verfehlt. Ja, wo sogar die Alte Messe dieselben Irrtümer fortsetzt, die man in der Neuen Messe dann in Vollgestalt zu Gesicht bekommt.


*Auf diese russische Orthodoxie bezieht sich des VdZ Äußerung an dieser Stelle. Weil er sie dort meist zumindest fand. Wenngleich auch dort längst "moderne" Ent- und Verstaltung in erschreckend naiver Weise um sich greift. 

An sich aber ist die russische Orthodoxie ihrem Selbstverständnis nach die aus dem Hause gezogene, den Haushalt mitgenommen haben wollende Tochter der byzantinischen, also griechisch-orthodoxen Kirche, und damit vorgebliches Abbild des Urbildes, was übrigens ein Irrtum ist, weil die "alte" russisch-orthodoxe Liturgie ursprünglicher war als die im 18. Jahrhundert nach eingehendem Skriptenstudium angeblich in Athos herausdestillierte "wahre alt-ursprüngliche Liturgie", denn diese war, wie man heute weiß, bereits mehr verändert, als die alt-russisch-orthodoxe Liturgie, weshalb es noch heute in Rußland "Altgläubige" gibt.