Vielleicht vergißt man es, vielleicht aber kann man es nur aus einer menschlich-psychologischen Warte heraus verstehen - daß die Hoffnung wie der Glaube und wie die Liebe göttliche Tugenden sind. Tugenden, die nicht "zu machen" sind, sondern die uns kraft der Sakramente eingesenkt werden. Einmal durch die Taufe (mit Ehe, Firmung und Kommunion als Vollendung) als Grundlage (das heißt wiederum: durch die Kirche generell), und dann durch jene übrigen Sakramente, die im Rahmen eines entfalteten Gnaden- und Glaubensleben gesehen werden können. Und das heißt als Tugendleben. Denn das Laster verdunkelt deren Wirkung, ja trocknet sie aus und macht sie sogar zur Anklage im Gericht.
Wenn wir uns aber hier nur der Hoffnung zuwenden, so auch in ihrem Zusammenhang mit den übrigen zwei göttlichen Tugenden, dem Glauben und der Liebe, denn sie spielen zusammen, und wirken aufeinander. Darauf wiederum greifen wir vor allem den Glauben heraus, denn er bietet jene sachliche, vernunftbetontere Grundlage, auf der im speziellen die Hoffnung aufruht.
Und die Hoffnung wird vielleicht am wenigsten von diesen drei Tugenden verstanden. Sie hat nämlich nichts mit Optimismus zu tun, der nicht einmal ihre kleine Schwester ist oder als solche bezeichnet werden könnte. Denn jener ist eine weltlich-psychische (und psychologische) Dimension, die von aller Übernatur abgeschlossen bleibt. Die Hoffnung ist also nicht etwas, das auf Optimismus (als deren natürliche Grundlage, treu dem Wissen um die Tatsache, daß die Gnade der Natur folgt, ja diese voraussetzt.
Die Hoffnung ist aber vielleicht jene Tugend, deren Fehlen am meisten zu beobachten ist. Denn sie hat eine sehr weltliche Auswirkung und betrifft die Weise des In-der-Welt-Stehens. Sie ist darin die Haltung der Offenheit dem Begegnenden gegenüber. Eine Offenheit, die nur aus der Glaubensergebenheit zu verstehen ist, und die Zukunft in der Hand Gottes weiß. Damit bleibt sie - im Gegensatz zum Optimismus - ergebnisoffen, und ihre Freude bezieht sich gerade darauf. Während der Optimismus gerade diese Gottergebenheit ausschließt, weil ein nützliches, erwünschtes Ergebnis herbeisehnt oder gar aus der Sicherheit der weltlichen Vorbereitung heraus erwartet. In Gott aber gibt es diese Art der Sicherheit nicht, ja sie schließt sich sogar aus.
Denn für Gott ist die Welt ein Spiel, und zwar ein Tanz der Freude, des Lobes, der Selbstentfaltung, und völlig unabhängig von jedem Ergebnis, wie wir Menschen es sehen würden. Zu hoffen bedeutet nicht, irgendein "gutes Ausgehen" des Lebens - als "Gelingen" irdischer Vorstellungen, als "Heile Welt" (in den Augen der Menschen) sozusagen - zu erwarten, oder darauf zu bauen. Im Gegenteil, ist die Hoffnung davon abhängig, wie sehr im Glauben, der hier ein Glauben an die Göttliche Vorsehung ist, an Gottes Willen festgehalten wird.
Doch an letzterem mangelt es in der Gegenwart, das läßt sich mit Sicherheit sagen. Denn am sichersten läßt sich dies aus einer politischen, medialen, sprachlich-geistigen, gesellschaftlichen Situation erkennen, in der jeder Verantwortungsträger durch sein Verhalten auf den Glauben an ein "gutes Ausgehen" einer Sache abzielt.
Und dieses Verhalten hat sich in allen Lebensbereichen in unserer Kultur, die damit zeigt, daß ihr bereits die Grundlagen fehlen (also gar nicht mehr substituiert werden können), durchgesetzt. Es ist in der Dichte und Qualität der Propaganda erkennbar, in der "Stimmung" und "gesollter Optimismus" die Hoffnung ersetzen soll. Ja es läßt sich beobachten, daß ein enorm hoher Anteil des praktischen Lebens in irgendeiner Form die fehlende Hoffnung ersetzen soll.
Diese Maßnahmen sind daran erkennbar, daß sie auf die menschliche Seele und deren Selbsterfahren ausgreifen wollen. Sie wollen jenen Realismus verhindern, der ergebnisoffen dem Begegnenden gegenübersteht, und bis über die Schwellen des Aberglaubens hinaus einen geistigen Raum schaffen, in dem durch zu wenig Erwartung auf ein erwünschtes Ergebnis zumindest nicht verhindert wird, daß dieses gewünschte Ergebnis auch eintritt.
Durch erlahmendes Engagement etwa, durch zu wenig Sorgfalt, noch mehr aber durch ein Engagement, das über die realistische Haltung der Erwartungslosigkeit hinausgeht und voluntaristisch, also durch überschießendes "Wollen", über den sachlich-natürlichen Rahmen hinaus am Gelingen einer Unternehmung mitwirkt.
Im Gegenstück zum "bene-dicere", also dem "gut-sprechen" (=dem Segen), soll nun ein "male-dicere", ein "schlecht-sprechen", verhindert werden. Wenn wir es mit Redeverboten und Internetzensur sehr zahlreicher Art zu tun haben, in denen etwa eine "Leugnung der Corona-Gefahr", ein "Kleinreden der Klimabedrohung" (und der Leser wird noch eine Reihe weiterer Beispiele ähnlicher Gesinnungsweise kennen, und zwar gerade aus dem Alltäglichen) verhindert werden soll, in dem die Meinung der Menschen bestimmt und gesteuert werden soll, dann erfolgt dies aus dem Ausschließen des Willen Gottes heraus.
Das heißt, daß in allen Lebensbereichen mittlerweile jenes Vertrauen fehlt, das eine Zuwendung zur Sachlichkeit, eine Hingabe ans sachlich orientierte Tun erlaubt, sondern in jedem Moment dessen Ausgang - mit Zittern und Bangen - gewiß stellen möchte. So bricht in die einzig schöpferische Gegenwart, der Hinwendung und Öffnung der Übernatur gegenüber, die jede Zukunft zwingen wollende Hand der Angst herein. Die jedes Verhalten insofern fürchtet, als es aus der Verbindung mit der Sache selbst zu einem Ausgang führen könnte, der dem eigenen Planen und Wollen entgegensteht. Die Wirklichkeit wird zum Feind!
Fehlt also die Hoffnung, fehlt nicht nur mit Sicherheit auch der Glaube, also die volle Wirklichkeit des Wissens, sondern das Wirkliche als Wirkendes (also das aktive Element des Seins, Gottes Liebe somit) wird zur Bedrohung. Ja, jeder Augenblick selbst wird gefürchtet, weil er das Leben, die Welt aus den besorgt begleiteten Dahingleiten auf den Schienen des Guten (und das ergibt sich aus der Sachlichkeit, dem Sein im Seienden).
Paranoia ist die logische und unausbleibliche Folge, die die Hand zur Faust ballt, um alles und jeden zu zwingen und zu beherrschen. Die vor allem das zwingen möchte, das das Bewegen in principio, also vom Ursprung her, auslöst und trägt: Der Geist, das Wort, das Denken, und in dieser Linie: Das Meinen, die Sichtweise, die individuelle Überzeugung, worauf immer man es in dieser Linie noch herunterbrechen möchte.
Morgen Teil 2)
*210820*