Teil 2) Das Schwache will sich selbst aufzusparen
Zurück blieben in allen Fällen, bei
Siegern wie Besiegten, die Schwächeren, der Pöbel, die
Dienstunwilligen, die Untüchtigeren, denen die wehrtechnisch so
bedeutenden Begriffe wie Ehre, Mut, Todesbereitschaft und
Vaterlandsliebe immer unwichtiger wurden. Schichten, die den bequemen
Wohlstand, und sei er noch so bescheiden (denn die Masse der Bevölkerung
lebte auch in diesen Zeiten karg und ärmlich), nicht selten von
öffentlichen Ausspendungen abhängig, allem sonst vorzogen. Es ging ihnen
nicht mehr um Größe und Freiheit ihres Vaterlandes, alle
Errungenschaften (wie Rechtssicherheit) waren ohnehin
Selbstverständlichkeiten, deren Wert man gar nicht mehr ermessen
konnte.
Es
ging ihnen nicht mehr darum, sich "einen Namen" zu machen, der ihrem
Land und ihrer Familie zur Ehre hätte gereichen können. Denn auch dieser
Familienbegriff hatte sich längst verflüchtigt, und zwar ausgehend von
einer Aufweichung der Ehe, die mit der heutigen Situation direkt
verglichen werden kann. Was bleibt bei einer aufgelösten Ehe noch von
einer Familie? Was bleibt bei einer Situation, in der sich die
Ehepartner ablehnen, noch von Familienehre? Welcher Familie? Man
lebte nur noch für sich und den angenehmen Augenblick, zahlte lieber
immer höhere Steuern, ließ sich enteignen, als persönliche Kräfte
einzusetzen.
Die Erziehung verweichlichte. Plötzlich war es auch bei Vätern modern und vorbildlich, sich in Gefühlsergüssen über ihren Nachwuchs zu ergehen, ihn zu hätscheln und zu liebkosen und, wo möglich, mit Geld zu überschütten. möglichst früh unabhängig zu machen. (S. u. a. die Sittengeschichte Carcopino's!) Und mit ungeheurer Wucht entstand eine gesellschaftliche Stellung der Frau, die heutigen feministischen Zielsetzungen um nichts nachsteht, ja sie übertrifft.²
Das Moralgefüge, das eine kriegsfähige, selbsterhaltungswillige Streitmacht braucht, verdunstete sozusagen, über die Jahrhunderte und immer rascher. Und wurde durch die Hereinnahme von Söldnern keinesfalls ersetzt. Denn damit kamen ganz andere Eigenschaften zum Tragen, unter anderem auch Brutalität, Barbarentum. Sie verlangten wiederum andere Feldherreneigenschaften. Die Charaktere die nun in leitenden Positionen gefragt waren waren durchweg ebensolcher brutalen Art. Anderen wären diese rohen Knechte, zu denen römische Soldaten wurden, gar nicht mehr gefolgt.***
Das Moralgefüge, das eine kriegsfähige, selbsterhaltungswillige Streitmacht braucht, verdunstete sozusagen, über die Jahrhunderte und immer rascher. Und wurde durch die Hereinnahme von Söldnern keinesfalls ersetzt. Denn damit kamen ganz andere Eigenschaften zum Tragen, unter anderem auch Brutalität, Barbarentum. Sie verlangten wiederum andere Feldherreneigenschaften. Die Charaktere die nun in leitenden Positionen gefragt waren waren durchweg ebensolcher brutalen Art. Anderen wären diese rohen Knechte, zu denen römische Soldaten wurden, gar nicht mehr gefolgt.***
Der
Geist, die Bildung, der Edelmut schwand, wurde durch ganz andere
Eigenschaften ersetzt, die sich überhaupt nicht mehr an Rom banden,
bestenfalls ans Geld und an die Gewalt. Die Germanen**** etwa waren bekannt
dafür, daß sie in bedrängten Lagen die Waffen streckten, um ihr Leben zu
retten. Etwas, das ein Römer, der sein Land liebt, niemals gemacht
hätte. Gerade an den Entscheidungspunkten einer Schlacht kam es aber oft
genau darauf an, wer die Kriegsgeschichte betrachtet erkennt rasch, wie
sich Schlachten oft genau durch solche Eigenschaften drehten.
