Profillos, seelenlos, konturenlos - so lauten allerorten die Urteile über den nunmehr zur Insolvenz angemeldeten Weltbild-Verlagsgruppe, die im Besitz der Katholischen Kirche steht bzw. stand. In allem zu spät, in nichts pointiert genug, ein Ramschladen, den eigentlich niemand brauchte. Mit einem Umsatz von 1,6 Mrd. Euro. Amazon macht im selben Verkaufsgebiet kaum mehr Umsatz (und übrigens auch keinen Gewinn, das nur so nebenbei.)
Der Rheinische Merkur, einst Flaggschiff katholisch intellektuellen Milieus, wurde eingestellt bzw. verkauft. Zahllose Publikationen der Kirche erleiden dasselbe Schicksal. Oder siechen mit minimalen Auflagen dahin, man denke an das früher so relevante Blatt "Die Furche". Für alle gilt dasselbe Urteil: Farblos, profillos, seelenlos, langweilig.
Nach wie vor besitzt die Kirche große Medienkonzerne. Styria in Graz hält nach wie vor maßgebliche Anteile an den größten österreichischen Tages- und Wochenzeitungen, die sie sich mit Raiffeisen teilt. Tellux in Deutschland und Österreich etwa ist einer der größten Hersteller von TV-Produkten. Von all den diözesanen Blättern und Verlagshäusern gar nicht zu reden. Das Niederösterreichische Pressehaus in St. Pölten etwa, mit der größten Regionalzeitung Niederösterreichs, den NÖN. Oder man denke an all die wirklich unzähligen Kirchenzeitungen und -blätter, Ordensmagazine, Blätter von Sondergemeinschaften und Orden.
Und für sie alle gilt dasselbe ... profillos, langweilig, seelenlos.
Kann die Kirche nicht wirtschaften? Ist das alles aber überhaupt eine Frage von ökonomischer Fähigkeit? Wäre Weltbild mit anderem, marktorientiertem Management zu retten, man hätte nur das Sortiment umstellen, bereinigen, Vertriebswege stärken oder was auch immer ändern müssen?
In Wahrheit drückt sich hier nur etwas aus, das für die gesamte Kirche* gilt. sie hat sich aus dem geistigen Diskurs der Öffentlichkeit ausgeklinkt. Was immer sie zu liefern hat ist von derselben Krankheit gezeichnet - der Selbstschwäche, der Selbstauslöschung, der Selbstverweigerung, der Verschleierung. In dem Film "Der einzige Zeuge" wirft Harrison Ford seinem korrupten Polizeichef dessen ehemals eigenen Grundsatz entgegen: "Du hast die Bedeutung verloren."
Selbst wer offizielle theologische Veranstaltungen, auch an Universitäten und katholischen Hochschulen besucht und hört, kann nur denselben Eindruck gewinnen. Auch hier - dieselben Leute, dieselben Wichtigmacher, die zur Lehre machen, was ihr Versagen nur rechtfertigen soll. Lehre, geistiger Inhalt wird - wie bei Luther oder Calvin - zur bloßen rationalistischen, rhetorischen Argumentation.
Dabei geht es nicht um "Moral", dabei geht es nicht um deren Aufweichung. Das Phänomen ist viel umfassender.
Es ist eine Krankheit, die die Kirche zutiefst und bis in ihre letzten Institutionsvertreter angegriffen hat. Und es ist eine Krankheit des Selbstseins. Nichts deutet darauf hin, daß sich das bald ändern könnte. Denn längst macht die Kirche dasselbe wie in den deutschsprachigen Ländern passiert: Sie vertreibt die Guten, die Qualität. Übrig bleiben schwache, inkompetente Mitarbeiter, die von einer Fehlentscheidung zur nächsten tappen, und ihre Leere höchstens ab und zu mit der (meist bloß politically korrekten) Wischiwaschi-Moral aufzufetten meinen.
