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Sonntag, 27. September 2020

Für noch Unentschlossene

Aus Anlaß der Wahl zum Wiener Bürgermeister (der zugleich Landeschef, also im bundesdeutschen Maßstab "Ministerpräsident" ist) sei hier einer der Mitbewerber herausgegriffen, die Bierpartei. Die sich zwar alle Mühe gibt, sich ideologisch "neutral" zu präsentieren, aber doch aus allen Poren Ideologie schwitzt. Welche möge der Leser selbst klassifizieren, und es geht ohnehin hier nicht darum. 

In Zeiten wie diesen gehört es eben dazu, "dagegen" zu sein, und das möglichst originell und "tabulos". In Zeiten einer völligen Dekomposition ist nämlich die Revolte das wahre Zeichen des Dazugehörens zum Strom der Masse.

Deshalb geht es hier nur um die Vorstellung des neuesten Werbespots dieser Bierpartei. Denn ob seiner Originalität so gut wie jede Zeitung Österreichs gewiß kostenlos weil als berichtenswerte - wie gesagt: wir gehören doch dazu! und sind so kritisch! - und ob seiner Kuriosität dem Medienkonsumenten vorzustellende Nachricht brachte. Ja, es steht zu vermuten, daß die Zeitungen sogar dafür bezahlten. Denn wer wollte dieses Spektakel nicht gesehen haben und mitreden? Das immerhin beitragen sollte, so manchen Bierernst zu überwinden, der das Leben so leicht zu einem stickigen Loch macht.

 

Für unsere zahlreichen bundesdeutschen Leser, die mit der deutschen Sprache und Wiener politischen Eigenheiten nicht so vertraut sind, einige Verstehenshinweise: Blümel = Kandidat der  Kurz-ÖVP; "aufdunsenen" = von Bier aufgeschwemmten; Dominik Nepp = Kandidat der FPÖ; Ibiza = Ort, auf dem heimlich ein sehr intimes Gespräch unter anderem mit H. C. Strache und seinem Adlatus Johann Gudenus aufgezeichnet wurde, dessen in kurzen Ausschnitten veröffentlichter Inhalt dazu führte, daß 2019 die ÖVP-FPÖ-Regierung von Kanzler Sebastian Kurz aufgelöst wurde; "guats Oaschloch" = gutes Arschloch, wörtlich, also guter Anus, im Beispiel; 

"der ned amoi in Wien gwohnt hat" = H. C. Strache, der 2020 nach Ibiza von der FPÖ ausgeschlossen wurde, deren Obmann er seit 2006 (Obmann des FPÖ-Parlamentsclubs) bzw. 2008 (FPÖ- und Oppositionsführer) gewesen war, wäre von der Wahl sowohl aktiv wie passiv ausgeschlossen worden, hätte er nicht vor einigen Wochen "nachweisen" können, daß er durch die Trennung von seiner zweiten Ehefrau zwangsweise doch in Wien wohnhaft ist; Strache hatte im Frühjahr 2020 eine eigene Partei/Liste gegründet, mit der er zur Wahl zum Wiener Bürgermeister antrat, kämpft derzeit aber außerdem mit nunmehr gerichtsanhängigen Anschuldigungen, er habe die FPÖ durch ungerechtfertigte Spesenabrechnungen um nahezu eine halbe Million Euro geschädigt. Ach ja, auch er ist ja dagegen. Und doch so dabei.

Der Vollständigkeit halber noch weiteres Unappetitliches: "Beidl" = männliches Gemächt; "Futkanister" = ... das wollen wir hier nicht ins Bundesdeutsche transponieren, es ist zu vulgär für diese geweihten Hallen; schiach = häßlich; 11. Wiener Gemeindebezirk = Simmering, einer der ehedem "Arbeiterbezirk" genannten Wiener Bezirke, weil Simmering ehedem Zentrum großer Industriebetriebe war, die aber heute sämtlich abgewandert sind.



*140820*