Es
war ein "brain drain" im eigentlichsten Sinne, der diesen Verfall der
Wehrkraft von innen heraus bewirkte. Die besten und innovativsten Köpfe
Roms kamen nicht mehr aus ihrer Mitte, aus ihrem Zentrum, sie kamen aus
Syrien oder Randlagen anderer Art.***** Zwar blieben die alten Formen
aufrecht, aber ihre Inhalte - auch in der Kunst - wurden immer
blutleerer. Niemand hatte mehr neue Ideen, die schöpferische Kraft
verglimmte. Man war zufrieden mit dem, was man "hatte". Und verlor es
damit.
Teil 3 morgen) Maßnahmen, damit der Damm nicht bricht
Römische Zustände anno 200
***Xenophon bespricht in seiner "Anabasis" sehr klug die Charaktere von Feldherren. Zeigt damit, daß gütige, herzlichere Feldherren ein massives Gehorsamsproblem gerade in Krisensituationen hatten. Zwar folgten ihnen die edleren Gemüter gerne und problemlos, aber diese waren nie mehr als 10 von 100, zumal bei Söldnertruppen. Der Rest neigte zu Verrat, Gier und Meuterei. Während brutale, ungeschlachte Feldherren solche Probleme mit Söldnern nie hatten.
****Pirenne weist darauf hin daß diese Demoralisierung der Römer, die den eindringenden Germanen als Wohlstand und Wohlergehen vorkam, auch auf die Eindringlinge besonders verführerische und demoralisierende Wirkung hatten. Sehr häufig paßten sich die Germanen dieser leichteren Lebensweise sehr rasch an, und die Geschichte der Vandalen in Nordafrika zeigt, wohin das binnen weniger Jahrzehnte führte. Sie waren also kein "Input" für Rom, sondern bald Teil der schwachen Masse. Vielfach (es sei als Seitenhieb gestattet) ist das, was wir heute von den Zuwanderern fordern und "Assimilation" nennen, genau dasselbe. Wir berauben uns, wie immer man das sonst bewerten mag, gerade jener sittlichen Kräfte, sofern vorhanden, die Reform möglich machen würden.
*****Das erinnert an die Lage Deutschlands im 18. Jhd. Ab dieser Zeit wurden so gut wie alle relevanten Entwicklungen von Personen und Kräften und Völkern aus Randlagen, vor allem im Osten, angestoßen. Ja, die letzte entscheidende Entwicklung kam von einem Randvolk aus dem Osten, das es (territorial, ursprunghaft gesehen) nicht einmal mehr gab - den Preußen. Einer wurzellosen Bevölkerung. Wenn man das Wesen der deutsch-preußischen Kriegstechnik als "Bewegung" definierte, wie Militärhistoriker es tun, so hat das genau diesen Hintergrund. Auch hier hat sich der Moralcodex völlig verändert, so wie sich häufig Wechsel der Militärtechnik in einem nächsten Schritt zur Ent-Moralisierung des Krieges ausdrückt. Die ritterliche Haltung, die der tragende, schöpferische Kern des Mittelalters war, wurde eliminiert, umdefiniert, Erfolg wurde zur simplen Technik.
²Die Geschichte des Mittelalters zeigt, daß sich eine gesellschaftliche Strukturierung, eine hierarchische Gliederung, die über die Zwei- bzw. Dreipoligkeit König/Fürst - Klerus - Bauern hinausging, über drei Faktoren herausbildete: Den vom allgemeinen Bauernstand zunehmend ausgegliederten Kriegsdienst, der den Freien bestimmte, aus dem sich u. a. der Adel entwickelte, und dem "Frieden", der einer neu aufkommenden Schichte, den Ministerialen, also den Beamten, die Verwaltungsdienste übernahmen, sowie dem Bürgertum, zunehmend neue Macht verschaffte - durch das Geld, das aus den neuen Betätigungsfeldern, die sich diese Schichte ehemaliger Bauern suchte, hervorging, zumalen dem Handel. Nur im Klerus, nur im Kriegsdienst, und später nur im Handel war es möglich, sich aus dem Allgemeinen, das eine Gleichberechtigung aller bedeutete, herauszuheben, um Vorrechte und damit Vorzugsstellung zu erlangen. Welch Zugang sich beim Adel vor allem durch das Erb- und Geburtsrecht, der einen Standesdünkel herausbildete, dem es der Kaufmannsstand mit der Zeit gleichtat, mit der Zeit erst verengte. Eine ähnliche Entwicklung nahm der Bildungsstand, der sich aus dem klerikalen Umkreis (Schulen!) entwickelte.
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