Häufig sehen sie gar nicht, auf welchem Abstellgleich sie bereits stehen. Oder schieben es auf "gesellschaftliche Entwicklungen", denen sie eben zum Opfer fallen, es sei nicht zeitgemäß zu glauben, etc. Und sind zufrieden damit, daß die gleichfalls ins Nichts der Irrelevanz und Inkompetenz verdampfende Elite nach wie vor die offiziellen Institutionen besetzt hält, und sich dann Versager untereinander Orden und Anerkennung zuschieben. Die sie zwar "hätten", aber nicht mehr haben.
Aber nicht nur die Hoffnung so mancher Bischöfe und Kardinäle und Päpste gar stimmt nicht, und zwar ganz und gar nicht. Was immer als Gegenrezept auftaucht, verstärkt sogar noch mehr den Rückzug der Kirche ins Virtuelle von Sekten und Sondergemeinschaften, ja Kardinäle trösten sich gar damit, daß es solche zurückgezogenen Sondergemeinschaften gibt, auf denen angeblich die Hoffnung der Kirche ruhe. Auch das ist ein fataler Irrtum. Denn auch wenn die Kirche über sich selbst den Schleier der Unsichtbarkeit gebreitet hat, so bleibt sie relevantester Faktor gesellschaftlicher Entwicklung. Als Täter, als Handelnde - nicht als Opfer.
Die schon von weitem die weißen Fahnen hochreißt und Brot und Salz entgegenträgt, egal wer da kommt. Weil sie jeden, wirklich jeden (geistigen) Kampf der Gegenwart vermeidet und sogar fürchtet. Das wesentliche Merkmal von Umstürzen, historisch aufweisbar, ist aber nicht der Umsturzwille anderer - sondern der Mangel an positiver Kraft zum Selbstsein. Der erst jenen Mangel entstehen läßt, aus dem Gegenkräfte aufstehen, die meist nichts anderes sind als Notwehrreaktionen, um Lücken im psychosozialen und institutionellen Umfeld zu füllen. Luthers Reformation ist genau so am allerbesten zu verstehen.
Das ist der Boden der Unzufriedenheit, auf dem die Bevölkerung längst schon sitzt. Denn alle spüren und wissen - siehe Weltbild - daß da etwas nicht stimmt. Daß das alles Schwaden von Verwesungsgestank sind, die sich noch zeigen, und die man meidet. Auch in der Pfarre, wo man dieselbe Wischiwaschi-Liturgie, die solches nach allem natürlichen Empfinden und Wahrnehmen meist ist, längst meidet. So wenden sie sich angewidert ab.
Morgen Teil 2) Austreibung der Guten
*Es ist von großer Wichtigkeit, hier den Kirchenbegriff als "Gemeinschaft aller Getauften" zu definieren, die aus demselben Prinzip (dem persönlichen Gott Jesus Christus als Haupt) als Leib existiert. Keineswegs kann gemeint sein, daß damit das gesamte konkrete gesellschaftliche Leben in die Hände von Prälaten gelegt werden soll, so als bestünde die Kirche nur aus Klerikern. Aber diese sind die "Samenspender", diese sind die Weitergeber des alles Konkrete duchdringenden und auch die natürliche Welt erhellenden, in ein (höheres, weiteres, anderes) Ganzes stellenden Geistes, der wiederum alles Konkrete verwandelt. Alles menschliche Form, alle Kultur geht vom KULT aus, und trägt seine innerste Struktur. Als Beispiel: Man erkennt am Gesicht, an der Gestalt, an den Bewegungen eines Menschen, von welchem Geist er befeuert wird. Noch vor wenigen Jahrzehnten erkannte man etwa Priester, ja überhaupt Katholiken an ihrem Gesicht. Oder, umgekehrt, wer durch den Wohnort des Verfassers dieser Zeilen streift, erkennt manchmal ehemalige Kommunisten gleichfalls an ihrem Gesicht. Es ist die Art, die Dinge zu sehen und zu tun, die den Geist zeigt. Und das drückt sich natürlich auch in jenen "muskulären" Spannungen aus, die eine Physiognomie formen.
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