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Freitag, 20. Dezember 2013

Nur die erste Vorhut (1)

Nahezu 2000 Jugendliche aus dem EU-Raum sind mittlerweile in Syrien, um dort gegen das Sadat-Regime (Diktion Medien) zu kämpfen. Wobei - so sehr Regime (mit negativer Konnotierung) dürfte es denn doch nicht sein. Zumindest hat diese zu Beginn der offenen Auseinandersetzungen gewählte Schwarz-Weiß-Kategorie mittlerweile versagt. Und daß noch vor einem Jahr Frankreich offene Intervention - auf Seiten der Aufständischen - gefordert hat, dasselbe was diese jungen Menschen auf eigene Faust machen, ist auch mittlerweile besser der Vergessenheit anheimgestellt.

"Die Innenminister der EU" - so schreiben es nun aber Medien wie die Kleine Zeitung - sehen das jedenfalls als besorgniserregend, und möchte etwas dagegen unternehmen. Als erste Maßnahme sollen Möglichkeiten, im Internet Kämpfer anzuwerben, unterbunden werden.

Aber steht da nicht etwas anderes dahinter, daß sich junge Menschen unter Einsatz ihre Lebens einer Sache widmen? Ist nicht der Grundgestus entscheidender als alle ideologische, rationale Begründung, mit der das Verhalten gerechtfertigt wird, mehr als verursacht?

Das tut es mit Gewißheit. Und es handelt sich bei den 50 Österreichern, die in Syrien ihre Kalaschnikows auf Sadat-Soldaten richten, um für die "Freiheit" (im Gottesstaat) zu kämpfen, ganz sicher nicht um den Abschaum der Gesellschaft, der psychologisch behandelt gehörte.

Vielmehr kommt in der Bereitschaft, für eine Sache das Leben zu riskieren, das Geheimnis der Welt selbst zum Vorschein. In dem nur aus dem Tod neues Leben erwächst. Jener Tod, am Leben, den der europäische Wohlfahrtsmechanismus um jeden Preis ausschalten möchte. Und alles als Bedrohung definiert, was dieses Sterben notwendig machte. Denn in der Tat, wer bereit ist für etwas sein Leben zu geben, der rührt am Geheimnis des schöpferischen Lebens. An welches watteverpackte, zu Tode geförderte, in der Ruinenlandschaft der Kultur jeden Widerstands beraubte Jugend, die damit ihrer schöpferischsten Kräfte beraubt wird, gar nicht mehr heranrührt, es sei denn, man ist bereits tot, und akzeptiert den Weg der Mechanik, zu dem "Leben" technisiert wurde. 

Die neue Verheißung, die den jungen Menschen von Muttermilch an eingebläut wird, lautet anders: Sie lautet, daß es Leben auch ohne Tod und ohne Schmerz und ohne Mühe gibt. Daß sich diese Verheißung so gar nicht erfüllen mag, wird mit äußeren Umständen begründet - es ist immer jemand oder etwas schuld daran. Wenn aber DAS beseitigt ist, DANN ...

Deshalb ist der Verfasser dieser Zeilen schon lange überzeugt, daß zwar mit enormem Aufwand verborgen und verfälscht und vertäuschelt und enteignet, aber umso mächtiger, in den tiefsten Seelengründen des jungen Europäers eine Sehnsucht nach Krieg weil eine Sehnsucht nach dieser Ganzhingabe, die alles riskiert, lebt. Die nur durch die immer stärkere Lebensangst selbst zurückgehalten wird. Die sich aber irgendwann in die Breite entladen wird, dazu braucht es nur Vorgänge, die diese stets individuelle Angst durch Massenidentität überspreizen, in die hinein sich der Einzelne dann flüchten kann*. Wo die Idee, das System für ihn denkt und rechtfertigt. Die Kämpfer für den Gottesstaat in Syrien sind nur eine erste Vorhut, und die können nur Menschen mit persönlichem Mut bilden. Und der ist immerhin zu respektieren.

Die am besten natürlich von der Bildfläche verschwänden. Denn der junge Mensch Europas löst seine Probleme mit iPod, mit Käufen im fair-trade-Laden, veganer Ernährung, Windrädern, Yoga-Seminaren, viel "Bildung" und noch mehr "Meinung", die sich in Postings in Online-Medien äußert, und Massendemonstrationen gegen alle "Feinde der Demokratie", die nur leider fast schon ausgehen und deshalb als Gefahr mehr und mehr aufgeblasen werden müssen. Am Leben wird bestenfalls online per Videostream genuckelt, wenn sich (völlig sinnlos, nur zum Entertainment) ein Mann aus 40 Kilometern Höhe herunterstürzt. Aber jeder, der bereit ist, sein Leben für eine Sache hinzugeben, wird ihnen zum Feind, weil er das Potential hat, die luftdichten Windeln der Gegenwartsbefindlichkeit, in denen es sich so wohlig suhlen läßt, aufzureißen. Der Feind der Gegenwart ist die Form, die Gestalt, nichts anderes.


Morgen Teil 2) Die Sehnsucht nach der Zerstörung
als Taktik der verborgenen Sehnsucht nach dem Leben




*Darin liegt in Folge der Grund für die relative Bereitschaft gewisser Schichten Jugendlicher, zu "demonstrieren". Ungesehen, marschiert dabei der Zeitgeist als starker Herr mit, in den sich die Einzelnen flüchten können. Und weil dieser Zeitgeist irrational ist, also sinnlos, sind auch die Aufbegehrensbewegungen nahezu ausschließlich sinnlos. Der ganze arabische Frühling zeigt das exemplarisch. Unvergeßlich zahlreiche Bilder und Kommentare, die vor allem eines zeigten: Das Entsetzen vieler Menschen über harte Polizeireaktionen, in denen ihre Demonstrationen als Gestalt "ernst genommen" wurden, und damit das Individuum trafen. Köstlich-tragisch die Reaktion etwa der amerikanischen Journalistin, die am Tahrir-Platz mehrfach vergewaltigt wurde - sie konnte es nicht fassen, daß diese Menschen nicht bereit waren, Wirklichkeit in unverbindliches Schauspiel umzumünzen, wie diese ihre ganze Generation virtueller Traumtänzer und funktionalistischer Gestaltflüchter. Alle diese Länder sind nicht zufällig auf die brutalste Form ihrer Wirklichkeit zurückgefallen. Sie haben damit vor allem die schockierende Wirklichkeitsferne der medialen Traum- und Ideenwelten des Westens aufgezeigt.






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