Teil 2)
Man sagt oft, daß Rußland der falsche Ort für die kommunistische Revolution gewesen sein soll, weil das Land ja gar nicht in der für eine Revolution (lt. Marx) notwendigen spätkapitalistischen Phase gewesen war, ja es war noch nicht einmal voll kapitalistisch. Nichts ist aber unwahrer. Es war der richtige Ort.²
Denn Rußland war die passende Idee zum inneren Wesen eines Landes und seines Kernvolkes, das sich zur Weltherrschaft berufen fühlte und bis heute fühlt. Nicht einmal die Staatsidee hat sich geändert, als die eines zentralistisch, autokratisch regierten Landes, das Rußland seit je gewesen ist.
Niemand geringerer als Lenin hat das gewußt, und die alten Grundzüge russischer Herrschaft aufgegriffen: Marxismus war für Lenin Werkzeug, nicht Ziel, für eine andere Universalidee von Herrschaft. Und die besteht unverändert bis heute. Sie baut auf eine radikale Verjüngungsfähigkeit eines leidensfähigen Volkes, auf der Bereitschaft der Führung (siehe Peter d. Große!), Überholtes und Unnützes über Bord zu werfen, und Neues zu integrieren.
Auf dem Boden des russischen Messianismus steht auch die alte Tugend epochenüberspannender Geduld, die sogar bereit ist, vorübergehend schwache Positionen vorerst aufzugeben (um sie später wieder an sich zu reißen), sowie der unentwegte Wille, sich mit dem Gefühl der Legitimität in die inneren Angelegenheiten anderer Völker zu mischen.
Rettung aus dem Chaos und Befreiung unter ein "mildes Joch" (das nur hart wird, wenn der Befreite sich wehrt) sehen sich nicht nur die Menschen des westlichen Europa, die ihrer Kultur müde sind. Es sind auch alle jene, die im Laufe der letzten Jahrzehnte von einem "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" sprachen, der die Menschheit befreien soll - und damit eine Idee verfochten haben, die demselben Anspruch unterliegt: Die Befreiung und messianische Rettung der Menschheit.**